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Mit harter Hand auf Stimmenfang

Am 31. Mai entscheidet sich bei der rechtsliberalen Koalitionspartei VVD in den Niederlanden, wer als Spitzenkandidat für die Wahlen 2007 das Rennen macht. Der neue Parteichef Mark Rutte steht für den gemäßigten Kurs. Die "eiserne" Rita Verdonk, Immigrations- und Integrationsministerin, ist Galionsfigur des harten, polarisierenden Kurses der Mitte-Rechts-Regierung. Kerstin Schweighöfer porträtiert Rita Verdonk.

    "Für mich ist Rita Verdonk der Schrecken der Nation. Flexibilität ist für sie ein Fremdwort. Und sie ist nicht nur unglaublich dickköpfig und starr, sondern auch unglaublich rechts. Das Menschliche bleibt bei ihr auf der Strecke."

    "Höchste Zeit, dass Immigration und Integration geregelt werden! Als kleines Land müssen wir über die Grenzen unserer Aufnahmekapazität nachdenken. Und wer hier ist, muss sich anpassen. Sonst braucht er gar nicht erst zu kommen. Deshalb finde ich Rita nicht schlecht."#

    "Sie will Spitzenkandidatin werden, und deshalb äfft sie Pim Fortuyn nach. Und sie schert alle Einwanderer über einen Kamm, sie geht vom Negativen im Menschen aus."

    Niederländer über ihre Immigrationsministerin Rita Verdonk - die 50-Jährige spaltet die Nation: Rita liebt man - oder man hasst sie. Die einen feiern sie als weiblichen Pim Fortuyn, der dem unkontrollierten Zustrom an Immigranten endlich einen Riegel vorgeschoben hat und dafür sorgen will, dass auf niederländischen Strassen wieder Nederlands gesprochen wird.

    Für die anderen ist die gedrungene Brünette mit dem stechenden Blick eine herzlose Walküre, der man ansieht, dass sie zuvor als Gefängnisdirektorin und Geheimdienstchefin Karriere gemacht hat. Mit ihrem harten und polarisierenden Kurs, so der Vorwurf, mache sie die Kluft zwischen Einheimischen und Immigranten noch größer.

    Jetzt hat die "eiserne Rita", wie sie auch genannt wird, zur Überraschung aller bekannt gemacht, dass sie ihre rechtsliberale VVD-Partei im nächsten Jahr bei den Parlamentswahlen nur all zu gerne als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf führen will.

    "Ich tue, was ich sage", verspricht sie ihren potenziellen Wählern. "Ich bin weder links noch rechts, sondern geradlinig: Ich steure immer direkt auf mein Ziel zu."

    Deshalb will Verdonk wie geplant trotz aller Proteste 26.000 Asylbewerber abschieben, die noch unter das alte System fallen, obwohl diese seit Jahren in den Niederlanden leben und hier Kinder bekommen haben. Und deshalb will sie auch für ein Schulmädchen aus dem Kosovo nicht Gnade vor Recht ergehen lassen: Die abgewiesene Asylbewerberin und Gymnasiastin Taida Pasic muss trotz bevorstehendem Abitur die Niederlande umgehend verlassen. "Regeln sind Regeln", so Verdonk. "Bei mir weiß der Wähler, woran er ist."

    Das Massenblatt "Telegraaf" kürte Verdonk zur populärsten Politikerin des Landes. Doch ob die zweifache Mutter tatsächlich Spitzenkandidatin wird, bleibt abzuwarten: Inzwischen regt sich Widerstand in den eigenen Reihen. Denn selbst nimmt es die "eiserne Rita" mit Regeln und Vorschriften nicht so genau, setzt sich über richterliche Beschlüsse hinweg oder verschweigt dem Parlament wichtige Informationen.

    Gerade erst hat sie ein Misstrauensvotum überlebt. Auch vom Europarat musste sie eine schwere Rüge einstecken, weil sie kleine Kinder unter abgewiesenen Asylbewerbern wie Schwerverbrecher aus ihren Schulklassen reißen und in Abschiebegefängnisse bringen lässt.

    Deshalb ist sie nicht nur für linke Abgeordnete ein rotes Tuch: Auch Tineke Huizinga von der streng kalvinistischen Christenunie hat große Bedenken:

    "Sie nimmt das Parlament zuweilen nicht ernst. Und sie ist nicht offen für die Argumente der anderen. Wer anders denkt, hat einfach Pech gehabt. Für mich ist Rita Verdonk eine Frau, die jeden Morgen die Rüstung anzieht, um dann die harte und strenge Ministerin zu spielen, die vor nichts Angst hat."