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Mit Vitamin B zum Arbeitsplatz

Trotz Personalbüro, Assessment-Center und Vorstellungsgespräch - ein Viertel aller Jobs wird über persönliche Bekanntschaften vergeben. Das geht aus einer Studie hervor. Laut Studienautor Martin Dietz ist das Vitamin B in kleinen Firmen aber wichtiger als in Großbetrieben.

Martin Dietz im Gespräch mit Manfred Götzke | 21.12.2011
    Manfred Götzke: Urlaub machen bei guten Freunden, unbekümmertes Profitieren von Freund- und Seilschaften – all das ist ja momentan so ein bisschen in Verruf geraten, zumindest auf höchster politischer Ebene. Aber vielleicht messen wir auch nur mit zweierlei Maß, denn außerhalb des Schlosses Bellevue wird auch heiter genetzwerkt, bei der Jobsuche zum Beispiel. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat in einer Studie die Frage aufgeworfen, wie die Menschen an ihre Jobs kommen, und festgestellt: Ein Viertel aller Jobs wird über Vitamin B vergeben, also über persönliche Bekanntschaften. Martin Dietz ist einer der Autoren der Studie. Herr Dietz, ein Viertel der Jobs über Vitamin B – das sind ja Zustände wie in Wulffs Hannover!

    Martin Dietz: Na ja, also grundsätzlich haben wir die Betriebe tatsächlich befragt, wie sie denn Stellen besetzen, wie sie überhaupt suchen nach neuem Personal, und klar ist, dass man natürlich sichergehen möchte wenn man jemanden neu einstellt, dass er auch ins Team passt, dass er zum Arbeitgeber passt. Und da verlässt man sich häufig natürlich auf die eigene Meinung, wenn man vielleicht Personen kennt, die infrage kommen, oder fragt halt auch mal Mitarbeiter, ob sie nicht jemanden kennen, den sie empfehlen können. Und von daher ist es eigentlich eine ganz normale Sache, die wir ja auch im eigenen Leben gut kennen.

    Götzke: Das Problem ist ja so ein bisschen der Mangel an Objektivität, wenn es um persönliche Kontakte geht. Eigentlich hätte man ja gedacht, das war vielleicht in den 70er-, 80er-, vielleicht noch 90er-Jahren so, aber das Ganze, die Personalauswahl hat sich so ein bisschen professionalisiert, mit Assessment-Centern, mit dem Aufkommen des Personalers. Aber so richtig ist dann doch wohl nicht eingetreten.

    Dietz: Da muss man glaube ich tatsächlich ein bisschen unterscheiden, in welchen Segmenten man sich bewegt. Also man sieht beispielsweise bei Großbetrieben, dass diese persönlichen Kontakte deutlich weniger wichtig sind, als es beispielsweise bei Kleinbetrieben ist. In Kleinbetrieben sind die sozialen Bindungen zwischen den Mitarbeitern natürlich auch viel stärker, und da ist der persönliche Eindruck und vielleicht auch die persönliche Empfehlung deutlich wichtiger als bei Großbetrieben, wo man ja tatsächlich formalisiertere Auswahlprozesse hat und man tatsächlich dann sozusagen auch Personalabteilungen zwischengeschaltet hat. All das wird es bei Kleinstbetrieben halt nicht geben, und für die Kleinstbetriebe und auch für Stellen, die beispielsweise eher im unteren Qualifikationssegment sind, für einfache Tätigkeiten ist so ein Besetzungsweg über Empfehlung halt ein einfacher und unbürokratischer Weg.

    Götzke: Auf der anderen Seite besteht natürlich immer die Gefahr, dass nicht der Beste den Job bekommt, sondern der beste Freund des Chefs oder des Personalers.

    Dietz: Wobei ich denken würde, dass gerade bei größeren Unternehmen da doch die Gefahren gering sind, denn da werden natürlich auch Bewerbungsunterlagen angeguckt, da wird man natürlich auf die Qualifikation achten, und jeder, der sozusagen eine neue Person einstellt, wird ja auch daran gemessen, ob diese Person gut ist. Das heißt, eigentlich kann man es sich auch nicht leisten, jemanden einzustellen, den man persönlich gut kennt, der aber fachlich einfach nichts drauf hat.

    Götzke: Nur jede siebte Stelle wurde über die Arbeitsagenturen besetzt, haben Sie herausgefunden. Da könnte man jetzt sagen: Die machen ihre Arbeit nicht gut.

