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Mit Notprogrammen aus der Finanzkrise?

Der 13. November war wahrlich ein Unglückstag für die Bundesregierung. Erst gab es einen deutlichen Rüffel der Fünf Weisen für Beitragserhöhungen und Steueränderungen, die der sowieso schwachen Konjunktur schaden würden. Und dann setzten die Sachverständigen das Wachstum für dieses Jahr auf nur noch 0,2 und fürs kommende auf 1,0 Prozent fest. Das ist deutlich weniger als die 0,5 und 1,5 Prozent der regierungsamtlichen Prognose. Vor allem aber lässt das befürchten, dass die kurz darauf verkündeten niederschmetternden Ergebnisse der Steuerschätzung noch gar nicht das ganze Ausmaß des Elends erfassen.

Axel Brower-Rabinowitsch |
    Der 13. November war wahrlich ein Unglückstag für die Bundesregierung. Erst gab es einen deutlichen Rüffel der Fünf Weisen für Beitragserhöhungen und Steueränderungen, die der sowieso schwachen Konjunktur schaden würden. Und dann setzten die Sachverständigen das Wachstum für dieses Jahr auf nur noch 0,2 und fürs kommende auf 1,0 Prozent fest. Das ist deutlich weniger als die 0,5 und 1,5 Prozent der regierungsamtlichen Prognose. Vor allem aber lässt das befürchten, dass die kurz darauf verkündeten niederschmetternden Ergebnisse der Steuerschätzung noch gar nicht das ganze Ausmaß des Elends erfassen.

    Denn auch die Steuerschätzer gehen von 1,5 Prozent Wachstum in 2003 aus. Selbst dann wird es haarig: In diesem Jahr haben sich seit Mai die Steuereinnahmen um 15,4 Milliarden Euro reduziert. Im kommenden Jahr sind es 16 Milliarden. Davon entfallen auf den Bund in diesem Jahr 5,7 Milliarden Euro, und im nächsten Jahr 5,5 Milliarden. Der Rest verteilt sich auf Länder, Kommunen und Europäische Union.

    Es handelt sich also um die schwerste Finanzkrise seit der Wiedervereinigung. Sie erzwingt einen Nachtragshaushalt 2002 und eine grundlegende Überarbeitung des Haushalts 2003. Denn zu den Mindereinnahmen gesellen sich natürlich auch noch konjunkturbedingte Mehrausgaben – vor allem für die Arbeitslosigkeit. Über drei Milliarden Euro muss der Bund allein deswegen in diesem Jahr mehr als geplant ausgeben. Ein schwarzes Szenario also, das Kanzler Gerhard Schröder gar nicht erst aufzuhellen versucht:

    Kein Zweifel, wir müssen in einer sehr schwierigen Lagen einen Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung beraten. Die ungute konjunkturelle Entwicklung führt zu sinkenden Einnahmen, die Erosion der Steuerbasis verschärft diesen Trend. Eine durchgreifende Änderung ist kurzfristig nicht zu erwarten – im Gegenteil: Die unsichere internationale Lage führt zu zusätzlichen Irritationen.

    Gemeint ist der drohende Krieg im Irak mit der dann wohl unausweichlichen Verteuerung des Erdöls, die wiederum Schleifspuren auch in der deutschen Konjunktur hinterlassen würden. Aber selbst ohne diese Risiken hat sich die Regierung auf unangenehme Wahrheiten einzustellen, wie der Kanzler klar macht:

    Dabei hat sie für 2002 eine Deckungslücke von 13,5 Milliarden Euro auszugleichen. Die aus der notwendigen Zurücknahme des Wachstums resultierende Deckungslücke beträgt für 2003 noch einmal 18,5 Milliarden Euro.

    Da dieses Jahr praktisch gelaufen ist, muss das neue Milliardenloch voll durch Kredite gedeckt werden. Das ergibt eine Neuverschuldung von insgesamt 34,6 Milliarden Euro, die gefährlich nahe an der bisherigen Rekordmarke von 40 Milliarden Euro kratzt. Finanzminister Hans Eichel erläutert die Gründe für den hohen Nachtragshaushalt:

    Natürlich hätte man eingreifen können, um die Neuverschuldung noch ein Stück zu drücken. Aber die Konsequenz wäre gewesen: In der Phase kann man dann nur noch eingreifen bei den Investitionen. Und das wäre in der Tat das Gegenteil von dem, was in dieser Phase richtig ist. In Folge dessen werden wir ein Nachtragshaushalt vorlegen, der eine zusätzliche Kreditaufnahme von 13,5 Milliarden Euro erfordert. Das ist dann oberhalb der Verfassungsgrenze des Artikels 115 Grundgesetz. Und das heißt: Wir müssen die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen.

