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Mit Kernenergie stahlend in die Zukunft?

Dunkle Wälder, sanfte Hügel, weite Felder und bloß ab und an ein paar kleine Dörfer. Viel Natur und wenig Mensch in Ost-Niedersachsen, im Vorland des Harzes. Friedfertige Idylle, so scheint es. Doch das täuscht. In der Region nahe der Stadt Wolfenbüttel herrschen Furcht und Unsicherheit. Grund: Das Versuchs-Atom-Endlager Asse II, benannt nach einem dortigen Höhenzug.

Von Philip Banse, Frank Politz und Dagmar Röhrlich | 07.07.2008
    Direkt unterhalb davon liegt die Gemeinde Remlingen. Rasma Schrader lebt da mit ihrer Familie. Tagtäglich hat die 48jährige das Ex-Salzbergwerk vor Augen:

    "Man denkt jedes Mal daran, was passiert da eigentlich? Man hat Angst nach wie vor, und jetzt noch schlimmer."

    Denn: In der bundesweit bisher nur wenig beachteten Untertage-Nukleardeponie gibt es massive Probleme. Und im Kontext damit offenbarte sich erst kürzlich auch noch ein kräftiger Informations-GAU. Die Folgen: "Atomenergie" entwickelt wieder politische Sprengkraft, spaltet die Große Koalition wie kaum ein anderes Thema. Der Streit um sichere Endlager-Standorte in Deutschland flammt wieder auf und befeuert einen hitzigen "Atomwahlkampf" auf Bundesebene. Die Wähler werden entscheiden können: "Atomausstieg - ja oder nein?" Das Epizentrum vieler politischer Beben in Sachen Atomkraft war Niedersachsen, so auch diesmal.

    Und jüngste Schlagzeilen machte dabei eben das mit über 40 Jahren älteste deutsche Versuchs-Endlager, Asse II. Kurz nach dem bekannt geworden war, dass die Betreiber 80 m3 radioaktiv verseuchte Lauge in tiefere Sohlen umgeleitet hatten, traf sich Umweltminister Sigmar Gabriel mit seinem niedersächsischen Amtskollegen und Bundforschungsministerin Anette Schavan. Bis August solle eine Expertenkommission die die Fakten klären, sagte Gabriel und versuchte zu beruhigen:

    "Es gibt nach dem derzeitigen Stand keine Gefahr für die Öffentlichkeit, das können wir übereinstimmend sagen."

    Das jedoch wird inzwischen von Kritikern stärker denn je bezweifelt. Jochen Satari zum Beispiel von der Umweltschutzorganisation Robin Wood befürchtet, "dass dieses Salzbergwerk einzustürzen droht."

    Diese Gefahr besteht tatsächlich in der alten Kali-Grube. Die steht übrigens unter Oberhoheit des Bundesforschungs-Ministeriums. Das hatte einst prüfen lassen wollen, ob sich Salzgestein als letzte Ruhestätte für radioaktive Abfälle eignet oder nicht. Daraufhin wurden von 1967 bis ´78 gut 125.000 Behälter mit schwach- und mittelradioaktivem Müll in die Tiefe gebracht. Dort liegen sie heute noch, obwohl bereits seit den späten 80er Jahren Tag für Tag große Mengen Salzlauge in das Bergwerk eindringen. Vor diesem Hintergrund äußerte Ursula Kleber von einer örtlichen Bürger-Initiative schon vor einiger Zeit die Befürchtung, "dass innerhalb weniger Jahrzehnte im Berg ein Brei aus Salz und radioaktiven Stoffen entstehen wird, der durch den Druck des Bergs an die Oberfläche dringen wird und ins Grundwasser auch einsickern wird."

    Soweit ist es nicht. In der Grube wurden 80 m3 radioaktiv belastete Salzlauge abgepumpt. Strahlenschutzrechtlich ist das ziemlich zweifelhaft, wie Experten monieren. Doch für die Vorgehensweise lag angeblich ein okay vor.

