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Mitbringsel vom Mond

Astrophysik.- Noch vor gut 40 Jahren glaubte die Wissenschaft, Planeten entstünden in kalten Staubwolken. Gesteinsproben, die Neil Armstrong und seine Mitstreiter 1969 vom Mond mitbrachten, sprechen eine andere Sprache.

Von Dagmar Röhrlich |
    Als Neil Armstrong und Buzz Aldrin über den Mond liefen, war Jeff Taylor noch Student:

    "Meine Frau und ich, wir hatten damals zwei Babys. Wir waren bei Freunden, um das Ereignis zu verfolgen. Ich sehe immer noch den Fernseher vor mir, mit einer Kinderwiege davor - und da flackerten diese geisterhaften Bilder vom Mond über den Schirm."

    Damals forschte Jeff Taylor über Meteoriten. Inzwischen ist er Professor am geowissenschaftlichen Institut der Universität von Hawaii und enträtselt die Geschichte anderer Planeten:

    "Die Gesteinsproben vom Mond haben unsere Sicht, wie Planeten entstehen, revolutioniert. Zuvor hatten wir geglaubt, dass sie sich in einer kalten Staubwolke bilden und erst durch den radioaktiven Zerfall langsam aufheizen. Zwar war Apollo 11 in einem Einschlagskrater gelandet, aber in dem dunklen Kratergestein steckten weiße Einsprengsel, die von den hellen Hochebenen des Monds stammen. Und diese weißen Einsprengsel bewiesen uns, dass die Geschichte des Monds sehr heiß begann, vielleicht sogar als vollkommen geschmolzene Magmakugel."

    Der Grund: Die weißen Einsprengsel bestanden ganz und gar aus einem Mineral namens Feldspat. Das ist sehr leicht, und von der Erde wussten die Geologen, dass es in Gesteinsschmelzen aufschwimmt:

    "Die Idee war nun, dass diese Minerale auch auf einem mondweiten Magma-Ozean aufgeschwommen sind und beim Erstarren die hellen Hochebenen erschufen - das ist sehr fantasievoll. Schade, dass die Idee nicht von mir war."

    Bislang widerspricht kein Befund dieser Theorie - aber bewiesen ist sie noch nicht. Andere Quellen verrieten etwas über die chemische Zusammensetzung des Monds unter der Oberfläche: nämlich die seismischen Stationen, die die Astronauten aufbauten. Sie lieferten unter anderem die Erkenntnis, dass der Mond weniger Eisen enthält als die Erde. Das Wissen sammelte sich an - und schließlich gelang ein weiterer Durchbruch: eine bislang schlüssige Theorie zur Entstehung des Mondes.

    "1984 wurde in Hawaii eine Konferenz abgehalten. Bei der wurde die Idee populär, dass der Mond bei der Kollision eines etwa marsgroßen Planeten aus der Erde herausgeschlagen worden ist."

    Inzwischen werden die Apollo-Proben mit modernen Hightech-Geräten untersucht. Wie zur Entzifferung der frühen Erdgeschichte nutzt man auch für den Mond Zirkonminerale. Die kristallisieren in Magmen und sind so dauerhaft, dass sie eine Art Planeten- oder Mond-Gedächtnis bilden. Deshalb wird ihr Alter mit hochgenauen Datierungsmethoden bestimmt:

    "Die Zirkone erwiesen sich als überraschend alt. Dabei sehen wir in den Datierungen Cluster, die bei 4,3, 4,2 und 4,1 Milliarden Jahren liegen. Es sieht so aus, als ob der Mond entweder im Lauf seiner Abkühlung immer wieder einmal Phasen erlebte, in denen sich in seinem Inneren noch einmal Magma bildete, oder es gab in seiner frühen Geschichte alle 100 Millionen Jahre eine Art Meteoritenregen, der weite Teile der Oberfläche aufschmolz. Die Diskussion darüber ist jedoch noch sehr kontrovers, weil wir das noch nicht verstehen. Wir wissen noch nicht alles."

    Weil die Apollo-Proben nur von sechs Landeorten stammen, die alle auf der Mond-Vorderseite und äquatornah lagen, könnte der Effekt auch ein Artefakt sein, betont Jeff Taylor. Das werde auch für ein anderes Ereignis diskutiert, das anhand der Apollo-Proben entdeckt worden war: das Große Kosmische Bombardement, bei dem vor rund 3,9 Milliarden Jahren Kometen und Planetenkeime von weiter draußen das innere Sonnensystem regelrecht beschossen haben sollen.

    Allerdings könnten die Krater, die die Astronauten besucht haben, auch alle einen gemeinsamen Ursprung haben: Dann wären sie lediglich Nebenkrater eines einzigen, riesigen Einschlags - und das Große Kosmische Bombardement hätte es so nie gegeben. Um die Frage endgültig zu klären, helfe nur eines, so Jeff Taylor: neue Proben von überall auf dem Mond.