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Mit Schmutz zu schnellen Chips

Technik. - Normalerweise ist Wissenschaftlern nur das Edelste gut genug - optimale Ergebnisse können eben nur mit reinsten Substanzen erreicht werden und schon kleinste Beimengungen fremder Stoffe verfälschen das Experiment. Allerdings bestätigt auch in diesem Fall die Ausnahme die Regel: Erst gezielte Verunreinigungen garantieren, dass Halbleiter zu Hochform auflaufen und Handys oder Computer einwandfrei arbeiten. Auf der 21. Internationalen Konferenz über Defekte in Halbleitern, die derzeit in Gießen stattfindet, bildet die dosierte Verschmutzung daher einen Schwerpunkt.

    Am Rohstoff Nummer Eins für Chips gibt es keinen Mangel, denn Silizium gibt es sprichwörtlich wie Sand am Meer. Doch reines Silizium leitet zunächst gar keinen elektrischen Strom, vielmehr besitzt es recht gute isolatorische Eigenschaften. Erst wenn andere Atome beigemengt werden, gibt Silizium seinen Widerstand auf und wird zum technisch verwertbaren Halbleiter. Die fremden Elemente verschaffen dem Silizium freie Elektronen, die den Stromfluss übernehmen, indem sie von Elektronenloch zu Elektronenloch im Siliziumgitter springen.

    Die Kunst der Halbleiterherstellung liegt im richtigen Maß der Verunreinigung, erklärt Professor Martin Spaeth von der Universität Paderborn: "Die Mikroelektronik beruht darauf, das Phosphor- und Boratome in extrem kleinen Mengen in das Silizium eingebracht werden, die für die Leitfähigkeit sorgen." Schwierig sei dabei allerdings, die gewünschten Defekte in der Siliziumstruktur von den unerwünschten zu unterscheiden. "Weil die eingesetzten Konzentrationen mit einem Millionstel fremder Atome im Silizium unendlich klein sind, genügen chemische Methoden hierbei nicht mehr. Nur physikalische Verfahren, wie etwa optische Spektroskopie oder magnetische Resonanzmethoden, können Aufschluss über den Materialzustand in atomarer Auflösung geben." Mittlerweile stehe eine Reihe solcher Testverfahren zu Verfügung und auch die theoretische Grundlage sei soweit verfestigt, sodass ein richtiggehendes Materialdesign betrieben werden könne und inzwischen anhand mathematischer Modelle neue Chips entworfen werden.

    Ein Künstler auf diesem Gebiet ist Professor Abbas Oumazd von der Universität Frankfurt/Oder: Der Wissenschaftler simuliert am Computer, wie sich zusätzliche Kohlenstoffverschmutzungen auf einen Halbleiter auswirken. Ein Trick mit Effekt, denn der Stromverbrauch des neuen Halbleiters sinkt um eine ganze Größenordnung, die Geschwindigkeit steigt um 70 Prozent und die Fertigung wird überdies vereinfacht. Der Marktführer in der Prozessorherstellung, Intel, ist von solchen Eigenschaften begeistert: Das Unternehmen investierte jetzt 3,3 Milliarden Mark in ein Gemeinschaftsprojekt mit Abbas Oumazd zu hochintegrierten Multifunktionschips. Mehr dazu im Internet.

    [Quelle: Joachim Hecker]