"Und was noch am Baum an Lichtern ist. Zünd alles an, zum heiligen Christ!"
Unterstufenschüler rezitieren literarische Texte – am s genannten "Balladenabend" kurz vor den Pfingstferien. Der Ort: Das Schloss Hohenfels, Kilometer weit vom nächsten Dorf entfernt, mitten in einer dicht bewachsenen Waldgegend. Dort ist die Unterstufe der Schule Schloss Salem untergebracht - ein Ort so recht nach dem Geschmack des Reformpädagogen Kurt Hahn, der seine Schüler gerne dorthin schickte, wo es viel zu lernen gibt: Nämlich in die Natur.
"Ich würd' es mal an einem einfachen Beispiel festmachen: Sie können im Unterricht ein Projekt zum Thema Wasser machen. Da lesen Sie was dazu, recherchieren im Internet. Sie können aber auch mit den Kindern auf eine Expedition gehen, so nennen wir das. Das ist der historische Hahn'sche Begriff. Sprich: Einen Naturraum über mehrere Tage hinweg mit Zelt und Verpflegung durchqueren. Und da wird die Situation eintreten, dass die Schüler irgendwann Durst bekommen. Und das Gefühl, dass sie dann erreichen, wenn sie völlig ausgedurstet an der Quelle ankommen. Das, denke ich, ist viel nachhaltiger, was die Wichtigkeit dieser Ressource angeht, als jegliches akademisches Studium."
Rüdiger Häusler ist in Salem Leiter des Bereiches "Outdoor Education". Bis heute sind solche Expeditionen in der Natur, vorzugsweise im Ausland, eines von mehreren Elementen der Hahn'schen Pädagogik. Anna Resch besucht an der Schule Schloss Salem die zehnte Klasse – und geht an einem Tag in der Woche einer ungewöhnlichen Tätigkeit nach.
"Also ich selber bin für den Sozialdienst verantwortlich, speziell für das Altenheim. Der Sozialdienst lässt sich in verschiedene Bereiche gliedern: Wir gehen einmal ins Altenheim, die alten Leute besuchen. Dann betreuen wir behinderte Menschen in einem Behindertenheim. Und wir unterstützen Kinder bei ihren Aufgaben. Einmal auf Deutsch und einmal auf Englisch."
Die Teilnahme an den sogenannten "Diensten" ist für die Schüler verpflichtend; so hat es Kurt Hahn bereits vor 90 Jahren in seinen Grundsätzen festgelegt. Neben dem sozialen Dienst können die Schüler bei der Feuerwehr, beim Technischen Hilfswerk oder beim nautischen Dienst mitmachen. Für Eva Haberfellner, Leiterin der Schule Schloss Salem, sind die Dienste ein wichtiges Element der Hahn'schen Reformpädagogik.
"Die Schüler können hier zeigen, dass sie auch außerhalb der akademischen Leistungen eine Art Erfolgserlebnis haben. Wenn sie zum Beispiel in Mathematik schlecht sind, dann können sie ausgesprochene Feuerwehrleute sein. Das, was Kurt Hahn sagte: 'Jeder Schüler soll seine Grand Passion entdecken' - das bauen wir ständig aus. Weil ich glaube, das ist das wesentliche Element der Charakterbildung. Das kann man mit akademischen Leistungen nicht erzielen."
Und schließlich legte Kurt Hahn von Anfang an Wert auf Internationalität. Lange bevor das Wort 'Schüleraustausch' zur Selbstverständlichkeit wurde, legte er den Grundstein für ein weltweites Netzwerk. Das geschah nicht freiwillig: In den 30er-Jahren musste der Jude Kurt Hahn vor den Nazis fliehen und gründete im schottischen Gordonstoun ein weiteres Internat. Nach dem Krieg verwirklichte er das Konzept der United World Colleges – internationale Schulen mit Schülern aus allen Teilen der Erde, wie das heute auch in Salem der Fall ist. Und: Über die "Round Square Movement" sind über 60 Schulen, die nach dem Hahn'schen Konzept arbeiten, miteinander vernetzt. Carsten Schlüter leitet das International Office der Schule Schloss Salem:
"Ich sehe immer bei den Schülern, wenn die in der neunten. oder zehnten Klasse in den Austausch gehen, wie die zurückkommen. Sie haben die Sprache deutlich verbessert. Sie haben eine andere Kultur und Schule gesehen. Und vor allem sehen sie, dass Freundschaften durchaus sinnvoll sind und beglückend sind über den eigenen Tellerrand hinaus. Ich glaube sogar, dass das Friedensstiftend ist."