    Bekannt wurde diese umstrittenen Vorgänge erst im vorigen Monat. Daraufhin folgten auf landes- und bundespolitischer Ebene rasch anberaumte Krisen-Gespräche. Zudem laufen inzwischen staatsanwaltschaftliche Vor-Ermittlungen. Und überdies soll nun ein Expertenteam klären, was da in Asse II passiert ist. Auch, um das ohnehin schon starke Misstrauen der Menschen in der Gegend nicht noch weiter ansteigen zu lassen. An deren Adresse gerichtet, erklärte der Staatssekretär im niedersächsischen Umweltministerium, Stefan Birkner:

    "Wir wollen das sicherlich zurecht verloren gegangene
    Vertrauen auch in die Aufsichtsbehörden aufarbeiten, und uns ist klar, dass ihre Sorgen und Nöte hier vor Ort sehr groß sind."

    Die Sorgen sind in der Tat sehr groß - weil aus Gründen des Einsturzrisikos auch bald darüber befunden werden soll, wie das Atom-Endlager geschlossen werden kann. Entschieden ist dazu zwar noch nichts, aber so manche befürchten schon das Schlimmste: Nämlich dass der strahlende Müll trotz Laugen-Zutritts und weiterer Probleme in der Tiefe bleibt, die unterirdischen Kammern und Stollen vorher nur noch mit einer Spezialmischung verfüllt werden.

    Und nicht weit von Asse II entfernt, nur etwa 20 Autominuten, wird bereits die nächste unterirdische Nuklear-Müllkippe eingerichtet: Schacht Konrad bei Salzgitter. Die ehemalige Eisenerzgrube soll ab 2013 bundesweit zentrales Endlager werden für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Anwohner und dortige Kommunen haben sich jahrzehntelang gegen das Projekt gewehrt. Sie zogen sogar bis vor höchste Bundes-gerichte, blieben aber erfolglos.

    Widerstand regt sich nach wie vor auch in jener Gegend, aus der in den vergangenen Jahren immer wieder bundesweite Schlagzeilen kamen im Streit um das Atommüll-Problem. Die Rede ist vom Wendland, ganz im Nordosten Niedersachsens. Da liegt Gorleben. Und dort befinden sich in einer großen, stark gesicherten Halle schon zahlreiche Castor-Behälter mit hochradioaktiven Abfällen - verbrauchten Brennelementen aus Kernkraftwerken. Ursprünglich war geplant, diesen brisanten Müll in die Tiefen eines Salzstocks ganz in der Nähe von Gorleben einzubringen. Aber seit dem Kompromiss der Regierung Schröder zum Atomausstieg ruhen die entsprechenden Erkundungsarbeiten. Damit jedoch ist Gorleben noch keineswegs aus dem Schneider als eventueller Endlager-Standort. Volkmar Bräuer von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover.

    "Die Erkundung in Gorleben ist ja nicht abgebrochen, sie ist unterbrochen. Und in der Vereinbarung zwischen den Energieversorgungsunternehmen und der Bundesregierung steht ja auch eine Beurteilung von Gorleben darin, und da kommt man zu dem Schluss, dass es keine Befunde gibt, die gegen eine Eignungshöffigkeit von Gorleben sprechen."

    Hochradioaktiver Müll ist langlebig. Eine Million Jahre lang darf nichts aus dem Endlager heraus und möglichst auch nichts hinein. Angesichts dieser Zeiträume wäre es ideal, wenn nicht menschengemachte Barrieren den strahlenden Abfall abschotten, sondern geologische: Alles soll unerreichbar tief unter die Erde. Drei Wirtsgesteine kommen dabei grundsätzlich in Frage: Salz, Ton und Granit, erläutert Michael Sailer vom Ökoinsitut Darmstadt und Mitglied der Reaktorsicherheitskommission:

    "Nach der Diskussion, die in der deutschen Fachszene stattfindet, / gibt es unter deutschen Bedingungen eigentlich nur zwei wirklich spannende Formationen: Das eine sind Salzstöcke und das andere sind in tiefen Lagen befindliche Tonsteine."

    Der in Skandinavien gewählte Granit steht hierzulande nicht hoch im Kurs: Es gibt zwar Kristallingestein, aber es ist von zahllosen Klüften durchzogen. Wasser zirkuliert darin problemlos – und Wasser ist der Feind schlechthin im Endlager, denn es dient dem Atommüll als Transportvehikel in die Umwelt.

