Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Mit Leidenschaft für die Kleine Hufeisennase

Morgen und übermorgen Abend und Nacht ist Batnight: In ganz Deutschland bieten Umweltverbände und Zoos an, Fledermäuse zu beobachten. Die Flugkünstler sind bedroht, ihnen kommen die Lebensräume abhanden. Dass es auch anders geht, zeigt sich in Altenberga in Thüringen. Die Dorfkirche hat etwas besonderes zu bieten: die Kleine Hufeisennase.

Von Beatrice Zajda | 26.08.2005
    "Also man sieht jetzt hier oben in diesem Giebel, man kann es erkennen, hängen noch einige Tiere. Es ist heute aber sehr wenig. Sie sind heute aus der Kirche raus, weil das Wetter nicht nach ihrem Geschmack ist."

    Christian Thenes schaut einmal wöchentlich mit einer Lampe ausgerüstet nach den Tieren in der über 220 Jahre alten Dorfkirche. Der Biologiestudent schreibt gerade an seiner Diplomarbeit über die Kleine Hufeisennase. Er weiß bereits: Sie sind sehr empfindlich. Das Dorf Altenberga bietet ihnen ideale Wohnbedingungen. In der nahe gelegenen Gaststätte gibt es einen Gewölbekeller. Dort fliegen sie hin, wenn es ihnen in der Kirche zu windig ist. Und wenn es ihnen im Gewölbekeller zu kalt wird, dann ziehen sie für den Winterschlaf in einen Felsenkeller. Im Winter lieben sie es feucht, ihren Stoffwechsel fahren sie bis auf drei bis vier Grad Körpertemperatur zurück, Experten meinen, dadurch würden ihre Flughäute elastisch bleiben. Das Herz schlägt in dieser Zeit nur wenige Male pro Minute. So können sie zwei bis drei Monate durchschlafen. Im Sommer fühlen sie sich in einem warmen, windstillen Klima richtig wohl.

    "Wenn wir mal hier um die Ecke schauen: Da ist natürlich heute gar nichts. Aber wie man ganz deutlich sieht, hier hängen sie ganz oft. Es ist ganz wichtig für die Kleinen Hufeisennasen, dass an einem Sommerquartier, an einer Wochenstube, verschiedene Kleinklimaräume sind, das heißt, dass sie auch die Möglichkeit haben, innerhalb von dem Quartier zu wechseln, also wenn es denen zu warm wird, dass sie zum Beispiel hier nach unten gehen können von dem Turm runter. Das es da keine Probleme gibt. So schauen wir mal weiter."

    In der Wochenstube der Dorfkirche in Altenberga bringen die Kleinen Hufeisennasen ihre Jungen zur Welt. Für die Fortpflanzung brauchen sie unter anderem genug Nahrung: Die Kirche steht ganz nah an einem Waldgebiet. Ein idealer Ort für die Fledermäuse, um schnell ihren Hunger zu stillen, weiß Martin Biedermann vom Interessenverband der Fledermäuse in Thüringen:

    "Die Kleine Hufeisennase jagt sehr gerne in der Vegetation im Blattwerk nach Kleinschmetterlingen, nach Florfliegen, manchmal auch in Gewässernähe nach Köcherfliegen. Also nach sehr kleinen Insekten, nach Schnaken zum Beispiel."

    Sie fressen ausschließlich weiche Tiere. Die Nahrung reichte vor vielen Jahren zum Überleben nicht aus. Das Holz, in deren Umgebung sich die Kleine Hufeisennase aufhielt, wurde früher mit schädlichen Substanzen bearbeitet:

    "Dass die Dachstühle behandelt worden sind, hat toxisch auf die Fledermäuse gewirkt und das heißt, die sind dann weg gestorben und haben die Quartiere verlassen. Das ist hier nicht der Fall. Der Dachstuhl scheint sehr gut geeignet zu sein."

    Der Interessenverband der Fledermäuse in Thüringen hält die Hände über die Tiere in Altenberga, beispielsweise gibt es Rücksprachen und Gutachten bei Straßen- und Gebäudebebauungen in der näheren Umgebung, falls dadurch womöglich Fluggewohnheiten der Kleinen Hufeisennase gestört werden könnten und Ortungsschwierigkeiten der Tiere entstehen. Martin Biedermann erzählt, wie die Fürsorgepflicht der Kleinen Hufeisennase in Altenberga aussieht:

    "Wir zählen seit mehreren Jahren die Alttiere, also die Weibchen, die in dieser Wochenstube ihre Jungen bekommen. Da ist uns wichtig, wie viele Jungtiere pro Jahr geboren werden, weil die Kleine Hufeisennase einer der seltensten Fledermausart überhaupt ist in Deutschland und auf der Welt vom Aussterben bedroht ist und die Kleine Hufeisennase hat in den 50er, 60er, 70er Jahren ganz dramatische Bestandseinbrüche erlitten, insbesondere durch Giftbelastung in der Landwirtschaft, in der Forstwirtschaft - sind da die Bestände eingebrochen, so dass ganz dramatisch die Kleine Hufeisennase in vielen Regionen ausgestorben ist, in Thüringen hat sie überlebt, wie zum Beispiel in diesem kleinen Tal in Altenberga bei Jena."
    Nach der letzten wöchentlichen Besichtigung war auch Diplomand Christian Thenes zufrieden:

    "Da haben wir eine hängen. Sogar mit einem Jungtier am Bauch. Man sieht das hellere Teil ist das Muttertier und das größere Dunkle, was am Bauch hängt, ist das Jungtier, das hängt also direkt bei der Mutter am Bauch, wenn die noch kleiner sind. Wenn wir sie aufscheuchen mit dem Licht, weil sie das gar nicht mögen, nehmen sie ihre Jungtiere mit und hängen sie an eine andere Stelle, aber jetzt ist es inzwischen so, dass die Jungtiere zu schwer werden, das heißt, sie würden sie hängen lassen."

    Sie kuscheln sich auch gerne eng aneinander wie ein Knäuel, um nicht zu frieren. 25 Tiere entdeckt Christian Thenes in der Kirche von Altenberg. Den genauen Überblick über alle Fledermausbestände in Thüringen hat Martin Biedermann vom Interessenverband:
    "Also insgesamt kennen wir 30 Wochenstuben-Quartiere in Thüringen, und Thüringen trägt ganz besondere Verantwortung für die Erhaltung der Art, weil über die Hälfte des Deutschlandweiten Bestandes hier lebt, und Altenberga ist mit Abstand die größte Kolonie der Art, die wir wirklich als einen Schatz erachten und pflegen wollen."

    Zwei Mausohren, eine etwas größere Fledermausart sah Christian Thenes bei seinem Rundgang in der Kirche vor einigen Wochen. Aber der Liebling in Altenberga ist die Kleine Hufeisennase. Bei den Dorfbewohnern sind die Fledermäuse beliebt. Aber nicht nur das: Wenn wieder mal eine Mücke in der Luft umherschwirrt, wird gleich gefragt, wo sind denn die Fledermäuse. Denn Mücken und Fliegen gibt es in Altenberga nicht viele.