Internationalität – das ist ein Beispiel dafür, wie im Laufe der Jahrzehnte Hahn'sche Ideen auch Einzug in das allgemeine Schulsystem gehalten haben. Ein anderes, allerdings kontrovers diskutiertes Element, ist die Disziplin: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Fleiß gelten in Salem bis heute als wichtige Werte – und zunehmend auch anderswo. So sieht es jedenfalls Bernhard Bueb, langjähriger Leiter der Schule Schloss Salem und Autor des Bestsellers "Lob der Disziplin":
"Ich habe das Gefühl, dass der Sinn von Disziplin zugenommen hat. Kinder müssen das Glück erfahren, dass ihnen etwas gut gelingt. Damit sie dieses Glück erfahren, brauchen sie Disziplin. Und zu diesem Glück kann man ihnen nur verhelfen, wenn man ihnen zur Disziplin verhilft."
Ganz generell glaubt Bernhard Bueb aber, dass sich das allgemeine Bildungssystem eher von den Hahn'schen Ansätzen wegbewegt. Und das sei eigentlich schade.
"Das Problem unseres Schulsystems ist, dass es an die akademische Bildung glaubt und nicht an die Persönlichkeitsbildung. Und ich habe den Eindruck, dass es sich eher wegbewegt und nicht hinbewegt zu diese Persönlichkeitsbildung, die durch Abenteuer in der Natur, durch Dienste an anderen Menschen, durch politisches Handeln und Erziehungsverantwortung erreicht wird."
Unterstufenschüler rezitieren literarische Texte – am s genannten "Balladenabend" kurz vor den Pfingstferien. Der Ort: Das Schloss Hohenfels, Kilometer weit vom nächsten Dorf entfernt, mitten in einer dicht bewachsenen Waldgegend. Dort ist die Unterstufe der Schule Schloss Salem untergebracht - ein Ort so recht nach dem Geschmack des Reformpädagogen Kurt Hahn, der seine Schüler gerne dorthin schickte, wo es viel zu lernen gibt: Nämlich in die Natur.
"Ich würd' es mal an einem einfachen Beispiel festmachen: Sie können im Unterricht ein Projekt zum Thema Wasser machen. Da lesen Sie was dazu, recherchieren im Internet. Sie können aber auch mit den Kindern auf eine Expedition gehen, so nennen wir das. Das ist der historische Hahn'sche Begriff. Sprich: Einen Naturraum über mehrere Tage hinweg mit Zelt und Verpflegung durchqueren. Und da wird die Situation eintreten, dass die Schüler irgendwann Durst bekommen. Und das Gefühl, dass sie dann erreichen, wenn sie völlig ausgedurstet an der Quelle ankommen. Das, denke ich, ist viel nachhaltiger, was die Wichtigkeit dieser Ressource angeht, als jegliches akademisches Studium."
Rüdiger Häusler ist in Salem Leiter des Bereiches "Outdoor Education". Bis heute sind solche Expeditionen in der Natur, vorzugsweise im Ausland, eines von mehreren Elementen der Hahn'schen Pädagogik. Anna Resch besucht an der Schule Schloss Salem die zehnte Klasse – und geht an einem Tag in der Woche einer ungewöhnlichen Tätigkeit nach.
"Also ich selber bin für den Sozialdienst verantwortlich, speziell für das Altenheim. Der Sozialdienst lässt sich in verschiedene Bereiche gliedern: Wir gehen einmal ins Altenheim, die alten Leute besuchen. Dann betreuen wir behinderte Menschen in einem Behindertenheim. Und wir unterstützen Kinder bei ihren Aufgaben. Einmal auf Deutsch und einmal auf Englisch."