    Dietz: Na ja, zunächst mal ist es ja so, dass die Arbeitsagenturen nur Stellen besetzen können, die ihnen auch von den Betrieben genannt werden, das heißt, die Betriebe entscheiden ja, über welche Wege sie Stellen besetzen, und es gibt sicherlich Stellen, bei denen die Arbeitsagenturen häufiger angesprochen werden – das ist im mittleren und im unteren Qualifikationssegment so –, bei Hochqualifizierten beispielsweise ist es schlicht und einfach so, dass man bei den Arbeitslosen auch nur etwa fünf Prozent hat, die halt einen akademischen Abschluss haben. Und da sehen viele Betriebe davon ab, überhaupt die Arbeitsagentur auch einzuschalten.

    Götzke: Es gibt noch ein anderes spannendes Ergebnis Ihrer Studie: Sie haben herausgefunden, dass Leiharbeit eher selten zu einer Festanstellung führt. Nur 2,8 Prozent der Besetzungen kommen von der Leiharbeit. Kann man daraus folgern, dass Leiharbeit für Arbeitslose höchstens eine Chance auf prekäre Beschäftigung in der Leiharbeit bedeutet?

    Dietz: Na ja, zunächst muss man sagen, dass natürlich auch nur ein gewisser, relativ geringer Anteil an Betrieben überhaupt Leiharbeiter einsetzt, das heißt, die Möglichkeit auf eine Stelle über einen Zeitarbeiter oder Leiharbeiter zu besetzen, der schon im eigenen Betrieb ist, die gibt es auch nur für einen geringen Anteil der Betriebe überhaupt. Das heißt, diese 2,8 Prozent muss man in diesen Zusammenhang setzen. Was wir auch wissen, ist, dass beispielsweise die Erfolgsquote, das heißt, wenn denn Betriebe Leiharbeiter überhaupt ins Visier nehmen, um sie weiter zu beschäftigen, dass die Erfolgsquote dann relativ groß ist. Das heißt, wenn man gezielt versucht, über Leiharbeiter auch Übernahmen in normale Beschäftigungsverhältnisse anzugehen, dann ist das auch kein schlechter Weg. Aber es ist insgesamt halt keiner, der eine große Bedeutung hat in Deutschland.

    Götzke: Das Problem ist ja, dass die Unternehmen das in den seltensten Fällen so sehen, dass sie das so nutzen.

    Dietz: Tatsächlich ist es so, dass diese Klebeeffekte bei Leiharbeitnehmern relativ gering sind, das heißt, die Übernahmen aus einem Leiharbeitsverhältnis in ein normales Beschäftigungsverhältnis. Das sind Ergebnisse, die man auch schon längere Zeit aus anderen Studien kennt, die man jetzt also nicht aus unserer Befragung direkt ableiten kann. Es ist aber tatsächlich natürlich immer die Frage, ob denn Zeitarbeit, das heißt, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung immerhin, nicht doch besser ist als Arbeitslosigkeit. Da bewegt man sich in so einem Bereich, in dem man dann tatsächlich die Alternativen Arbeitslosigkeit, Normalbeschäftigung und Zeitarbeit gegeneinander abwägen muss.

    Götzke: Sie haben diesen Klebeeffekt ja gerade angesprochen. Wenn es den so nicht gibt oder zu wenig gibt, dann zieht doch eigentlich auch das Argument nicht mehr, dass der Leiharbeiter wesentlich weniger verdient als ein vergleichbar Qualifizierter im Entleihbetrieb.

    Dietz: Zumindest ist es, also wenn man sich jetzt die Lohndifferenziale anguckt, natürlich schon so, dass man zumindest eine Zeit lang argumentieren kann, dass Personen, die neu im Betrieb sind, die vielleicht nicht so eingearbeitet sind, Abläufe noch nicht so kennen, auch entsprechend weniger entlohnt werden als Personen, die schon länger da sind, die Betriebsabläufe kennen, das spezifische Wissen halt haben. Die Diskussion geht ja eher dahin, dass man sagt: Wenn jetzt Personen längere Zeit an einen Betrieb entliehen werden und da arbeiten und sich dann entsprechend das Wissen aneignen im Laufe der Zeit, dass man dann auch zum Equal Pay, also zum gleichen Lohn im Endeffekt kommen möchte.

    Götzke: Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat Unternehmer gefragt, wie sie ihre Mitarbeiter rekrutieren und unter anderem festgestellt: Ein Viertel wird über persönliche Kontakte ins Unternehmen geholt. Martin Dietz hat uns das erklärt, vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.