Früher liebte er seine Heimatstadt. Das quirlige Leben in den Gassen und auf den Plätzen. Heute macht der Schriftsteller Erri de Luca keine ausgiebigen Spaziergänge mehr durch Neapel. Wenn möglich verlässt der Schriftsteller die Stadt und hält sich lieber in Rom auf:
"In der Regel meide ich die Medien, aber ich kann mich jetzt nicht mehr zurückhalten, denn in Neapel herrscht Krieg. Die Camorra hat dem Staat den Kampf angesagt und demonstriert, dass nur sie hier das Sagen hat. Ich mag diese Stadt nicht mehr und ich mag vor allem diese Politiker nicht mehr, die gar nicht daran interessiert sind, die Gründe für die Dominanz der organisierten Kriminalität zu bekämpfen. Um die Politik wachzurütteln, müssen wir Intellektuellen eine Gemeinschaft bilden."
Erri de Luca fordert deshalb seine Schriftstellerkollegen aus Neapel dazu auf, ihre Stimmen zu erheben: gegen das tägliche Morden und gegen die ausufernde Kleinkriminalität - aber auch gegen die Ignoranz der politischen Klasse, meint der neapolitanische Schriftsteller Raffaele La Capria:
"Wir Literaten wollen, parallel zur Anti-Mafia-Polizei, die Realität dieser Stadt anklagen. Mit unseren Mitteln. Wir fordern alle Kunstschaffenden auf, der Bürgermeisterin und dem Stadtrat wie auch dem Präsidenten der Region Kampanien klarzumachen, dass sie sich entschieden gegen die Camorra aussprechen müssen. Mehr Kultur, verkündet jetzt die Bürgermeisterin. Das reicht nicht. Wir müssen den Bossen den Krieg erklären, nicht mit Kulturinitiativen die schmutzige Wirklichkeit verschönern. Skandalös ist, dass dafür sogar Gelder des Kulturministeriums ausgegeben werden."
Die linke Bürgermeisterin Rosa Russo Jervolino will zusammen mit Regionalpräsident Antonio Bassolino zweistellige Euro-Millionensummen für eine beispiellose Kulturaktion ausgeben. Die städtischen Museen wie auch die Theater, darunter das Opernhaus San Carlo, sollen mehr Gelder erhalten, um die Stadt unter dem Vesuv für kulturinteressierte Reisende wieder interessanter zu machen - denn, erklärt Neapels Kulturdezernent Eduardo Cicelyn, seit einigen Monaten bleiben immer mehr die Touristen aus:
"Wir haben in der Vergangenheit schon gute Erfahrungen mit großen Kulturinitiativen sammeln können, wie zum Beispiel mit dem Projekt zur Verschönerung unserer U-Bahn-Stationen, die von namhaften zeitgenössischen Künstlern gestaltet wurden. Jetzt wollen wir wieder der Welt demonstrieren, dass Neapel nicht nur Camorra bedeutet, sondern dass unsere Stadt eine kulturelle Hochburg ist. Vor ein paar Jahren war unsere U-Bahn-Idee ein großer Erfolg, auch in der internationalen Presse."
Für Neapels Intellektuelle handelt es sich bei dieser kostspieligen Kulturinitiative um nichts anders als Maquillage. Das konkrete Problem einer kranken, mafiösen Stadt würde dabei in keiner Weise thematisiert. Und wenn dann einmal ein Autor auf die konkreten Hintergründe des Einflusses der Camorra zu sprechen kommt, wie im Fall des Journalisten und Schriftstellers Roberto Saviano und seines Aufsehen erregenden Buches "Gomorra", dann ist, so die Worte der Bürgermeisterin, von "Miesmacherei" die Rede.
Andere Politiker bezeichneten Saviano sogar als jemanden, der nur Aufmerksamkeit auf sich lenken wolle. Saviano, dessen Buch zum Bestseller geworden ist, scheint genau ins Schwarze getroffen zu haben: Seit zwei Wochen steht er auf der Abschussliste der Camorrabosse ganz oben und die Staatsanwaltschaft hat ihm eine Polizeieskorte bewilligt.
Dazu die neapolitanische Historikerin Antonella Cilento, die erst im letzten Monat ein historisches Porträt ihrer Stadt im Verlag Laterza vorgelegt hat:
"Sicherlich, die linke Stadtregierung hat sich zum ersten Mal überhaupt mit der Schaffung der wichtigsten italienischen Museen für zeitgenössische Kunst entschieden für die Kultur ausgesprochen, aber jetzt brauchen wir eine eindeutig antimafiöse Kultur, keine Kulturpolitik, die so tut, als ob es keine Camorra gäbe. Wir brauchen eine Antimafiakultur, wir brauchen Politiker, die diese Kultur in den Schulen unterrichten lassen. Um den Krieg gegen die Camorra zu gewinnen, brauchen wir eine Front aus Bürgern, aus Intellektuellen und Politikern, die konkrete Vorschläge machen."
Antonella Cilento fordert, und darin wird sie von Schriftstellern, von Künstlern und von vielen anderen Bürgern unterstützt, dass die Neapolitaner sich nicht mehr wegen der Camorra schämen und sie verdrängen sollten. Die Camorra, die vor allem die Folge der chronischen Arbeitslosigkeit und Armut weiter Bevölkerungsteile sei, müsse konkret angegangen werden, meint auch der neapolitanische Regisseur Francesco Rosi: mit Arbeitsplatzprogrammen und Sozialprojekten in den ärmsten und mafiösesten Stadtvierteln. Und, so Rosi, der mit seinem Film "Hände über der Stadt" die kriminellen Machenschaften der Mafia darstellte, mit dem Einsatz von Polizei und Heer - und nicht mit vielen schönen Kunstausstellungen und Opernaufführungen, die nur der Imagepflege aber nicht dem Kampf gegen die Camorra dienen.
