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Mit sanftem Zwang?

Technik. - Geträumt wird in der Medienbranche schon lange davon, dass Fernsehen und Radio interaktiv werden - der Zuschauer oder Hörer sich also am Programm beteiligen, individuell zusätzliche Informationen abrufen oder seinen Kommentar zur Sendung abgeben kann. Die Euphorie der 90er Jahre, als die Digitalisierung solches Treiben möglich zu machen schien, ist allerdings verflogen. Dennoch wurde auf den Medientagen München wieder Optimismus verbreitet, dass es doch zur schönen neuen interaktiven Medienwelt kommen werde.

Wolfgang Nitschke |
    Die Phantasie der Redaktionen ist groß, wenn es darum geht den Zuschauer oder Hörer ins Programm ein zu beziehen. Gameshows bei denen man von zu Hause aus per Knopfdruck mitraten kann sind geplant oder auch die Möglichkeit direkt vom Autoradio aus die gerade laufende CD durch die Betätigung eines Schalters zu bestellen. Und auf den Medientagen wurde sogar eine interaktive Politdiskussion geführt. Die Zuschauer konnten zu jedem Statement der Gäste sofort ihre Zustimmung oder Ablehnung vom Fernseher aus signalisieren. Technisch ist das alles auch kein Problem - doch es fehlt an der Akzeptanz. Helwin Lesch, Leiter der Hauptabteilung Programm-Distribution beim Bayerischen Rundfunk:

    Zunächst geht es dabei natürlich immer um das alte Henne-Ei-Problem, dass wir im Rundfunk bei der Einführung neuer Verbreitungstechnologien immer vor uns stehen haben. Wenn zu wenig Empfänger, zu wenig Kunden im Markt sind, dann ist die Aufbereitung von attraktiven Inhalten, von interaktiven Möglichkeiten natürlich für einen Sender relativ uninteressant. Solange aber dies ausbleibt kauft sich auch der Kunde kein neues Gerät und nutzt es nicht.

    Also muss dem Kunden geholfen werden meinte Bayerns Ministerpräsident Stoiber in seiner Eröffnungsrede auf den Medientagen - die Industrie könnte sich zum Beispiel verpflichten, keine herkömmlichen Geräte mehr her zu stellen. Und noch ein zweiter Vorschlag zur Lösung des Problems wird diskutiert: Wenn man analoge Frequenzen für Hörfunk und Fernsehen einfach abschaltet, muss der Kunde digitales terrestrisches Fernsehen oder digitalen Hörfunk annehmen, weil Radio und Fernsehen sonst stumm bleiben. Thomas Scherbaum vom Institut für Rundfunktechnik sieht dazu jedenfalls keine Alternative, denn es mangelt an Bandbreite für digitale Übertragungen und interaktive Angebote.

    Was die Bandbreite im digitalen Radio betrifft ist es so: Wir sind davon abhängig was 1995 frequenztechnisch europaweit geplant wurde. Diese Kapazitäten reichen zur Zeit bei weitem nicht aus um diese ganzen Bedürfnisse zu erfüllen und wir gehen davon aus, dass es bei der Nachfolgekonferenz für diese Frequenzplanung 2006 ausreichendes Spektrum für digitale Radioprogramme, die terrestrisch übertragen werden gibt, aber auch für das digitale Fernsehen, das terrestrisch übertragen wird.

    Das ist aber nur möglich, wenn heute analog genutzte Frequenzen zur Übertragung von digitalen Programmen genutzt werden. Die sollen dann aber nur der Verbreitung digitaler Inhalte dienen - für den Rückkanal, den der Zuschauer oder Hörer für die Interaktion benötigt sollen Handy, Internet oder Telefon sorgen, was bedingt, dass die neuen Empfangsgeräte für Radio und Fernsehen den Internetzugang oder eine Art Handy integriert haben. Die Bandbreite der Telekommunikationsnetze hält Helwin Lesch vom Bayerischen Rundfunk für ausreichend.

    Zumal wenn man bedenkt, dass für diese Interaktion in der Regel nur geringere Datenströme benötigt werden, denn wenn der bayerische Rundfunk Ihnen einen wunderbaren Spielfilm zusendet, dann werden Sie sich nicht mit einem Spielfilm revanchieren wollen, sondern geringere Datenmengen zurücksenden.

    Beim Spielfilm vielleicht die Frage, wer der Regisseur ist, bei der Quizshow die Antwort zur jeweiligen Aufgabe. Im interaktiven Radio jedoch gehen die Planungen hingegen weiter, denn Radio hört man oft im Auto. Interaktive Parkplatzsuche oder individualisierte Stauabfragen sollen möglich sein, das Hören von bestimmten Sendungen oder sogar nur von Beiträgen, die man vorher in einem Benutzerprofil mit Schlagwörtern beschrieben hat. Ähnlich wie heute das Radio automatisch den CD-Spieler abschaltet oder das Programm wechselt, wenn die Staumeldungen gesendet werden würde es beispielsweise auf Forschung aktuell umschalten, wenn im Benutzerprofil das Wort Wissenschaft steht. Allerdings kostet die schöne neue Radiowelt Geld: Den Hörer, weil er sein Profil ja ständig über Handy senden muss - die Sender, weil sie die Dienste anbieten müssen. Die Staumeldungen bleiben jedoch kostenlos - immerhin etwas.