    Denn die Schulden dürfen die Investitionen nur in solchen Ausnahmefällen übersteigen. Die Investitionen des Bundes liegen in diesem Jahr knapp 10 Milliarden Euro unter der jetzt geplanten Neuverschuldung. Mindestens ebenso peinlich ist allerdings, dass gestern die EU-Kommission offiziell ein Defizitverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, nachdem noch im Frühsommer ein blauer Brief aus Brüssel abgewendet werden konnte. Denn die Verschuldung wird in diesem Jahr nach übereinstimmenden Berechnungen Eichels und der EU 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen und damit die 3-Prozent-Defizitgrenze deutlich übersteigen, die Deutschland einst der EU bei der Einführung des Euro verordnet hatte.

    Insofern ist das auch eine politische Niederlage – mit übrigens höchst unangenehmen Konsequenzen. Denn jetzt werden wohl die anderen EU-Finanzminister Deutschland Auflagen machen, wie die Staatsfinanzen zu sanieren sind. Sollte die Bundesregierung diesen Empfehlungen nicht folgen, droht eine Geldbuße von bis zu zehn Milliarden Euro. Die Bundesregierung hat nicht zuletzt deshalb ihr umfangreiches Spar- und Steuerprogramm auf den Weg gebracht. Noch einmal Eichel:

    Wenn Sie dann sehen, dass wir bereits im nächsten Jahr auf eine Nettokreditaufnahme von 18,9 Milliarden kommen – mit der klaren Ansage: Wir wollen nächstes Jahr unter die 3 Prozent wieder kommen, dann sehen Sie, welch enorme Anstrengung in diesem Paket steckt.

    Setzt Eichel aber sein Sparziel im Bundesrat nicht voll durch, wird auch im kommenden Jahr das Defizit mit Sicherheit oberhalb der 3-Prozent-Grenze liegen, was wiederum Brüssel zum verschärften Vorgehen gegen Deutschland veranlassen dürfte. Für CDU-Chefin Angela Merkel ist das sowieso schon ausgemacht:

    Ich sage voraus, dass die jetzt von Herrn Eichel prognostizierten 18 Milliarden Euro fürs nächste Jahr schon wieder Makulatur sind, weil er keine Impulse Richtung Wachstum setzt.

    Das heute beschlossene Steuerpaket ist weitgehend zustimmungspflichtig. Die CDU/CSU-geführten Länder tragen damit eine hohe Mitverantwortung für die Schließung der Milliardenlöcher. Der Ausgang des Ringens ist ungewiss. Aber immerhin stehen zwei wichtige Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen im Februar an. Und warum eine Opposition überhaupt steuerliche Mehrbelastungen mittragen soll, ist ihr bisher nicht einsichtig. FDP-Chef Guido Westerwelle steht da fest an der Seite der Union:

    Das, was an neuen Steuererhöhungen jetzt in der Koalition beschlossen worden ist, das ist ein weiterer Sargnagel für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Es ist ein Akt der babylonischer Sprachverwirrung, dass über 40 Steuererhöhungen als Sparpaket durchgehen sollen. Wenn diese Steuererhöhungspolitik ein Sparpaket ist, dann ist ein Zitronenfalter auch jemand, der Zitronen faltet.

    Der Kanzler mag diese Kritik nicht akzeptieren. Aus seiner Sicht stellt sich das Spar- und Steuerpaket so dar:

    Die Steuerquote ist auch unter Einschluss dessen, was wir beschließen werden, deutlich niedriger als in früheren Regierungen. Die Deckungslücke wird grob zur Hälfte durch Einschnitte bei den Transferleistungen und zur anderen Hälfte durch Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen aufgebracht.

    Worum geht es? Die Bundesregierung belastet einerseits vor allem Arbeitslose durch Einschnitte beim Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe. Sie ist zudem dabei, die Vorschläge der Hartz-Kommission für eine schnellere und bessere Vermittlung von Arbeitlosen samt Umstrukturierung der Arbeitsämter umzusetzen. Ausnahmen bei der Ökosteuer werden runtergefahren, Gas verteuert. In dem heute vom Kabinett beschlossenen Gesetzespaket geht es sozusagen um eine steuerliche Flurbereinigung, wenn man der Argumentation der Bundesregierung folgt.