"In der Regel meide ich die Medien, aber ich kann mich jetzt nicht mehr zurückhalten, denn in Neapel herrscht Krieg. Die Camorra hat dem Staat den Kampf angesagt und demonstriert, dass nur sie hier das Sagen hat. Ich mag diese Stadt nicht mehr und ich mag vor allem diese Politiker nicht mehr, die gar nicht daran interessiert sind, die Gründe für die Dominanz der organisierten Kriminalität zu bekämpfen. Um die Politik wachzurütteln, müssen wir Intellektuellen eine Gemeinschaft bilden."
Erri de Luca fordert deshalb seine Schriftstellerkollegen aus Neapel dazu auf, ihre Stimmen zu erheben: gegen das tägliche Morden und gegen die ausufernde Kleinkriminalität - aber auch gegen die Ignoranz der politischen Klasse, meint der neapolitanische Schriftsteller Raffaele La Capria:
"Wir Literaten wollen, parallel zur Anti-Mafia-Polizei, die Realität dieser Stadt anklagen. Mit unseren Mitteln. Wir fordern alle Kunstschaffenden auf, der Bürgermeisterin und dem Stadtrat wie auch dem Präsidenten der Region Kampanien klarzumachen, dass sie sich entschieden gegen die Camorra aussprechen müssen. Mehr Kultur, verkündet jetzt die Bürgermeisterin. Das reicht nicht. Wir müssen den Bossen den Krieg erklären, nicht mit Kulturinitiativen die schmutzige Wirklichkeit verschönern. Skandalös ist, dass dafür sogar Gelder des Kulturministeriums ausgegeben werden."
Die linke Bürgermeisterin Rosa Russo Jervolino will zusammen mit Regionalpräsident Antonio Bassolino zweistellige Euro-Millionensummen für eine beispiellose Kulturaktion ausgeben. Die städtischen Museen wie auch die Theater, darunter das Opernhaus San Carlo, sollen mehr Gelder erhalten, um die Stadt unter dem Vesuv für kulturinteressierte Reisende wieder interessanter zu machen - denn, erklärt Neapels Kulturdezernent Eduardo Cicelyn, seit einigen Monaten bleiben immer mehr die Touristen aus:
"Wir haben in der Vergangenheit schon gute Erfahrungen mit großen Kulturinitiativen sammeln können, wie zum Beispiel mit dem Projekt zur Verschönerung unserer U-Bahn-Stationen, die von namhaften zeitgenössischen Künstlern gestaltet wurden. Jetzt wollen wir wieder der Welt demonstrieren, dass Neapel nicht nur Camorra bedeutet, sondern dass unsere Stadt eine kulturelle Hochburg ist. Vor ein paar Jahren war unsere U-Bahn-Idee ein großer Erfolg, auch in der internationalen Presse."
Für Neapels Intellektuelle handelt es sich bei dieser kostspieligen Kulturinitiative um nichts anders als Maquillage. Das konkrete Problem einer kranken, mafiösen Stadt würde dabei in keiner Weise thematisiert. Und wenn dann einmal ein Autor auf die konkreten Hintergründe des Einflusses der Camorra zu sprechen kommt, wie im Fall des Journalisten und Schriftstellers Roberto Saviano und seines Aufsehen erregenden Buches "Gomorra", dann ist, so die Worte der Bürgermeisterin, von "Miesmacherei" die Rede.
Andere Politiker bezeichneten Saviano sogar als jemanden, der nur Aufmerksamkeit auf sich lenken wolle. Saviano, dessen Buch zum Bestseller geworden ist, scheint genau ins Schwarze getroffen zu haben: Seit zwei Wochen steht er auf der Abschussliste der Camorrabosse ganz oben und die Staatsanwaltschaft hat ihm eine Polizeieskorte bewilligt.
Dazu die neapolitanische Historikerin Antonella Cilento, die erst im letzten Monat ein historisches Porträt ihrer Stadt im Verlag Laterza vorgelegt hat:
"Sicherlich, die linke Stadtregierung hat sich zum ersten Mal überhaupt mit der Schaffung der wichtigsten italienischen Museen für zeitgenössische Kunst entschieden für die Kultur ausgesprochen, aber jetzt brauchen wir eine eindeutig antimafiöse Kultur, keine Kulturpolitik, die so tut, als ob es keine Camorra gäbe. Wir brauchen eine Antimafiakultur, wir brauchen Politiker, die diese Kultur in den Schulen unterrichten lassen. Um den Krieg gegen die Camorra zu gewinnen, brauchen wir eine Front aus Bürgern, aus Intellektuellen und Politikern, die konkrete Vorschläge machen."
Antonella Cilento fordert, und darin wird sie von Schriftstellern, von Künstlern und von vielen anderen Bürgern unterstützt, dass die Neapolitaner sich nicht mehr wegen der Camorra schämen und sie verdrängen sollten. Die Camorra, die vor allem die Folge der chronischen Arbeitslosigkeit und Armut weiter Bevölkerungsteile sei, müsse konkret angegangen werden, meint auch der neapolitanische Regisseur Francesco Rosi: mit Arbeitsplatzprogrammen und Sozialprojekten in den ärmsten und mafiösesten Stadtvierteln. Und, so Rosi, der mit seinem Film "Hände über der Stadt" die kriminellen Machenschaften der Mafia darstellte, mit dem Einsatz von Polizei und Heer - und nicht mit vielen schönen Kunstausstellungen und Opernaufführungen, die nur der Imagepflege aber nicht dem Kampf gegen die Camorra dienen.