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Mit Website gegen Wartefrust

Der Frust über die S-Bahn im Großraum Berlin wächst und wächst: Zu wenige Züge, die nicht gewartet werden und keiner, der die Fahrgäste über Verspätungen und Ausfälle informiert. Potsdamer Studierende wollen dem Chaos bei der Berliner S-Bahn nun ein Projekt entgegenstellen.

Von Thomas Matsche |
    "Ich muss jeden Tag nach Potsdam fahren und es ist einfach eine Katastrophe. Man kann sich eigentlich nur noch auf die Regionalbahn verlassen, die nichts mit der S-Bahn zu tun hat. Das macht einfach keinen Spaß. Und ich sehe es auch nicht ein, dafür mehr Geld bezahlen zu müssen. Also das ist eigentlich der Höhepunkt dessen, wo man nur noch den Kopf schütteln kann."

    So wie dieser Berliner S-Bahn-Passantin ergeht es täglich vielen in Berlin und Umgebung. Auch den Studierenden der Potsdamer Uni, die auf die S-Bahn angewiesen sind. Wenn S-Bahn-Züge zu spät kommen oder ganz ausfallen, fällt auch so manches Seminar flach. Aus dieser Not hat der Wirtschaftsinformatiker Professor Norbert Gronau von der Uni Potsdam, wenn man so will, eine Tugend gemacht. Zusammen mit fünf Studierenden entwickelte er im Rahmen eines Seminars die Webseite zugausfall.de. Dort können Fahrgäste von nun an Verspätungen oder Zugausfälle der Berliner S-Bahn ganz einfach übers Handy melden.

    "Wir wollten ein Web 2.0 Projekt machen. Wir wollten den Studierenden klarmachen, dass durch die Beteiligung der Benutzer, in diesem Fall der Fahrgäste, ein Mehrwert an Informationen geschaffen werden kann. Wir haben über 20.000 Zugriffe schon auf die Webseite, die erst seit wenigen Tagen online ist. Und wir haben auch im Forum einige Stellungnahmen, die auf die vielen Schwierigkeiten, die die S-Bahn hat, sehr schön hinweisen."

    BWL-Student Marc Schwinzer liest aus einem Forumseintrag vor.

    "Der erste Autor ist Mario und der ist vom S-Bahnhof Spandau nach U-Bahnhof Kochstrasse gefahren und hatte eigentlich nur 57 Minuten gebraucht und hat 99 gebraucht und da sieht man auch schon das ist fast die doppelte Fahrzeit."

    Wer unterwegs aktuelle Verspätungen und Ausfälle melden möchte, nimmt sein Smartphone zur Hand und gibt auf zugausfall.de seine S-Bahn-Linie und die Verspätungszeit ein. Wenn ganz viele Nutzer, die auf der selben Linie unterwegs sind, das auch machen, ermittelt eine Software eine Durchschnittsverspätung und zeigt sie in einem Live-Ticker auf der Seite an. Informationen, die der S-Bahn-Gast sonst nirgendwo bekäme, kritisiert Norbert Gronau.

    "Die S-Bahn hat lange geglaubt, dass sie das Problem beschwichtigen, ignorieren oder kleinreden kann. Wir betreiben hier auch Unternehmensführung in der Lehre und in der Forschung und aus Sicht der Unternehmensführung ist hier ein klassisches Problem der fehlenden Wahrnehmung der Größe der Probleme. Und man hofft, dass der Auftraggeber also die Länder Berlin und Brandenburg weiterhin für eine schlechte Leistung viel Geld bezahlen."

    Beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, einem Länderunternehmen, gibt man sich allerdings kämpferisch. In den letzten zwei Jahren seien von den 550 Millionen Euro Steuergelder, die die beiden Länder an die S-Bahn hätten zahlen müssen, 90 Millionen einbehalten worden. Die Strafe hat jedoch nichts genützt. Im Dezember seien an manchen Tagen sieben von zehn Zügen unpünktlich gewesen. Da greift man schnell nach jedem Strohhalm. Auch wenn es ein studentisches Kommunikationsportal ist, das die täglichen Probleme der S-Bahn dokumentiert. Verkehrsverbund-Geschäftsführer Hans-Werner Franz.

    "Also ich freue mich, dass hier Studenten Initiative ergriffen haben und einen wirklichen Mangel aufgegriffen haben. Und ein Lösungsansatz entwickelt wurde. Das ist eine sehr gute Sache, die mit dem wirklichen Leben zu tun hat. Das heißt: Wir sind Hunderttausende Berliner und Brandenburger, die jetzt leiden unter den ständigen Verspätungen, unter den Zugausfällen und eine solche zusätzliche Information kann nur helfen."

    Im Gegensatz zur Deutschen Bahn wird sich Hans-Werner Franz mit den Studierenden treffen und über ihre Ergebnisse sprechen. Die Potsdamer Wissenschaftler denken aber auch schon über eine Erweiterung des Projekts im nächsten Semester nach. Thema dann: Alternative Reiserouten in Berlin – ohne S-Bahn.