Die Teilnahme an den sogenannten "Diensten" ist für die Schüler verpflichtend; so hat es Kurt Hahn bereits vor 90 Jahren in seinen Grundsätzen festgelegt. Neben dem sozialen Dienst können die Schüler bei der Feuerwehr, beim Technischen Hilfswerk oder beim nautischen Dienst mitmachen. Für Eva Haberfellner, Leiterin der Schule Schloss Salem, sind die Dienste ein wichtiges Element der Hahn'schen Reformpädagogik.
"Die Schüler können hier zeigen, dass sie auch außerhalb der akademischen Leistungen eine Art Erfolgserlebnis haben. Wenn sie zum Beispiel in Mathematik schlecht sind, dann können sie ausgesprochene Feuerwehrleute sein. Das, was Kurt Hahn sagte: 'Jeder Schüler soll seine Grand Passion entdecken' - das bauen wir ständig aus. Weil ich glaube, das ist das wesentliche Element der Charakterbildung. Das kann man mit akademischen Leistungen nicht erzielen."
Und schließlich legte Kurt Hahn von Anfang an Wert auf Internationalität. Lange bevor das Wort 'Schüleraustausch' zur Selbstverständlichkeit wurde, legte er den Grundstein für ein weltweites Netzwerk. Das geschah nicht freiwillig: In den 30er-Jahren musste der Jude Kurt Hahn vor den Nazis fliehen und gründete im schottischen Gordonstoun ein weiteres Internat. Nach dem Krieg verwirklichte er das Konzept der United World Colleges – internationale Schulen mit Schülern aus allen Teilen der Erde, wie das heute auch in Salem der Fall ist. Und: Über die "Round Square Movement" sind über 60 Schulen, die nach dem Hahn'schen Konzept arbeiten, miteinander vernetzt. Carsten Schlüter leitet das International Office der Schule Schloss Salem:
"Ich sehe immer bei den Schülern, wenn die in der neunten. oder zehnten Klasse in den Austausch gehen, wie die zurückkommen. Sie haben die Sprache deutlich verbessert. Sie haben eine andere Kultur und Schule gesehen. Und vor allem sehen sie, dass Freundschaften durchaus sinnvoll sind und beglückend sind über den eigenen Tellerrand hinaus. Ich glaube sogar, dass das Friedensstiftend ist."
Internationalität – das ist ein Beispiel dafür, wie im Laufe der Jahrzehnte Hahn'sche Ideen auch Einzug in das allgemeine Schulsystem gehalten haben. Ein anderes, allerdings kontrovers diskutiertes Element, ist die Disziplin: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Fleiß gelten in Salem bis heute als wichtige Werte – und zunehmend auch anderswo. So sieht es jedenfalls Bernhard Bueb, langjähriger Leiter der Schule Schloss Salem und Autor des Bestsellers "Lob der Disziplin":
"Ich habe das Gefühl, dass der Sinn von Disziplin zugenommen hat. Kinder müssen das Glück erfahren, dass ihnen etwas gut gelingt. Damit sie dieses Glück erfahren, brauchen sie Disziplin. Und zu diesem Glück kann man ihnen nur verhelfen, wenn man ihnen zur Disziplin verhilft."
Ganz generell glaubt Bernhard Bueb aber, dass sich das allgemeine Bildungssystem eher von den Hahn'schen Ansätzen wegbewegt. Und das sei eigentlich schade.
"Das Problem unseres Schulsystems ist, dass es an die akademische Bildung glaubt und nicht an die Persönlichkeitsbildung. Und ich habe den Eindruck, dass es sich eher wegbewegt und nicht hinbewegt zu diese Persönlichkeitsbildung, die durch Abenteuer in der Natur, durch Dienste an anderen Menschen, durch politisches Handeln und Erziehungsverantwortung erreicht wird."