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Mit Humor für klimafreundliches Bewusstsein

Das Theaterstück "Ein Jahr für die Ewigkeit" befasst sich mit den Folgen, die der CO2-Ausstoß für unser zukünftiges Leben hat. Entstanden ist das Stück als Ergebnis eines Selbstversuchs, indem die Beteiligten ihren CO2-Ausstoß drastisch reduziert haben.

Von Miriam Schack | 10.11.2011
    "Ich führ ein ganz normales Leben. Mir geht’s gut. Eigentlich sehr gut sogar. Ich hab eine schöne Wohnung, bin glücklich verheiratet. Und bald werde ich auch noch Vater. Ohne Scheiß! Ich fass es noch gar nicht: Ich werde Vater!"

    Moritz Meister, konservativer Spießer, der die Natur beim Autowandern in seiner 344PS-starken Corvette C5 genießt. Bis ihm Climate Change begegnet – jung, blond und unglaublich sexy. Sie rührt an sein Klimagewissen, knipst das Bühnenlicht aus und kippt ihm eine Unmenge Plastikflaschen vor die Füße - deren Volumen dem CO2-Ausstoß eines einfachen Einkaufs entsprechen:

    "Kannst Du Dir das vorstellen, Moritz? 8983,5 Einliterplastikflaschen."

    Eine drastische Zurschaustellung, die auf die Zuschauer ihre Wirkung nicht verfehlt. Regisseurin Daniela Neubauer lässt ihren Moritz Meister eine Entwicklung durchleben:

    "Bisschen wie Wilhelm Meisters Lehrjahre. Er trifft auf jemanden, es bewirkt was in ihm. Es findet ne Veränderung im Denken statt. Bis er sich dann von einem, wie Harald unser Dramaturg, immer so schön sagt, von einem Aldi-Adepten zu einem Ökofaschisten entwickelt."

    Doch bis es so weit ist, muss Moritz Meister noch oft umdenken - und sich zum Beispiel zugunsten einer Pflanzenwurzel von seiner Plastikzahnbürste trennen:

    "100 Prozent biologisch abbaubar. - Altes Gemüse. - So. Und wie mach ich’s? – Äh, ja. - Gefällt’s dir? - Äh. Machst du das jetzt jeden Morgen? – So, Moritz. Und jetzt kriegen wir auch noch dein Klopapierproblem in den Griff. - Was?"

    Mitunter ist der Humor des Stücks ein bisschen plakativ, doch Humor muss sein. Gerade bei einem so ernsthaften Thema, wie Regisseurin Daniela Neubauer meint:

    "Da muss man auch aufpassen. Das ist uns auch teilweise passiert, dass man anfängt, belehrend zu werden. Oder dass man jemanden trifft und der hat dann Plastikflaschen eingekauft und man dann anfängt, der Person zu erzählen, wie gefährlich das ist und wie viele Giftstoffe in diesen Plastikflaschen drin sind und dass man die überhaupt nicht mehr kaufen darf und dass es eine große Katastrophe ist. Und dann merkt man so: Oh hoppla, jetzt muss ich mal wieder die Notbremse ziehen und nicht mehr ganz so belehrend und didaktisch zu sein."

    Regisseurin, Dramaturg und Schauspieler - sie alle üben im Selbstversuch, ihren CO2-Ausstoß im Alltag drastisch zu reduzieren. Moritz-Darsteller Philipp Manuel Rothkopf hat sein Leben stark verändert:

    "Also ich hab auf Ökostrom umgestellt, ich habe meinen Kühlschrank abgestellt. Ich achte darauf, möglichst wenig Strom zu verbrauchen. Ich hab bis jetzt auch noch nicht die Heizung angestellt. Ich versuche, das Plastik so weit wie möglich zu reduzieren und versuche auch, mich mehr in Biomärkten aufzuhalten und da mal was zu kaufen."

    Das Ergebnis ist ein gemeinschaftlich entwickeltes kurzweiliges Theaterstück, dessen Entstehungsprozess Schauspielerin Julia Brettschneider viel bedeutet:

    "Es ist auf jeden Fall ein anderes Arbeiten, weil’s den Text in seiner Form natürlich von Anfang an nicht gibt, der wird irgendwie entwickelt halt durch Improvisationen. Ich find das sehr angenehm, auch dass man eben sehr viel diskutiert vorher und ausprobiert und dann versucht, das irgendwie mit einfließen zu lassen und nicht so außen vorsteht eigentlich."

    Zehn Tonnen CO2 produziert jeder Deutsche im Jahr. Um die Erde zu retten, dürften es nur zwei Tonnen sein, sagen Experten. Ob die Entwicklung zum Öko-Faschisten die Lösung des Problems darstellt, darauf will sich Regisseurin Neubauer am Ende aber nicht festlegen:

    "Ich hoffe nicht, dass ich die Lösung nenne, sondern dass ich ein Feld aufmache, in der jeder sich in irgendeiner Art und Weise angesprochen fühlt und selbst suchen kann."