Wer um 16:45 Uhr bei RTL einschaltet, bekommt dort bisher eine Trödelshow zu sehen. Das soll sich aber ändern, denn RTL will um diese Zeit demnächst eine tägliche, 15 Minuten lange Nachrichtensendung zeigen. Und der Privatsender will in den nächsten Monaten noch eine weitere Nachrichtensendung ins Programm heben - mit einem der bekanntesten Nachrichtensprecher Deutschlands: Ex-"Tagesschau"-Sprecher Jan Hofer.
Dass RTL mit ihm und anderen nun eine Informations-Offensive ausruft, kann unter anderem als Abgrenzung zu Netflix und den anderen Streaming-Konkurrenten verstanden werden - die vor allem Fiktionales zeigen.
Außerdem kann es nie schaden, einen guten Eindruck zu hinterlassen bei Medienpolitik und den staatsfernen Medienaufsehern von den Landesmedienanstalten. Die entscheiden in den nächsten Monaten, welche Angebote gemäß dem Medienstaatsvertrag einen besonders guten Platz bekommen auf Smart-TVs und Smart-Speakern.
Nachfrage nach verlässlichen Informationen
Dass RTL mehr auf Nachrichten setzt, liegt aber vor allem an einer deutlich gestiegenen Nachfrage nach verlässlichen Informationen, sagt RTL-News-Geschäftsführer Stephan Schmitter: "Wir spüren auf der einen Seite dieses große Bedürfnis. Wir glauben auch, um die Frage gleich vorwegzunehmen, es wird nach Corona bleiben. Da kommen die nächsten Themen, allein schon Corona-bedingt wird es ein paar Sachen geben, die uns danach beschäftigen. Diese Flut wird nicht kleiner, sondern größer. Und dann braucht es jemanden, der das entsprechend einsortiert und als größter deutscher Privatsender ist es an uns, das entsprechend zu machen. Und wir sehen da eben große Chancen für unser Produkt."
Dazu kommt, dass RTL ein regelmäßiges Format zum Klimawandel starten will, in engem Austausch mit der Initiative "Klima vor acht". Die Aktivistinnen wollten eigentlich Jan Hofers ehemaligen Arbeitgeber, die ARD, davon überzeugen, stärker in die Klimaberichterstattung einzusteigen. Das Engagement von RTL ist deshalb, genau wie die anderen News-Pläne, als deutlicher Angriff zu verstehen, vor allem auf die ARD und auch auf das ZDF.
Reichweiten ausgewählter Nachrichtensendungen
"Nah dran an den Menschen"
Das heißt aber nicht, dass RTL bald genauso aussieht wie die Öffentlich-Rechtlichen, meint Stephan Schmitter. "Ich denke schon, dass wir sehr nah dran sind an den Menschen mit allem, was wir tun - nicht nur mit den nachrichtlichen Formaten, sondern auch mit Shows und anderen Geschichten. Und das wiederum ist ein entscheidender Vorteil. Deswegen wird auch eine Sendung mit Jan Hofer nicht so ausschauen, wie sie bei ARD und ZDF ausschauen würde, weil wir versuchen, noch mehr an die Bedürfnisse der Menschen zu denken als es vielleicht unsere öffentlich-rechtlichen Kollegen tun."
RTL wolle damit relevanter werden und Haltung zeigen, sagt der Geschäftsführer der neuen Zentralredaktion "RTL News".
Ähnliches scheint auch dem Konkurrenten ProSieben vorzuschweben: Dort läuft am 19.04.2020 in der Primetime ein 45-minütiges Interview mit Annalena Baerbock zur Grünen-Kanzlerkandidatur. Außerdem hat der Sender gerade erst mit einer siebenstündigen Spezialsendung zur Pflege auf sich aufmerksam gemacht. Allerdings hat RTL, verglichen mit ProSieben, deutlich mehr Journalismus im Programm.
Dass RTL nun noch mehr auf Informationen setzt, ist begrüßenswert, sagt der Medienökonom Armin Rott von der Universität Hamburg und der Hamburg Media School. Die Ankündigungen sind seiner Meinung nach aber auch eine Marketing-Maßnahme, "denn RTL gehört ja zu Bertelsmann. Und Bertelsmann denkt gerade sehr laut darüber nach, RTL und Gruner + Jahr zusammenzulegen und auch international publizistische Synergien zu heben. Und da passt natürlich die Geschichte jetzt auch gerade gut in die Story."
Umbruch bei Bertelsmann und RTL
Tatsächlich hat Bertelsmann gerade erst einen neuen Geschäftsführer für seinen Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr vorgestellt: Stephan Schäfer, der vorher schon einer der RTL-Geschäftsführer war und nun beide Positionen auf einmal ausfüllt. Es könnte sogar dazu kommen, dass RTL und Gruner + Jahr demnächst fusionieren, sodass RTL, der "Stern", "Capital", "Geo" oder die "Brigitte" unter einem Dach und zum Teil auch aus derselben Redaktion gemacht würden.
Das sollte bei allen vollmundigen Relevanz-Ankündigungen nicht aus dem Blick geraten, sagt Medienökonom Rott. "Das sind ja so ausgesuchte, geradezu aufpolierte Beispiele, die man hört, die einem erklären sollen, dass es eine journalistisch-publizistisch gute Idee ist, dass dort Unternehmen zusammengehen. Und da wäre ich ein bisschen skeptisch und würde fragen, ob das tatsächlich nach dem Sinne von Qualität und Vielfalt ist, auch wenn dabei mehr Informationsangebot rauskommt und ob es nicht insgesamt auch eine bedenkliche Entwicklung ist, wenn man dort in mittlerer und längerer Frist redaktionelle Kapazitäten eher zurückfährt, als sie aufzubauen."
Noch ist aber von solchen Plänen nichts Konkretes zu hören - ganz im Gegensatz zur Informations-Offensive, die RTL ausgerufen hat. Die könnte übrigens noch weitergehen - dann vielleicht auch wieder mit dem ein oder anderen prominenten Fernsehgesicht, das wir bereits von anderer Stelle kennen.