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Mit vielen Hürden verbunden

"Aufstieg durch Bildung" propagieren die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin auf dem Bildungsgipfel. Der Weg zum Aufstieg führt über das Studium, und das müsse auch für Menschen ohne Abitur möglich sein. In der letzten Woche hat die Hochschulrektorenkonferenz in einer Entschließung gefordert, dass die Länder einheitliche Regeln für den Hochschulzugang Berufstätiger beschließen sollen. Fragt sich, ob das in der Praxis viel ändert.

Von Karl-Heinz Heinemann |
    "Dass wir mehr Absolventen brauchen, in Deutschland, ich denke das ist uns allen klar.."

    und deshalb sollen nicht nur Abiturienten studieren, sondern auch diejenigen, die nach dem Realschul- oder sogar Hauptschulabschluss erfolgreich eine Berufsausbildung absolviert haben, meint Margret Wintermantel, die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Die Mitgliederversammlung der HRK forderte in der vergangenen Woche:

    " Absolventen einer beruflichen Erstausbildung erhalten Zugang zu einem Studiengang, der zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss führt, also normalerweise den Bachelor, wenn sie einen von der Hochschule geregeltes Zulassungsverfahren erfolgreich durchlaufen haben."

    Auf dem Papier gibt es diesen Zugang zum Studium in allen Bundesländern schon lange, wenn auch mit unterschiedlichen Zulassungsregeln. Bisher kommt gerade mal ein Prozent der Studierenden über den dritten Bildungsweg an die Hochschule, also ohne Abitur, aber mit einer Berufsausbildung. An den Universitäten sind es noch weniger, dafür an den Fachhochschulen etwas mehr. In vielen Bundesländern können Meister und die Absolventen anderer höherwertiger Berufsabschlüsse als Facharbeiter oder Geselle ohne Zusatzprüfung in ihren einschlägigen Fächern studieren, ein Elektro-Meister kann Elektrotechnik studieren, aber nicht Sozialarbeit oder Architektur.

    Der 28-jährige Elektro-Meister Stefan Schön zum Beispiel wird Elektroingenieur an der Kölner Fachhochschule. Die größte Hürde war für ihn, überhaupt an die richtigen Informationen heran zu kommen:

    "Errst einmal muss man überhaupt wissen, dass es geht. Das habe ich nur beiläufig erfahren auf der Meisterschule, und habe dann mal die Fachhochschulen angerufen, weil im Internet ist das alles etwas schwierig herauszubekommen, ob das geht, das ist auch vage formuliert teilweise, etwas genaueres habe ich dort nicht gefunden. Aber so einen Anruf, das ging Ruckzuck, dann war die Sache geklärt."

    Im Studium merkte er dann, dass er mit seinen Mathekenntnissen nicht recht weiter kam - doch an der Kölner Fachhochschule bekam er einen Zusatzkurs, um seine Defizite auszugleichen.

    Sehr viel schwieriger ist es, ohne Meisterbrief an die Uni zu kommen. Der 28-jährige Zimmermann Christian Ellend hat es in Köln versucht. Nur mit Hilfe eines befreundeten Professors hat er den Weg durch den Informationsdschungel gefunden. Er musste eine Zulassungsprüfung ablegen:

    "In der Prüfung wurde geprüft, ein Fach, das enthielt besonders Wirtschafts- und politische Fragen, Mathematik, Englisch und eine ausgedehnte mündliche Prüfung in dem entsprechenden Studienfach."

    Die Prüfung ist hart - da können Professoren die Standards anlegen, die sie von Abiturienten erwarten, die aber nach Meinung vieler Hochschullehrer auch von denen äußerst selten erreicht werden. An der Kölner Uni haben in den letzten drei Jahren etwa 60 Berufstätige sich an der Zulassungsprüfung versucht, ganze drei haben bestanden, und zwei sind an der Uni angekommen, unter 60 000 Studenten, also weit weniger als ein Promille. Zur Prüfungsvorbereitung bekam Christian Ellend ein paar gute Ratschläge - mehr nicht:

    "Ihr wisst, worin ihr geprüft werdet. Ihr könnt euch am Zentralabitur des Landes Nordrhein-Westfalen orientieren, wenn ihr irgendwelche Fragen zum Inhalt habt, wendet euch bei Learn-Line im Internet an die Leute und das ist es in etwa, was abgefragt wird, und ja, lernt! Autodidaktisch!"

    Man hat nicht den Eindruck, dass die Uni brennend an diesen Seiteneinsteigern interessiert ist. Falsch, sagt HRK-Präsidentin Margret Wintermantel:

    "Es ist natürlich auch so, dass, wenn man das stärker fördern möchte, man irgendwie auch Zusatzangebote machen müsste in den Hochschulen. Dazu sind die Hochschulen auch bereit, aber das ist auch wieder eine Finanzierungsfrage. Das kostet natürlich auch wieder Geld. "

    Mehr Transparenz bei den Zulassungsbedingungen - das könnte mehr Berufstätige an die Hochschule locken. Viel wichtiger noch wären kleine Gruppen und bessere Beratung und Betreuung, das würde nicht nur den Studierenden ohne Abi beim Weg zum Examen helfen.