    Im Mittelpunkt der Kritik steht die so genannte Spekulationssteuer auf private Veräußerungsgewinne. Das betrifft Aktien, Fonds und Immobilienbesitz. Der Verkauf von Mietwohnungen ist bisher erst nach zehn Jahren steuerfrei, bei Aktien gilt eine Frist von einem Jahr. Künftig aber greift die Steuer zu – egal wann man verkauft. Warum, erläutert Eichel so:

    Das hat vor allem wirtschaftspolitische Gründe, weil die Fristen immer dazu führen, dass man sich nur aus steuerlichen Gründen so oder so verhält. Wobei Sie bei den Immobilien feststellen konnten, dass nur diejenigen in der Frist verkaufen, die dazu gezwungen sind, Notverkäufe. Und die trifft dann bei der jetzigen Regelung eine ganz große Härte.

    Der Gewinn bei Verkauf innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist wird nämlich zur Zeit mit dem persönlichen Steuersatz belegt – und der kann samt Solidarbeitrag bis zu 50 Prozent betragen. Das soll sich jetzt ändern. Wer innerhalb der Zehnjahresfrist verkauft, steht sich damit eindeutig besser als bisher. Wer allerdings diese Spekulationsfrist abwartet, blieb bisher steuerfrei. Die Neuregelung erläutert Eichel:

    Für Altfälle – also alle, die vor Inkrafttreten des Gesetzes realisiert sind – gilt die Vermutung eines zehnprozentigen Gewinns im Erlös. Und dieser zehnprozentige Gewinn im Erlös wird mit 15 Prozent versteuert. Also wenn Sie eine Immobilie für eine Million Euro veräußern, fallen darauf 15.000 Euro an. Sofern Sie aber zeigen können, dass Sie überhaupt keinen Gewinn oder einen niedrigeren Gewinn hatten, wird das natürlich gegengerechnet.

    Bei neu erworbenen Immobilien allerdings greift der volle Satz von 15 Prozent auf den tatsächlichen Gewinn, wenn sie später verkauft werden. Für Aktien gilt das so genannte Halbeinkünfteverfahren. Praktisch werden Gewinne aus Aktienverkäufen deshalb nur mit 7,5 Prozent besteuert. Grünen-Parteichef Fritz Kuhn erinnert daran, dass in Eichels ursprünglichen Vorschlägen sowohl bei Aktien als auch bei Immobilien der volle persönliche Steuersatz vorgesehen war, der bei höheren Veräußerungsgewinnen ganz schnell jene 50 Prozent erreichen kann:

    Dies ist eine wesentliche Reduzierung. Dahinter steht natürlich das System der Kontrollmitteilungen, die wir einführen werden. Bislang werden ja Aktiengewinne innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist in Deutschland kaum besteuert, weil keine Kontrollmitteilungen üblich sind.

    Die Banken müssen künftig den Finanzämtern jeden Aktienverkauf melden. Ein Entrinnen von der Spekulationssteuer gibt es nicht mehr. CDU/CSU-Fraktionsvize Friedrich Merz spricht bereits vom Schnüffelstaat. Eine generelle Aufhebung des Bankgeheimnisses ist aber nicht geplant. Obwohl die Steuersätze von 15 Prozent bei Immobilien und 7,5 Prozent bei Aktien einem internationalen Vergleich durchaus standhalten können, ist ein Sturm der Entrüstung ausgebrochen. Angela Merkel:

    Betroffen, das ist die Systematik in der ganzen Sache, sind immer die, die versuchen, Vorsorge für die Risiken ihres eigenen Lebens zu treffen. Jetzt sind es wieder diejenigen, die Aktien verkaufen oder Grundstücke verkaufen. Und wir lehnen diese – wie auch alle anderen – Steuererhöhungen ab.

    Der Verband der Haus- und Grundeigentümer sieht bereits eine Teilenteignung auf Immobilienbesitzer zukommen. Anlageexperten warnen vor negativen Auswirkungen der Aktiensteuer auf den Börsenstandort Deutschland und fürchten eine neue Kapitalflucht ins Ausland. Dort werden Aktiengewinne allerdings meist auch besteuert – und das keineswegs niedriger. Das weiß auch Eichel:

    Bei dem, was wir hier vorschlagen, gehen wir davon aus, dass das ein insgesamt sehr moderates Instrument ist. Und deswegen auch kein Grund, dass deswegen irgendwelche Fluchtbewegungen eintreten.

