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Mit sanfter Gewalt gegen Beton

Technik. – In Städten sorgen Bäume für vielfache Erholung – nur unter der Erde nicht. Dort verursachen ihre Wurzeln oft erhebliche Schäden, sechs Prozent aller Schäden an deutschen Kanal- und Rohrleitungsnetzen geht auf ihr Konto. Mittlerweile ist das Problem so groß, dass sich Forscher auf internationalen Konferenzen des Themas annehmen, so zum Beispiel gestern und heute am Institut für Unterirdische Infrastruktur in Gelsenkirchen.

Von Mirko Smiljanic |
    Ein Bild der Verwüstung bot sich dem Bautrupp: Das Wurzelwerk eines Kastanienbaumes ist durch die Muffe eines Abwasserrohres gewachsen und hat binnen weniger Monate den Beton förmlich auseinandergerissen. Zu repariere, sagt Klaus Schröder vom Grünflächenamt Osnabrück, gibt es da nichts mehr, hier hilft nur noch eine Komplettsanierung. Immer wieder beobachtet er,…

    "…dass Wurzeln eindringen können in völlig intakte Leitungen, insbesondere mit Steckverbindungen, mit Muffenverbindungen, Baumwurzeln können aber im Extremfall auch um die Leitungen herum wachsen und unter ungünstigen Bedingungen dann zu Schädigungen der Leitungen führen, sie können abgedreht werden durch das Wurzelwachstum, abgeklemmt, und wenn die Windlast in den Boden eingetragen wird, können die Wurzeln an den Leitungen zupfen und ruckeln, bis es dann schließlich brechen kann."

    Wie schnell Wurzeln wachsen, vor allem in welche Richtung, hängt von der Struktur des Bodens ab. Zu Beginn ihres Wachstums brauchen die haarfeinen Fäden viel Platz, weshalb sie lockere, großporige Böden bevorzugen. Weil Leitungen und Kanäle bevorzugt in solchen Böden verlegt werden,...

    "…finden gerade Wurzeln den Weg vom Pflanzstandort durch den Boden in den so genannten Leitungsgraben, dort wo die Rohre verlegt werden, dort sind häufig ausgetauschte Böden drin, die ein höheres Porenvolumen haben, können sich dort ausbreiten und finden dann den Weg in die Rohrverbindung hinein."

    Christoph Bennerscheidt vom Institut für Unterirdische Infrastruktur. Haben die Wurzel erst einmal den Weg in den Leitungsgraben gefunden, wachsen sie entlang des Kanals oder des Rohres weiter bis zur nächsten Rohrverbindung. Weil hier noch mehr Platz herrscht als im Boden selbst, suchen sich die Wurzeln sofort einen Weg in die Muffe – die Zerstörung nimmt ihren Lauf! Das heißt aber auch: Je weniger Verbindungstücke ein Rohr hat, desto geringere Angriffsfläche bietet es für Wurzeln. Eine zweite Gegenstrategie zielt auf den Boden selbst. Bennerscheidt:

    "Wir testen gerade Böden, die geringe Porenräumen haben, dann gibt es seit neuestem so genannte flüssige Böden, die eingesetzt werden, die ein bestimmtes Tonmineral haben, Bentonit, und dieses Bentonit führt zu geringen Porenräumen und verringert so die Gefahr des Wurzeleinwuchses."

    Flüssige Böden werden wie Beton um die Rohre geschüttet. Dort härten sie aus und bilden wegen ihrer kleinen Poren ein wenig attraktives Medium für Wurzeln. Natürlich ließe sich das Problem auch mit der chemischen Keule bekämpfen. In den USA und vielen anderen Staaten werden Rohre aus Elastomeren gezielt mit Herbiziden versetzt. Bennerscheidt:

    "Herbiziden zerstören eigentlich lebende Gewebe, Pflanzen, und können so unter Umständen Wurzeleinwuchs verhindern, wenn sie in den Elastomeren eingesetzt werden. An dieser Stelle stellt sich natürlich die Frage, wie dauerhaft können die eingebracht werden, bei Kanälen sprechen wir von Lebensdauer von 100 Jahren, und ob ein Material so lange dort bleibt, ist die Frage. Die andere Frage ist, wie ist die Auswirkung auf das Abwasser? Verändert es das Abwasser und wir haben plötzlich Probleme mit der Abwasserreinigung?"

    Diese Strategie gegen Wurzeln im Kanal ist in Deutschland verboten. Wenig nutzt übrigens eine gezielte Auswahl von Bäumen. Ob sie tief- oder flach wurzeln, sagt Christoph Bennerscheidt, spielt keine Rolle:

    "Ja, das stellte man sich so vor, dass das so ist, aber gerade die Standorte in den Städten sind so, dass die Bäume versuchen das Optimale herauszuholen, so dass ein Baum, der eigentlich ein Flachwurzler ist zum Tiefwurzler wird, und ein Tiefwurzler zum flach wurzelnden, so dass man diese Standardaussagen nicht anwenden kann."