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Mit Silber gegen den Verfall

Archäologie. - Einer der größten Schätze der ägyptischen Museen sind die Papyri, die sich aus nahezu allen Perioden der antiken Reiche am Nil erhalten haben. Papyri allerdings bestehen aus pflanzlichen, zum Teil auch tierischen Produkten und sind daher gegen Schimmelpilze und Bakterien anfällig. Mit einer Nanotechnologie wollen Forscher jetzt dagegen angehen.

Von Katrin Engelhardt | 17.03.2011
    "Es gibt in Ägypten viele Probleme mit diesem Papyrus, weil das ist seit 6000 Jahren und viele Papyri sind jetzt kaputt. Wir müssen eine Lösung für diese Papyrus finden."

    Papyrusrollen bestehen aus Zellulose, Flachs oder Wolle und sind damit anfällig für Bakterien und Schimmelbefall. Bislang werden Papyrusrollen nach einem solchen Befall mit Ethylenoxid oder Gammastrahlen behandelt. Beide Verfahren sind aufwendig und wegen der Giftigkeit und radioaktiven Strahlung auch riskant, so Ashraf Asran. Der Chemiker vom nationalen Forschungszentrum in Kairo hat eine neue Konservierungsmethode entwickelt, die technisch einfach und – im Vergleich zu Ethylenoxid und Gammastrahlen - weniger bedenklich ist:

    "Wir machen eine Nanofaser mit Silber-Nanoteilchen, um diese Papyrus zu schützen."

    Auf die Idee mit den Nanofasern kam Ashraf Asran am Institut für Physik an der Martin-Luther-Universität in Halle. Ausgestattet mit einem Stipendium der ägyptischen Regierung arbeitete er hier an seiner Doktorarbeit, in der es um die Nachzüchtung von Haut- und Knochenzellen auf Nanofaser-Substraten ging. Um die Nanofasern herzustellen, erlernte der Ägypter das "Elektrospinnen": Dabei wird ein Stoff mittels eines elektrischen Feldes zu sehr dünnen Fasern gesponnen, so dünn, dass sie mit bloßem Auge nicht erkennbar sind. Asran:

    "Nanofaser ist zehn Mal dünner als menschliches Haar, man kann das nicht zeigen, das geht nur mit Elektronenmikroskop."

    Zum Elektrospinnen benötigt man einen Hochspannungsgenerator, eine Spritze mit Kanüle, darunter eine Metallplatte, das ist schon alles! Zwischen Kanüle und Metallplatte wird nun ein elektrisches Feld von 15 bis 20 Kilovolt angelegt, so der Hallesche Physiker Sven Henning, der am deutsch-ägyptischen Forschungsprojekt beteiligt war:

    "In diesem elektrischen Feld wird aus einer Polymer-Lösung und einer spitzen Kanüle ein dünner Faden erzeugt, das Polymer - also der Kunststoff - wird aus der Spitze durch das starke elektrische Feld ein sehr dünner Faden abgesaugt. Und dieser Faden kommt auf dem Ziel unten an, das kann diese Metallplatte sein, oder ein Stück Papyros, das beschichtet werden soll."

    Der Papyrus wird nun kreuz und quer mit mehreren Hundert Metern Nanofaser beschichtet. Es entsteht eine Art Vlies, das aus winzigen Kunststoff-Fasern besteht, gut haftbar und unsichtbar ist. Und jetzt kommt der Trick! Die Polymerlösung, aus der das Vlies besteht, ist mit Silber- oder Raschitpartikeln angereichert. Raschit ist ein Desinfektionsmittel, das im Haushalt und in Krankenhäusern verwendet wird. Schon geringe Mengen von Silber oder Raschit wirken antibakteriell und hemmen das Wachstum von Mikroorganismen. Diese mit Silber und Raschit angereicherten Nanofasern stoppen die Zerstörung bereits beschädigter Papyrusrollen und sie bewahren sie noch unbeschädigte Papyri vor dem Befall, so der Hallesche Physiker Sven Henning:
    "Der springende Punkt ist, dass wir in der Lage sind, eine mobile Anlage anzubieten, der Aufwand ist gering, der Trick liegt im Verfahren, aber die Anlage kann einfach gehalten werden, wir brauchen keine Strahlung, keine giftigen Substanzen und können im Prinzip mit einem Koffer dahin fahren, wo man gebraucht wird, und kann vor Ort in den Museumsraum gehen. Wir sind in der Lage die Konservierung durchzuführen."
    Das wird vermutlich noch einige Jahre dauern: Die neue Methode mit den antibakteriellen Nanofasern muss weiter untersucht werden. Einige Fragen sind offen: Zum Beispiel, wie lange die Beschichtung haltbar ist und ob man das neue Verfahren auch bei anderen Kunstgegenständen anwenden kann. Doch die Wissenschaftler aus Kairo und Halle sind optimistisch: alle bisherigen Tests sind erfolgreich verlaufen. Deshalb soll das deutsch-ägyptische Projekt – das vom DAAD finanziert wurde - auch fortgesetzt werden. Das Ägyptische Museum in Kairo hat bereits Interesse an der neuen Konservierungsmethode angemeldet. Ein Workshop, der Ende Januar in Kairo stattfinden sollte, musste wegen der Demonstrationen ausfallen und soll so bald wie möglich nachgeholt werden, so Asran:

    "Ich hoffe das geht dieses Jahr und wir können diese Workshop noch einmal in Ägypten machen."