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Mit Hochdruck gegen Viren

Technik. - Das Vogelgrippevirus ist nicht nur eine medizinische Gefahr, sondern auch eine ökonomische Bedrohung, denn Geflügelfleisch aus betroffenen Ländern ist nicht mehr zu verkaufen. Lebensmitteltechnologen arbeiten daher an einem Hochdruckverfahren zur Sterilisierung von Lebensmitteln, mit der die Virenbedrohung gebannt werden könnte, ohne dass das Fleisch erhitzt werden muss.

Von Gabor Paal |
    Der Lebensmitteltechniker Roman Buckow hat ein Gerät zur Hochdruckpasteurisierung bei sich am Institut: Das Fleisch wird eingeschweißt, und es kommt in einen wassergefüllten Stahlbehälter. Das Wasserbad wird anschließend über einen Kolben oder über spezielle Pumpen unter hohen Druck gesetzt. In diesem Fall 4000 bar.

    "Der Vorteil besteht darin, dass man mit Hilfe des Druckes Mikroorganismen, aber auch Viren und Enzyme inaktivieren kann, bei relativ niedrigen Temperaturen, also etwa bei zehn, 20, bis 30 Grad Celsius, und dass man gleichzeitig bestimmte Inhaltsstoffe, die man beibehalten möchte, wie Farbe, Vitamine und Textur erhalten kann."

    Das Verfahren an sich ist nicht neu. Es wird sogar schon kommerziell genutzt, und zwar speziell bei rohem Schinken. Allerdings nur bei Schinken, der in die USA exportiert wird, denn Fleisch, das dorthin geliefert wird, muss keimfrei sein. Diese Bestimmung hatte mit der Vogelgrippe nichts zu tun, sie wurde eingeführt, lange vor der aktuellen Infektionswelle. Ob die Technik überhaupt gegen Viren hilft, war bis vor einem Jahr noch gar niemand bekannt. Lebensmittelinfektionen sind überwiegend ja auch ein Bakterienproblem - Salmonellen zum Beispiel oder Yersinien. Weil aber die Vireninfektionen in jüngster Zeit deutlich zugenommen haben, hat Roman Buckow zusammen mit einem Kollegen getestet, wie Viren im Fleisch auf hohen Druck reagieren. Und zwar speziell das Vogelgrippevirus. Sie benutzten allerdings nicht den gefährlichen H5N1-Erreger, sondern seinen Verwandten H7N7. Buckow:

    "Wir hatten vor einiger Zeit Kontakt zur FAO, wo es hieß, in Südostasien herrscht das Problem mit dem Vogelgrippevirus. Viele Staaten dort wie Thailand oder Indonesien sind sehr große Geflügelfleischexporteure und denen war das untersagt, ihr Fleisch in die EU zu exportieren, und da hatten wir überlegt, könnte man nicht das Fleisch mit Hochdruck behandeln, so dass wir das Fleisch virenfrei bekommen, aber das Fleisch in seiner nativen, also undenaturierten Struktur erhalten können, und das ist uns gelungen."

    Durch den Druck werden vor allem Eiweiße zerstört, oder genauer ausgedrückt: sie werden denaturiert. Das heißt, das Protein verliert seine gefaltete Struktur, faltet sich auf und wird damit funktionsunfähig. Die Erreger können keinen Stoffwechsel mehr betreiben, die Viren können nicht mehr fremde Zellen befallen. Doch ist ein solches Verfahren überhaupt notwendig? Schließlich lässt sich das Vogelgrippevirus auch ganz einfach durch Erhitzen unschädlich machen. George Flick von der Technischen Hochschule in Virginia gehört zu denen, die in den USA am meisten Erfahrung mit der Hochdruckpasteurisierung haben. Wenn akute Vogelgrippegefahr besteht, dann hält er eine Anwendung des Verfahrens zum Schutz der Verbraucher für durchaus sinnvoll.

    "In der Regel kommt das Fleisch ja roh zum Konsumenten und der erhitzt es erst. In diesem Fall kann er sich natürlich schon sicherer fühlen, wenn das Fleisch vorher hochdruckpasteurisiert wurde. Oder auch wenn das Fleisch eben mal nicht ganz durchbraten wird, besteht ein Restrisiko. Oder denken sie an Arbeiter, die aus dem rohen Geflügelfleisch Fertigprodukte herstellen, auch die wären besser geschützt, würde das Fleisch vorher unter Hochdruck gesetzt werden."

    Die Ergebnisse aus den Versuchen mit dem Vogelgrippe-Virus seien ermutigend, so Buckow, auch wenn sie sich nicht ohne weiteres auf andere Viren übertragen lassen:

    "Leider nein, jedes Virus hat verschiedene Inaktivierungstemperaturen, also es gibt Keime und Viren, die sehr hitzeresistent sind, andere sind es nicht, und genauso gibt es sehr druckresistente und weniger druckresistente Viren. Glücklicherweise ist dieser Geflügelgrippevirus einer der Sorten, die nicht sehr druckresistent ist. 4000 bar sind unserer Meinung nach ausreichend."

    4000 bar - nimmt man den Wasserdruck in einer Meerestiefe von 4000 Metern und multipliziert diesen Druck mal zehn - dann ist das ungefähr die Größenordnung. Der hohe Druck inaktiviert aber nicht nur Krankheitserreger, das Fleisch wird zugleich länger haltbar. Geschmacklich verändert es sich durch die Behandlung nicht, sagt Buckow, ein paar Spuren hinterlasse das Verfahren aber doch, räumt er ein:

    "Na ja, wir probieren das natürlich zu vermeiden, dass man Veränderungen sieht oder schmeckt, aber es laufen natürlich auch unter Druck Reaktionen ab, die man nicht haben möchte, zum Beispiel das Fleisch wird etwas blasser. Am einfachsten lässt sich das dadurch erklären, dass man das Hämoglobin, das ein Protein ist, denaturiert, und denaturiertes Hämoglobin ist halt nicht mehr so schön rot."

    Dennoch hält es Buckow für denkbar, dass angesichts von Vogelgrippe und anderen Verunsicherungen bei den Verbrauchern Geflügel auch bei uns auf diese Weise hochdruckpasteurisiert wird:

    "Da stellt sich die Frage, was ist der Verbraucher bereit zu bezahlen, um solch ein sicheres Lebensmittel zu kaufen. Wir rechnen damit, dass es etwa zehn bis 30 Cent pro Kilogramm mehr kostet."

    In Japan wird übrigens bereits Reis und Marmeladen hochdruckpasteurisiert, in Frankreich Orangensaft und in England Milch. Nach der Novel-Food-Verordnung der EU müssen all diese Lebensmittel als hochdruckpasteurisiert gekennzeichnet werden.