    Bleiben also Salz und Ton. Letzterer wird in Frankreich und in der Schweiz erforscht, aber auch in Deutschland wird darüber nachgedacht.

    "Sie wissen, dass Tongesteine zum Beispiel Erdöl oder Erdgasvorkommen dicht abdecken, so dass diese Erdöl- oder Erdgasfallen entstehen. Es kann also kein Gas oder kein Öl durch das Tongestein durchdringen."

    Und: Tonminerale fangen Radionuklide ein. Unter dem Cigar Lake im kanadischen Sasketchewan halten sie seit mehr als einer Milliarde Jahre eine der größten Uranlagerstätten der Erde dicht umschlossen. Aber Ton hat auch Nachteile. Er ist wärme-empfindlich. Hitze verändert Tonminerale, sie verlieren ihre Fähigkeit Radionuklide zu halten. Außerdem müssten für ein Endlager im Ton neue Konzepte entwickelt werden. Das dauert. Hinzu kommt: Es gibt kaum Bergbau-Erfahrung in den brüchigen Tonsteinen:

    Salz wird schon seit der Bronzezeit in Bergwerken gefördert. Hohlräume bleiben darin lange Zeit stabil. Nur langsam kriecht das Salz um alles herum, was in ihm ist. Die Endlagerbehälter wären nach ein paar Jahrhunderten vollkommen von Salz umgeben wie eine Mücke im Bernstein. Hitze macht dem Salz nichts aus, und es isoliert die Abfälle perfekt von der Umwelt – so lange nicht das passiert, was in der Asse Sorgen bereitet: ein Wassereinbruch. Heinz Haury, Pressesprecher des Helmholtz-Zentrums München, das die Asse betreibt.

    "Seit vielen Jahren läuft Lauge zu von außen mit 12 m3 pro Tag. Das ist lange bekannt, bedeutet aber für das Bergwerk, dass es auf lange Sicht nicht sicher ist und dass wir es möglichst schnell, aber für die Menschen, die dort arbeiten, und vor allem für die Umgebung und für die Nachkommen schließen müssen."

    Der Wassereinbruch in der Asse ist ein Erbe des Bergbaus. Man kam damals dem Salzstockrand zu nahe – und deshalb kann sich salzgesättigtes Grundwasser seinen Weg hinein suchen.

    "Darüber hinaus ist seit etwa acht bis zehn Jahren bekannt, dass alte Laugen, die sich schon von früher in der Asse befinden, in den letzten Jahren schwach und an zwei, drei Stellen stärker kontaminiert sind."
    Auch das ist bergbaubedingt. Man hatte vor Jahrzehnten Hohlräume mit feuchtem Versatz aus der Düngemittelproduktion gefüllt. Später wurden dann in der Nähe Fässer mit mittel- und schwachaktivem Müll zu Forschungszwecken eingelagert. Dabei gingen einige offensichtlich zu Bruch und ihr Inhalt kontaminierte das Wasser. Im "echten" Endlager darf so etwas nicht passieren. Also gibt es eine Vorgabe, auf die Volkmar Bräuer hinweist:

    "Hochaktive und Wärme entwickelnde Abfälle sollten in Gebiete eingelagert werden, die unverritzt, also von vorherigen Bergbauen nicht durchzogen sind."
    Noch etwa zehn, 15 Jahre würde es dauern, ehe die Langzeitsicherheit von Gorleben nachgewiesen sein könnte – falls der Stock geeignet ist. Dabei stecken schon 40 Jahre Forschung darin. Bei einem anderen Standort wird es kaum viel schneller gehen, schätzen die Experten. Und – um die Akzeptanz der Bürger zu gewinnen, sollten mehrere Standorte erkundet werden. Das sieht der Bericht des 1999 vom damaligen Umweltminister Jürgen Trittin ins Leben gerufene Arbeitskreis "Auswahlverfahren Endlagerstandort" – kurz AKEnd – vor. Er sollte wissenschaftlich fundierte Kriterien für die Suche nach einem Endlager aufstellen – und Kriterien für die Öffentlichkeitsbeteiligung, damit der Standort akzeptiert wird. Seit 2002 liegt der Bericht vor.

