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Mit Prostatakrebs leben

Etwa 10.000 Männer mehr sind seit der letzten Schätzung des Robert-Koch-Instituts an Prostatakrebs erkrankt, doch bei der Frage nach den Ursachen für diese auffällige Zunahme zucken die Krebsexperten mit den Schultern. An der gestiegenen Lebenserwartung könnte es liegen, denn Prostatakrebs tritt vermehrt ab dem 70. Lebensjahr auf. Wahrscheinlicher aber, dass einfach mehr Fälle diagnostiziert worden seien, früher also die Dunkelziffer größer war.

Von Carsten Schröder |
    Die Besonderheit des Prostatakrebses, dass er nur langsam wächst, macht es den Ärzten zusätzlich schwer, seine Entwicklung einzuschätzen. Viele Patienten können lange mit einem Prostatakrebs leben, ohne dass sie deshalb operiert werden müssten. Prof. Peter Albers, Direktor der Klinik für Urologie am Klinikum Kassel bringt es auf die Problem-Formel:

    " Dann ist das Problem, dass wir viele Patienten haben, die wahrscheinlich am Prostatakarzinom nicht versterben werden, sie werden mit Prostatakarzinom sterben. Das sind in der Gruppe der im Moment kurativ therapierten Patienten in fast alle Serien etwa die Hälfte der Patienten, und unser Problem als Therapeuten ist, dass wir diese Patienten im Moment nicht sicher selektieren können, das heißt, wir können nicht bei der Primärdiagnose eines Prostatakrebses sagen, dieser Patient ist tatsächlich gefährdet und wird am Tumor sterben und braucht eine aggressive Therapie, und dieser Patient braucht es nicht. "

    Vor diesem Hintergrund beginnen viele Urologen damit, dem PSA-Wert wieder eine größere Bedeutung zuzumessen. An der Veränderung des PSA-Wertes, des prostataspezifischen Antigens, kann eine Krebsentstehung unter Umständen erkannt werden. Weil das jedoch nicht wirklich sicher ist, waren viele Urologen in den vergangenen Jahren in der Beurteilung dieses Wertes, der mit einem einfachen Bluttest gemessen werden kann, zurückhaltend geworden. Das sei jedoch eine Unterschätzung des PSA-Wertes, meint Prof. Kurt Miller, Direktor der Klinik für Urologie an der Berliner Charité:

    " Was wir gelernt haben in den letzten Jahren ist einfach, den PSA-Test besser und sinnvoller einzusetzen, nicht auf Einzelwerte zu gehen, zu verstehen, dass es keine wirklichen Grenzwerte gibt, zu verstehen, dass PSA letzten Endes eine Risikoabschätzung für Prostatakrebs ist, dass man mehrere Werte braucht, und dann dem Patienten auch sinnvoll sagen kann, wie oft muss er weiter kontrolliert werden, oder ist der nächste Schritt, nämlich eine Biopsie notwendig, die dann letztendlich Prostatakrebs diagnostiziert oder ausschließt. "

    Die Biopsie, also die Entnahme einer oder mehrerer Gewebeproben unter örtlicher Betäubung, ist nach wie vor die einzig sichere Methode, einen Prostatakrebs nachzuweisen. Auch die unterschiedlichen bildgebenden Verfahren bieten hier keine Alternative.

    Neue Entwicklungen gibt es dagegen in der Behandlung, allerdings befinden die sich noch im Forschungsstadium. Unter dem Stichwort fokale Therapie, also eine auf einen Brennpunkt gerichtete Behandlung, versuchen amerikanische Mediziner, die Prostata nur an den vom Krebs befallen Stellen zu operieren. Davon versprechen sie sich weniger Nebenwirkungen.
    Professor Kurt Miller bleibt zurückhaltend:

    " Die Berichte sind auch nicht wirklich ermutigend, was die Datenlage angeht. Das ist nicht so, dass man sagt: Oh Gott, das sieht ja ganz toll aus hier, sondern das sind einfach erste Versuche sozusagen, zu sehen, was geht da. "

    Erfolge bei der Behandlung von Nebenwirkungen ließen sich möglicherweise durch einen ganz anderen Bereich erzielen, nämlich durch Sport- und Bewegungstherapie. Zwar ist Deutschland mit über 700 Krebssportgruppen international führend, aber lediglich bei den Frauen. Nur 5 Prozent in den Krebssportgruppen sind Männer.