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Mit Leidenschaft und literarischem Gespür

Ein mittelgroßes Büro in einem der wenigen Gründerzeitbauten der Barockstadt Salzburg zählt zu den besten Adressen für Literatur in Österreich. Hier hat ein kleiner Verlag seinen Sitz, der seit sieben Jahren beharrlich ein exquisites Programm aufbaut. Dabei pflegt er eine Tradition des Büchermachens, die in Zeiten großer Verlagskonzerne rar geworden ist. Die Fäden zieht Verleger Jochen Jung.

Von Christel Wester |
    "Das Gefühl vor einem Manuskript zu sitzen, bei dem Sie nach Kurzem merken, dass sie da was ganz Besonderes, ganz Eigenwilliges und Eigensinniges vor sich haben, das der eigenen Vorstellung von Literatur entspricht, das ist ein Glücksgefühl, das vielleicht nur noch von dem übertroffen werden kann, das der Autor selber hatte, als er das letzte Wort geschrieben hat. "

    Dass Kleinverleger Leidenschaft brauchen, gehört zu jenen Gewissheiten, die sich längst über die Branche hinaus herumgesprochen haben. Aber diese Leidenschaft ist mehr als nur ein euphorisches Gefühl, das weiß der Verleger Jochen Jung aus langjähriger Erfahrung.

    "Man muss Niederlagen einstecken können, man muss es vertragen, dass Autoren eine gewisse Untreue an den Tag legen und man muss leider auch damit zurecht kommen, dass wir uns in einer Welt bewegen, die diese Dinge vielleicht nicht mehr so aufmerksam erwartet, wie das vielleicht noch in früheren Jahren der Fall gewesen ist. Aber das gilt ja nun für sehr viele Dinge, die wir deswegen nicht aufgeben werden, und das habe ich eigentlich auch nicht vor."

    Jochen Jung ist Gründer und Geschäftsführer des Jung und Jung-Verlags, den man zu den Kleinoden des deutschsprachigen Buchmarktes zählen kann: vier festangestellte Mitarbeiter, Jochen Jung inklusive, bringen fünf Titel pro Halbjahr heraus.

    "Wir sind im Jahr 2000 zusammengekommen, wir haben vorher alle in einem anderen Verlag gearbeitet, im Residenz Verlag, der auch in dieser Stadt angesiedelt ist. Und als die Zusammenarbeit dort beendet war, haben wir sofort beschlossen, einen neuen und eigenen Verlag zu machen, was dazu führte, dass diejenigen, die diesen Verlag gemacht haben und ihn heute noch machen, alle vorher bei Residenz waren, sich alle schon sehr lange kennen. Die Vertreter haben damals den einen Verlag verlassen, um mit uns zusammen zu arbeiten, und viele Kritiker und viele Buchhändler haben uns so beflügelt und so angespornt, dass wir eigentlich einen unverhältnismäßig glücklichen Start hatten, der uns, glaube ich, immer noch ein bisschen trägt."

    Der Residenz Verlag in Salzburg war einmal die feinste Bücheradresse Österreichs. Hier erschienen Thomas Bernhard und Peter Handke, Franz Innerhofer und Barbara Frischmuth, Alfred Kolleritsch, H. C. Artmann und Gert Jonke, um nur einige Protagonisten der österreichischen Literatur zu nennen. Autoren, die Jochen Jung für den Verlag gewann. Ab 1975 war er Lektor bei Residenz und ab 1984 zweiter Geschäftsführer des Verlags, dessen Programm er 25 Jahre lang maßgeblich gestaltet und in den 80er Jahren auch für internationale Autoren geöffnet hat. Im Jahr 2000 trennte man sich allerdings von Jochen Jung.

    "Das ist ja ein Verlag gewesen, der einem großen Staatskonzern gehörte. Und dieser Verlag, der in Wien ansässig war, hatte einen zweiten Verlag gegründet, der mit genau dem gleichen Programm zu arbeiten versuchte wie wir und hat den, da der Hauptgeschäftsführer auch dort der Geschäftsführer war, mit allen Möglichkeiten und allen Mitteln ausgestattet, die man uns ziemlich vorenthalten hatte, und wir wurden das unliebe Kind und das andere wurde das liebe Kind, und irgendwann führte das dazu, dass man die Zusammenarbeit mit uns beendet hat."

    Der Österreichische Bundesverlag, zu dem neben dem "unlieben Kind" Residenz auch das "liebe Kind" Deuticke gehörte, wurde nur knapp zwei Jahre nach Jochen Jungs Rausschmiss privatisiert, verkauft und dann zerstückelt. Deuticke gehört inzwischen zu Hanser und Residenz wurde an das kirchennahe Niederösterreichische Pressehaus verkauft. Vom einstigen Renommee des Residenz Verlags blieb nicht viel mehr als der Name. Die Tradition des einstigen Flaggschiffs der österreichischen Literatur wird dagegen bei Jung und Jung gepflegt. Denn mit Jochen Jung gingen nicht nur drei erfahrene Mitarbeiter, sondern auch zahlreiche Autoren sowie derjenige, der früher den Büchern von Residenz und nun denen von Jung und Jung ihre äußere Gestalt verleiht: Walter Pichler, einer der bedeutenden Bildhauer und Zeichner Österreichs.

    "Dadurch, dass er so eine wichtige Figur in der bildnerischen Szene Österreichs ist, haben wir schon vor vielen, vielen Jahren auch viele dieser Künstler kennengelernt, haben mit vielen schon Kataloge erarbeitet und mit vielen zusammen Dinge gemacht, die sonst nicht so zustande gekommen wären, weil uns eben Walter Pichler die Verbindung dorthin gelegt hat. Das hat wieder mit sich gebracht, dass wir ein Verlag waren, der eben trotz seiner Kleinheit, nicht nur Literatur gemacht hat, sondern immer auch Bildbände und Kunstbände dazu. Das zieht wieder andere an, die sehen, das ist ein Verlag, der beides macht, und also könnte ich als Doppelarbeitender vielleicht hier auch das richtige Haus gefunden haben. "

    Walter Pichler ist also nicht nur der Buchgestalter bei Jung und Jung, sondern auch ein Programmerweiterer, wenn man so will. Denn neben literarischen Publikationen, bringt der Verlag auch regelmäßig Ausstellungskataloge und eigenständige Künstlerbücher heraus. Darüber hinaus jedoch interessiert sich Jochen Jung für Grenzgänger, die dem Bild ebenso zugeneigt sind wie der Sprache.

    "Es gibt ja auch gerade in Österreich eine ganze Reihe von Künstlern, die nicht nur bildnerisch tätig sind, sondern auch schriftstellerisch arbeiten. Günter Brus ist ein sehr prominentes Beispiel dafür, Christian Ludwig Attersee ist auch eines, Anselm Glück ist ebenfalls eines. Also das kommt hierzulande nicht ganz so selten vor und ist für mich sehr spannend zu sehen, weil ja eine bestimmte Art der Literatur auch immer sehr mit Bildern arbeitet, bildstark ist, Bilder erfindet, Metaphern erfindet. Das ist etwas, was die Literatur eigentlich nur bereichern kann. "