    Die daniederliegende Bau- und Wohnungswirtschaft wird aber gleich dreifach getroffen, was nicht nur die Bauwirtschaft, sondern auch die IG Bauen, Agrar, Umwelt und den niedersächsischen SPD-Ministerpräsidenten Gabriel auf die Palme brachte. Am heftigsten umstritten war die Kappung der Eigenheimzulage, die künftig nur noch als Kinderbaugeld gewährt werden sollte. Dank der bisherigen Zulage ist der Eigenheimbau eine der wenigen Stützen der Baukonjunktur. Aber sie ist auch eine der teuersten Subventionen mit zehn Milliarden Euro.

    Hans Eichel wischte alle Bedenken vom Tisch. In Zeiten hoher Leerstände machten gezielte Bausubventionen keinen Sinn mehr. Dabei rechneten ihm nicht nur die Verbände vor, dass die erhofften Einsparungen von zwei Milliarden Mark nicht kommen werden, sondern sich eher ins Gegenteil verkehren könnten. Der Grund: Bauinvestitionen lösen zehn Mal höhere Folgeausgaben aus und kurbeln damit Konjunktur und Steuereinnahmen an. Bleiben sie aus, muss der Staat auf sicher eingerechnete Einnahmen verzichten.

    Es kam zu einem Kompromiss, der eigentlich niemanden zufrieden stellt: Familien mit Kindern, die Wohneigentum erwerben, erhalten acht Jahre lang eine Grundförderung von 1.000 Euro plus 800 Euro pro Kind. Das ist deutlich weniger als heute. Kinderlose bekommen gar nichts mehr. Gleichzeitig werden die Einkommensgrenzen gesenkt.

    Damit nicht genug, wird auch noch die lineare Abschreibung auf Gebäude generell auf 2 Prozent reduziert. Damit sinkt vor allem der Steuervorteil auf Altbauten, die bisher mit 2,5 Prozent abgeschrieben werden können. Die degressive Abschreibung bei Neubauten wird in den ersten acht Jahren übergangsweise von fünf auf drei Prozent gesenkt. In den dann restlichen 38 Jahren sind es ebenfalls linear zwei Prozent. Spekulationssteuer, drastische Kappung der Eigenheimzulage und der Abschreibungen machen Bauinvestitionen immer unattraktiver. Die nächste Wohnungsnot – so meinen Kritiker aus Opposition und Wirtschaft – sei damit vorprogrammiert. 200.000 Bauarbeiter seien zusätzlich von Arbeitslosigkeit bedroht, klagt die Bauwirtschaft.

    Einen Aufschrei hat auch die geplante steuerliche Verteuerung der privat genutzten Dienstwagen ausgelöst. Die Pauschalsteuer steigt um glatte 50 Prozent. 1,5 Prozent vom Neuwert muss der Nutzer künftig jährlich an den Fiskus blechen. Die Autobranche macht geschlossen Front dagegen: Von den Betriebsräten bis zu den Vorständen. Experten rechnen vor, dass dadurch 150.000 Neuwagen weniger verkauft werden und die Umsätze der Branche um drei bis fünf Milliarden Euro sinken – auch durch billigere Ausstattungen von Dienstwagen und Umsteigen auf kleinere Modelle. Denn je preisgünstiger der Dienstwagen, umso geringer ist die Steuer. Eichel sieht allerdings eher einen Missbrauch bei Dienstwagen:

    Ich wünschte mir nur, dass mal klar wird, welcher Steuervorteil in der privaten Nutzung der Dienstwagen drinsteckt. Dann kommt man sehr viel günstiger weg in aller Regel, wenn man Dienstwagen privat nutzt als wenn man ihn sich selbst anschafft.

    Mehrere Gesamtbetriebsräte der Autokonzerne zeigten sich davon unbeeindruckt. Sie forderten den Kanzler schriftlich auf, diese Steuererhöhung zurückzunehmen. Rund zwei Millionen Menschen wären davon betroffen, schreibt etwa der Audi-Betriebsrat. Deshalb appelliere man an die Bundesregierung, diese – so wörtlich – "massive Verschlechterung der Kaufkraft zu unterlassen". Der Gelsenkirchener Automobilprofessor Ferdinand Dudenhöffer hielt Eichel vor, die negativen Auswirkungen zu unterschätzen. Im Ergebnis werde er viel weniger als die geplanten Mehreinnahmen von einer halben Milliarde Euro in die Kasse bekommen.