    Er ruht in den Schubladen – und während er dort verstaubt, wartet der strahlende Müll in den Zwischenlagern darauf, dass es weitergeht.
    Niemand weiß in Zeiten von Globalisierung und feindlichen Übernahmen, ob die 32 Milliarden, die die Firmen für die Endlagerung zurückstellen mussten, wirklich sicher sind.

    Die Große Koalition in Berlin hat zwar im Koalitionsvertrag vereinbart, in Sachen Endlager in dieser Legislaturperiode zu "einer Lösung zu kommen". Doch daraus wird wohl nichts mehr: Denn Atomkraft wird Wahlkampfthema.

    Eine ergebnisoffene, wissenschaftlich fundierte Suche nach einem geeigneten Endlager in ganz Deutschland – FDP und Union sind dagegen. SPD, Grüne und Linkspartei dagegen wollen bundesweit nach dem bestmöglichen Endlagerstandort suchen – auch Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt- und Reaktorsicherheit. Der SPD-Mann hält es für falsch, alle Hoffnungen in den Salzstock Gorleben zu setzen:

    "Es ist keine besonders kluge politische Strategie bei einem solchen Wettlauf nur ein Pferd aus dem Stall zu lassen. Wenn das unterwegs erschossen wird vom Gericht oder sich ein Bein bricht, dann haben wir ein Problem, dann fangen wir mit der gesamten Debatte von vorn an. Wie gesagt: Ich bin nicht – obwohl ich aus Niedersachsen komme – prinzipieller Gegner von Gorleben. Ich glaube nur, dass man zu Gorleben zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen kann, ob es geeignet ist oder nicht und dass man deshalb unterschiedliche Standorte untersuchen muss."

    Es wäre Gabriels Aufgabe diese Suche anzuschieben. In seiner Schublade liegt seit Jahren ein Gesetz für eine neue Endlagersuche, das auf den Empfehlungen des Arbeitskreises Endlagersuche fußt. Allein: passiert ist bislang nichts. Ein Konzept zur Endlagersuche hat es wohl einmal bis auf der Tagesordnung des Koalitionsausschusses gebracht, ist aber wieder gestrichen worden.

    Gabriel hat sich am Koalitionspartner die Zähne ausgebissen. Die CDU will auf keinen Fall zu einer neuen Endlagersuche blasen. Sie vermutet hinter Gabriels Ansinnen eine politische Verzögerungs- und Zermürbungstaktik: Denn die SPD beharrt auf dem Atomausstieg – vor allem deshalb, weil es in Deutschland kein einziges Endlager für hochradioaktiven Müll gibt. Umweltminister Gabriel wolle daher gar keine geeignete Nuklear-Halde finden, so der Vorwurf des Energieexperten der CDU-Fraktion, Georg Nüßlein, sonst müsste er zumindest die von seinem Vorgänger Jürgen Trittin gestoppte Erkundung des Salzstocks in Gorleben wieder anlaufen lassen.

    "Ihm geht’s doch offensichtlich nur um Verzögerung. Sonst würde er das Moratorium aufheben, würde sagen, wir untersuchen Gorleben weiter. Parallel dazu können wir ja gern auch ein paar Papierstudien machen, die untersuchen, was gäbe es denn noch für Wirtsgesteinsalternativen, die in Frage kommen. Wenn aber Gorleben am Ende technisch möglich ist, dann brauche ich Plan B nicht. Aber ich fange doch nicht mit dem Plan B an und habe Plan A noch nicht überprüft."

    In dieser Legislaturperiode – so viel steht fest – wird keine neue Suche nach einem Endlager gestartet. Denn die Zukunft der Kernenergie ist längst Wahlkampfthema: "Atomkraft – nein danke!" oder "Atomausstieg – nein, danke!" Darüber werden die Wähler in einem guten Jahr entscheiden können. Und die Zeichen mehren sich, dass Atomkraft in Deutschland länger überlebt als derzeit geplant.

    Die Unionsparteien wollen die Laufzeiten der deutschen Atommeiler verlängern und aus dem im Koalitionsvertrag noch verbrieften Atomausstieg wieder aussteigen, daraus macht Bundeskanzlerin Angela Merkel längst keinen Hehl mehr:

    "Ich bin vertragstreu und in der Vereinbarung, die ich in der Großen Koalition abgeschlossen habe, bekomme ich keine Änderung. Meine persönliche Überzeugung ist nicht, dass das klug ist."

