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Mit rechten Parolen auf Stimmenfang

An diesem Wochenende wird in Belgiens Gemeinden gewählt. Schon zweimal - 1994 und 2000 - hat die ausländerfeindliche Partei Vlaams Belang in Antwerpen rund ein Drittel der Stimmen erhalten. Umfragen sehen sie derzeit bei über 38 Prozent. Ruth Reichstein berichtet.

Von Ruth Reichstein |
    Die Anhänger von Filip Dewinter hören gar nicht mehr auf zu klatschen. Minutenlang bejubeln sie ihren Filip, den Mann, der sich endlich als Bürgermeister um all ihre Sorgen und Nöte kümmern soll.

    "Ich bin hier, weil ich das Leben in Antwerpen verbessern will - gemeinsam mit dem Vlaams Belang. Ich bin vor allem gegen die Immigranten, die unsere Stadt dreckig machen und uns die Sozialwohnungen weg nehmen."

    So wie diese Frau denken viele beim Parteikongress des Vlaams Belang in Antwerpen. Die Schlagworte sind: sofortiger Immigrationsstopp, Bekämpfung der Kriminalität und die Stärkung der flämischen Kultur.

    Antwerpen zähle 25.000 Illegale Einwanderer und 12.000 Asylbewerber. Und dennoch verschließen die traditionellen Parteien die Augen vor diesem Problem, meint Filip de Winter. Das müsse sich endlich ändern.

    Aber es sind nicht nur Faschisten und Ausländerfeinde, die für den Vlaams Belang stimmen. Der Politikwissenschaftler Jerome Jamain aus Lüttich, der sich seit Jahren mit dem Vlaams Belang beschäftigt, ist überzeugt, dass nicht all diese Wähler Rechtsradikale sind. Vielmehr vermischen sich viele Elemente - so wie bei dem 20 Jahre alten Hans Verreyt:

    "Hauptsächlich wähle ich den Vlaams Belang, weil ich den Wunsch nach einem unabhängigen Flandern habe. Dazu kommen natürlich noch andere Dinge: die Einwanderungspolitik, die Bekämpfung der Kriminalität. Aber die Unabhängigkeit ist das wichtigste. Ich denke, wir könnten dem Beispiel von Tschechien und der Slowakei folgen und die Trennung von Flandern und der Wallonie zu einem guten Ende bringen."

    Die Forderung nach einem unabhängigen Flandern ist eines der stärksten Argumente des Vlaams Belang. Jedes Jahr fließen Millionen von Steuergeldern vom reichen Norden in den ärmeren, französischsprachigen Süden Belgiens. Es ist die belgische Variante des Finanzausgleichs zwischen den Bundesländern. Genau das würden viele Flamen gerne abschaffen und fordern mehr Kompetenzen für ihre Region.

    Auch Filip Dewinter wehrt sich dennoch gegen den Aufkleber "rechtsextrem".

    "Wir vertreten heute 25 Prozent der Bevölkerung unseres Landes. Wir sind keine extreme rechte oder Neonazi- oder neofaschistische Partei. Nein, wir sind eine patriotische, eine rechtskonservative Partei. Man kann das nicht vergleichen mit einer deutschen Partei. Wir sind nicht wie die NPD, DVU, die Republikaner. Und wir sind auch nicht wie die CSU oder die CDU. Wir sind eine flämisch-nationale Partei, konservativ ohne Komplexe. Aber nicht rechtsextrem. Nein."

    Außerdem ist Filip de Winter vorsichtiger geworden in seinen öffentlichen Äußerungen. Der Grund: Vor einigen Jahren war seine Vorgängerpartei, der Vlaams Belang, von einem belgischen Gericht verboten worden - wegen rassistischer Äußerungen.

    Aber jeder Vorsicht zum Trotz - noch immer macht der Vlaams Belang mit unheimlicher Musik, einschlägigen Videos und Reden Stimmung gegen Einwanderer in Antwerpen und Brüssel. Die Worte sind weicher geworden, aber die Botschaft bleibt die gleiche.

    Für Dewinter sind die Wählerstimmen eine Legitimation seiner Politik. In jüngsten Umfragen kommt er in manchen Antwerpener Stadtteilen auf bis zu 40 Prozent der Stimmen. Der Sänger der flämischen Band Deus, Tom Barman kann darüber nur den Kopf schütteln:

    "Ich bin ein belgischer Sänger. Ich war immer ein belgischer Sänger. Aber ich merke, dass die Sprache und die Wortwahl der Rechtsextremen auch immer mehr Einzug hält in die Sprache der traditionellen Parteien. Die Leute wiederholen einfach, was jemand anderes gesagt hat und denken nicht weiter drüber nach. Das wird immer stärker. Aber wir sollten nicht vergessen, dass nicht alle Antwerpener Rechtsradikale sind."

    Dewinters Sieg am Sonntag ist also noch nicht ausgemachte Sache. Denn einen Funken Hoffnung gibt es auch in Antwerpen. Am vergangenen Wochenende haben sich immerhin 40.000 Menschen zu einem von Barman organisiertem Gratis-Konzert versammelt - gegen Rassismus und auch gegen den Vlaams Belang.