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Mit Ultraschall gegen Krebs

Medizin. - Bereits seit langem ist die Sonographie aus der medizinischen Diagnostik nicht mehr wegzudenken. Ohne Nebenwirkungen gelingt mit hochfrequentem Schall die Darstellung heranwachsender Feten oder innerer Strukturen und Organe. Auch Tumore lassen sich so erkennen. Jetzt belegen erste Studien aus Großbritannien, China und Frankreich, dass die Schallwellen sich nicht nur zur Darstellung, sondern auch zur gezielten Vernichtung von Geschwulsten einsetzen lassen.

    Die medizinische Sonographie entspricht in etwa dem Sonar eines Fischkutters: Bei beiden Verfahren werden Schallwellen erzeugt, die zunächst durch Wasser beziehungsweise stark wasserhaltiges Gewebe laufen und dabei kaum reflektiert werden. An bestimmten Strukturen - wie etwa einem Fischschwarm oder im Körper an Übergängen zu so genannten "schalldichteren" Medien wie beispielsweise Knochen oder gasgefüllten Hohlräumen - wird der Schall charakteristisch reflektiert. Aus den Laufzeiten von Signal und Reflektion lässt sich die Tiefe eines Gewebes ermitteln und ein dreidimensionales Bild erzeugen. Die britische Physikerin Gail te Haar will sich allerdings mit den harmlosen Schallfingern nicht begnügen, sondern den Ultraschall zur scharfen Klinge gegen Krebsgeschwulste formen. Seit rund 20 Jahren arbeitet die Leiterin der Abteilung für Therapeutischen Ultraschall am Krebsforschungszentrum im englischen Sutton mit Ultraschallwellen. Um mit den "sehenden" Frequenzen gezielt bösartige Geweberegionen geradezu zu kochen, verleiht te Haaar dem Ultraschall eine Leistung von bis zu 1500 Watt pro Quadratzentimeter. Diese Intensität liegt um den Faktor 1000 über der der diagnostischen Sonographie.

    "Mit derartigen, stark fokussierten Ultraschallwellen lassen sich Tumore im Körperinneren behandeln, ohne dass dazu operiert werden muss", so die Expertin. Überdies bleibe dabei gesundes Gewebe zwischen dem Sonographen und dem Tumor völlig intakt, während es bei anderen Verfahren wie etwa der Bestrahlung mit Lasern oder Mikrowellen in Mitleidenschaft gezogen wird. Zwar stehe die neue Methode noch in einem sehr frühen Stadium, aber sie sei dennoch auf gutem Wege, zu einer neuen Art von Krebstherapie zu reifen. Der Effekt des "Killerschalls" beruht auf seiner enormen Leistung: wie durch eine Linse fokussiertes Licht versetzt der Ultraschall das Wasser in Zellen und somit auch die Zielzellen selbst in Schwingung und erwärmt sie so immer weiter. Sobald eine Sekunde lang Temperaturen von 60 Grad Celsius erreicht werden, verklumpen die Eiweiße und die Zellen gehen zugrunde - Tumore werden quasi wie ein Ei gekocht. Das Immunsystem baut schließlich das amorphe Gewebe ab und entsorgt die Reste.

    In Großbritannien wurden mittlerweile knapp 100 Patienten, die an Leber- oder Nierenkrebs leiden, mit dem neuen Verfahren behandelt. Erste Ergebnisse der neuen Behandlung seien äußerst vielversprechend. Allerdings ist derzeit noch unklar, wie die Langzeitprognose ausfällt. Geal te Haar zeigt sich trotzdem optimistisch, denn besonders aus China, bereits 3000 Krebspatienten derart therapiert wurden, werden sehr positive Erfahrungen gemeldet. Daneben erhielten die Patienten allerdings zusätzlich noch eine Strahlen- oder Chemotherapie. Daher lasse sich aus den Ergebnissen nicht exakt ermitteln, inwiefern Therapieerfolge auf den Ultraschall zurückzuführen seien. Ein besonderer Vorteil ist aber offensichtlich: der Patient merkt von der Behandlung so wenig, dass in den meisten Fällen nicht einmal eine Narkose vonnöten ist. Andererseits lassen sich mit den garenden Schallwellen Tumore, die sich hinter Knochen - also etwa im Schädel - verbergen, nicht erreichen. "Ich will hier keine Heilversprechungen abgeben. Aber ich bin davon überzeugt, dass es Krebsarten gibt, bei denen Ultraschall einmal die Therapie revolutionieren wird. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg", hofft die britische Physikerin.

    [Quelle: Ralf Krauter]