    Denn, so argumentiert die Union, die Klimaziele seien nur mit der relativ CO2-armen Kernkraft zu erreichen. Außerdem sei Atomstrom billig. CDU-Fraktionschef Volker Kauder verweist darauf, dass Energieerzeuger angedeutet haben, sie könnten die Milliardengewinne aus abgeschriebenen Atomkraftwerken verwenden für niedrige Strompreise und die Erforschung erneuerbarer Energien:

    "Man muss die Dinge so sagen, wie sie sind und muss den Menschen deutlich sagen, dass der Ausstieg aus der Kernenergie dazu führt, das wir erstens in unserem Land als einziges europäisches Land keine Kernenergie mehr haben werden, dass zweitens der Strompreis damit teurer wird und dass unsere Abhängigkeit größer wird und dass wir nicht alles allein schaffen können mit erneuerbarer Energien."

    Die SPD hält am rot-grünen Identitäts-Projekt Atomausstieg fest – zumindest offiziell: Atomkraft sei zu gefährlich, ohne Endlager nicht zu verantworten. Umweltminister Sigmar Gabriel erklärt bei jeder Gelegenheit, die Klimaziele seien auch ohne Atomkraft zu erreichen. Außerdem würden Öl- und Gas durch deutschen Atomstrom nicht billiger. Darüber hinaus sei elektrische Energie aus Kernkraft nur deshalb relativ günstig, weil viele Kosten auf den Steuerzahler abgewälzt würden, sagt der forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss:

    "Ich will ihnen mal ein Beispiel nennen: Bei uns in Karlsruhe wird gerade eine Wiederaufbereitungsanlage abgebrochen. Sollte mal zwei Milliarden Mark kosten. Wir liegen jetzt bei vier Milliarden Euro. Vier Milliarden Euro! Ergebnis nach oben offen. Asse kostet uns pro Jahr 100 Millionen Euro. Also, meine Damen und Herren, würden wir dieses mal in den Strompreis einrechnen, wäre die Lüge von der billigen Kernenergie endlich in diesem Lande vom Tisch."

    Die Grünen erinnern an den jüngsten – aus ihrer Sicht - Beinahe-GAU im schwedischen AKW Forsmark, die Pannen in den deutschen AKW Krümmel und Brunsbüttel – und jetzt, so SPD-Mann Tauss, jetzt eben radioaktive Lauge im einsturzgefährdeten Probe-Endlager Asse II.

    Doch die Reihen der Atomkraftgegner sind nicht mehr fest geschlossen. War lange eine Mehrheit der Deutschen gegen die Atomkraft, halten sich Gegner und Befürworter in Zeiten des Klimawandels und explodierender Energiepreise fast die Waage. Auch führende Sozialdemoraten denken laut darüber nach, die Atomkraftwerke länger als heute gesetzlich festgeschrieben am Netz zu lassen.

    Der oft als "Vordenker" titulierte SPD-Grande Erhard Eppler schlug kürzlich vor, was auch viele Wissenschaftler unterstützen: Die CDU solle ihre begehrte Laufzeitverlängerung bekommen, bis erneuerbare Energien ausgebaut seien. Im Gegenzug solle ins Grundgesetz geschrieben werden: Neue Atomkraftwerke werden nicht mehr gebaut. Auch der ehemalige SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement regte seine Genossen an, über längere AKW-Laufzeiten nachzudenken, wenn die Energieversorger Sozialtarife einführen und klimafreundliche Energiegewinnung erforschten. Die Sozialdemokraten, so der parteiintern umstrittene Ex-Minister, seien auch in Sachen Atomkraft gespalten.

    Kleine Ursache, große Wirkung – wie bei einer Kernspaltung hat die Panne im Probe-Endlager Asse II enorme politische Energie frei gesetzt. Ausgerechnet achtloser Umgang mit radioaktivem Müll, hat eine Debatte neu befeuert, die mit dem Ausstieg aus dem Ausstieg enden könnte. Aber der Atomwahlkampf 2009 hat ja erst begonnen.