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Mit Krabbenschalen gegen Kartoffelfäule

Krabbenpulen ist Rohstoffverschwendung, fand ein Bremer Biotech-Unternehmen - vor allem, wenn bei der industriellen Verwertung von Krabben riesige Mengen von Schalen anfallen. Denn darin steckt wertvolles Chitin. Und das lässt sich hervorragend zum Beispiel in der Landwirtschaft einsetzen: als Pflanzenstärkungsmittel und als biologisches Fungizid.

Folkert Lenz |
    Hört man der Biologin Andrea Bos zu, dann sind alte Krabbenschalen so etwas wie ein Allheilmittel.
    Die Bremer Biotech-Firma ChiPro lässt daraus so genanntes Chitosan herstellen. Das Chitin-Produkt
    aus den Panzern von asiatischen Tiefseekrabben wird in Verbandsstoffen eingewebt, damit
    Wunden besser heilen. Chitosan wird neuerdings auch in Socken versponnen - gegen
    Schweißfüße und Fußpilz soll es helfen.

    Chitosan ist bakteriostatisch und fungistatisch. Das hat in der Summe eine sehr ausgleichende Wirkung. Bakteriostatisch heißt ja, dass die Bakterien, die gut sind, unterstützt werden, und dass die, die nicht so gut sind, durch die Unterstützung der guten Bakterien - da fallen die anderen ein bisschen weg. Die haben dann eine größere Konkurrenz.


    Auch gegen Pilze soll Chitosan nützlich sein und das will sich Andrea Bos nun in der Landwirtschaft zu Nutze machen. Neueste Kreation ist das so genannte ChitoPlant: In Wasser gelöstes Chitosan, das Pflanzen stark machen soll und höhere Erträge verspricht.
    Wenn man es jetzt für den Hausgebrauch oder den Kleingarten betrachtet, dann ist es gut, wenn sie Pflanzen frisch setzen, oder wenn sie Samen in den Boden setzen, dass sie es gut mit ChitoPlant angießen. Dann ist es so, dass sie eine höhere Keimung haben der Samen und es ist auch so, dass die Pflanzen schneller wachsen, insbesondere bei Nachtschattengewächsen.

    Der Wirkungsmechanismus sei noch nicht bis ins Letzte erforscht, doch vor allem bei Kartoffeln steige der Ertrag nach dem Einsatz von ChitoPlant - um zehn bis 15 Prozent. Das hätten Feldversuche in den vergangenen Jahren ergeben, sagt die Bremer Biologin Bos. Auch ChiPro-Chef Siegfried Bank verweist auf entsprechende Experimente in Deutschland und England, im konventionellen Anbau genau so wie im Öko-Landbau:
    Wenn Sie mit Chitosan in der Pflanzphase arbeiten, kommt es zu einer schnelleren Wurzelbildung. Also die Pflanzen haben schneller und eher Zugang zu den Nährstoffen. Es kommt auch zu einer stärkeren Knollenbildung. Wir haben letztendlich festgestellt, dass die Kartoffeln normale Größe hatten, aber eben unter einem Busch mehr Kartoffeln waren.

    ChitoPlant ist als biologisches Pflanzenstärkungsmittel zugelassen. Ein verbessertes Wachstum konnte auch bei Getreide, Zuckerrüben oder Erdbeeren nachgewiesen werden, führt Bank aus. Außerdem verstärke das Abfallprodukt aus Krabbenschalen die Resistenz der Pflanzen gegen Pilzbefall.
    Die Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft hat ChitoPlant im vergangenen Jahr als Mittel gegen Sternrußtau bei Rosen getestet. Ergebnis: Die Wirkung ist ähnlich gut wie die bei chemischer Pflanzenbehandlung. Andrea Bos:
    Es ist auch so dass ChitoPlant Körper eigene oder Pflanzen eigene Abwehrmechanismen induziert. Worauf Sie dann bei den Pflanzen einen höheren Schutz haben gegen bestimmte Krankheiten. Was natürlich dann auch zu einer Verringerung von chemischen Fungiziden führen würde. Man sieht also: Die Pflanzen sind weniger befallen, und deshalb braucht man auch weniger Fungizide.

    So habe sich ChitoPlant bei Versuchen der Universität Rostock auch im Einsatz gegen die Phytophtora bewährt - die gefürchtete Kraut- und Knollenfäule und der Albtraum eines jeden Kartoffelbauers. Zwar könne deren Ausbruch nicht verhindert werden, aber die Fäule trete erst später auf, so Siegfried Bank.
    Wegen seiner antibakteriellen Eigenschaften wollen die Bremer Forscher ihre Chitosan-Produkte künftig auch als Konservierungsstoffe in der Lebensmitteltechnik etablieren. Die Biologin Bos:

    Im Essen kann man durch den Zusatz von Chitosan eine konservierende Wirkung erzielen, die dann einfach auf biologischer Basis ist. Das heißt, es müssen keine Chemikalien zugesetzt werden, sondern das Chitosan verhindert eine überdimensionale Ausbildung von den Bakterien auf den Lebensmitteln.

    Der Grundstoff, das Chitin, soll dann aber nicht mehr aus der Krabbenfleischproduktion stammen, sondern aus Reststoffen von Pilzen gewonnen werden, die bei der Herstellung von Zitronensäure und Antibiotika anfallen.
    Damit wäre ein weiteres Problem gelöst: Denn in den vergangenen Monaten hatten vor allem asiatische Meeresprodukte in Europas Fischläden für Aufregung gesorgt - wegen hoher Belastung durch Schadstoffe. Siegfried Bank beruhigt: Seine Krabben stammten nicht von den kritisierten Aufzuchtfarmen.
    Damit haben wir keine Probleme. Können auch gar keine haben, weil wir unsere Produkte für die Landwirtschaft, insbesondere im ökologischen Landbau zugelassen haben, als Pflanzenstärkungsmittel. Und daher verwenden wir ausschließlich Krabben, die aus Tiefseefängen kommen. Also wir haben weder eine Belastung mit Antibiotika oder anderen, nicht gewollten Organismen, noch haben wir Krabbenfänge für das Material. Es ist eben Reststoffverwertung aus der Lebensmittelindustrie.