    Die Kaufkraft wird auch durch die Anhebung der Mehrwertsteuer für zahlreiche Artikel geschmälert, die bisher mit dem halben Satz von 7 Prozent besteuert wurden. Künftig sollen die üblichen 16 Prozent für Zahnersatz, Blumen, Zierpflanzen, lebende Tiere und Düngemittel erhoben werden. Das verteuert natürlich die Preise. Vor allem der Blumen- und Tierhandel sowie Gärtnereien protestieren heftig. Sie fürchten, dass die Käufer mit Zurückhaltung reagieren. Die Folgen wären Umsatzeinbußen und Entlassungen.

    Es ist wie überall: Wer getroffen wird, schreit auf. Dabei ist bestenfalls die Spekulationssteuer eine neue Steuer oder eine Steuererhöhung, weil ja bisher Gewinne bei Aktien und Immobilien nur innerhalb der Spekulationsfristen versteuert wurden. Alles andere sind weitgehend Streichungen von Steuervorteilen. Das gilt auch für die Jubiläumsrückstellungen der Betriebe. Die dürfen nicht mehr steuerfrei angelegt werden. Für viele Beschäftigte wird damit wohl die Gratifikation zum Betriebsjubiläum kleiner als erwartet sein oder gar ganz ausfallen. Selbständige und Betriebe können zudem Geschenke für Kunden nicht mehr steuerlich absetzen.

    Die Wirtschaft wird durch zahlreiche Änderungen ebenfalls zur Kasse gebeten. So bringt allein die Abschaffung der vereinfachten Abschreibung mittelfristig über zwei Milliarden Euro pro Jahr. Die schon beschlossene Reform der Ökosteuer belastet vor allem Betriebe durch höhere Steuersätze. Sie bringt 1,4 Milliarden Euro. Am heftigsten wehrt sich die Wirtschaft aber gegen die Begrenzung des Verlustabzugs – also der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus mehreren Jahren. Sie bringt mittelfristig nur gut eine Milliarde Euro. Es geht um die Körperschaftssteuer, die fast völlig eingebrochen ist, weil die Betriebe ihre steuerlichen Verluste derzeit realisieren. Die Finanzämter zahlen teilweise mehr Körperschaftsteuer aus als sie einnehmen. Das wird jetzt korrigiert. Grünen-Chef Kuhn erläutert:

    ... dass der Verlustvortrag auf 50 Prozent beschränkt wird, so dass alle Betriebe die Möglichkeit habe, ihre Verluste auch mit Gewinnen gegen zu rechnen, aber eben so, dass die Körperschaftssteuer verstetigt wird und nicht wir in Situationen geraten, wo wir gar keine Körperschaftsteuer mehr für Bund und für die Länder erheben können.

    Daneben gibt es zahlreiche steuerliche Änderungen für Unternehmen, die sich mittelfristig aber zu einem Milliardensegen für Eichel auswachsen. Insgesamt spülen die heute beschlossenen Maßnahmen im nächsten Jahr nur 3,2 Milliarden Euro in die Kassen von Bund, Ländern und Kommunen. Die Summe steigt allerdings auf über 20 Milliarden im Jahr 2005, wenn die Steuern auf die Vorjahre voll fällig werden. Im nächsten Jahr tragen die Einsparungen bei den Ausgaben, die vor allem Arbeitslose treffen, die Hauptlast der Konsolidierung.

    Dabei haben die unionsgeführten Länder ein gewichtiges Wort mit zu reden. Die Koalition setzt darauf, dass sie – spätestens nach den Landtagswahlen Anfang Februar – konstruktiv mitarbeiten. Denn fast alle Einsparungen und Streichungen von Steuervergünstigungen kommen auch ihren notleidenden Haushalten zugute. Was Eichel aber als nachhaltige Politik und Durchforstung des Steuerdickichts lobt, bezeichnen Wirtschaft und Opposition als konzeptionslose Sparorgie und Programm zur Produktion von Pleiten. Selbst Grünen-Chef Kuhn hängt den Anspruch niedrig:

    Wir reagieren mit einem Notprogramm und wir reagieren mit strukturellen Reformen, so dass Deutschland wieder in Fahrt kommt.



    Aber das Schicksal des Notprogramms ist ungewiss – und die Strukturreformen der Sozialversicherungen stehen noch aus.