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Mitlesender Text

Informationstechnologie. - Die Frankfurter Buchmesse bietet schon lange sehr viel mehr als Bücher. Ein Computerprogramm, bei dem das Lesen von Texten im Mittelpunkt steht ist Text 2.0, vorgestellt von einem jungen Forscher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz.

Von Pia Grund-Ludwig | 17.10.2009
    Mehr als ein E-Book war auf der Frankfurter Buchmesse auf dem Stand des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, des DFKI zu sehen. Text 2.0 nennt DFKI-Forscher Ralf Biedert sein Produkt. Er zeigt damit Texte so, dass diese dem Leser mehr Nutzwert oder auch nur einfach mehr Vergnügen bieten. Dazu setzt er leistungsstarke Kameras ein, die die Stelle des Bildschirms die Leserinnen und Leser schauen, so genannten Eye-Tracker. Die erkennen die Augenbewegungen desjenigen, der vor dem Rechner sitzt. So können die Betrachter das System mit ihren Augen steuern. Wenn sie weiterlesen wollen, schauen sie auf Pfeiltasten am unteren Ende des Bildschirms. Dann erscheint der nächste Abschnitt. Die Kamera erkennt auch, bei welcher Stelle eines Textes die Leser sind. Dort gibt es bei Text 2.0 je nach Einsatzfeld Unterhaltung oder Zusatzinformationen. Der Text wird intelligent angereichert, erklärt Biedert:

    "Text 2.0, das wir hier auf der Buchmesse vorstellen, ist unsere Vision wie Text, der weiß dass er gelesen wird, sich entwickeln kann. Wir haben da zwei verschiedene Teilprojekte identifiziert. Das eine würden wir als augmented Text bezeichnen, wo es einem Autor möglich ist, Text zu annotieren und zu sagen, wenn ein Leser an dieser Stelle vorbeikommt, dann spiele einen Sound ein. Zum Beispiel wenn ich Dracula lese, dann könnte ich das Windrauschen hören, wenn ich an dieser Seite vorbeikomme."

    Die Geschichte des Grafen Dracula hat aber natürlich noch mehr schauerliche Geräusche zu bieten. Bei den Besuchern der Buchmesse kam nicht nur die Dracula-Dramatik gut an. Begeistert hat die 25-jährige Menja Scheer, die das Systeme ausprobiert hat auch, wie gut die Steuerung des Rechners mit den Augen funktioniert:

    "Man hat nur einfach nur draufgeschaut zum runtersrcollen, das war schon sehr beeindruckend, dass das so einfach funktioniert, nur über Blicke in bestimmte Richtungen."

    Ralf Biedert:

    "Da war die Idee, einfach nur Entertainment zu haben, dass man beispielsweise ein multimediales Βuch hat, ein Hollywoodbuch. Für das augmented Reading haben wir eher eine Zielgruppe im Unternehmensbereich beispielsweise, wenn sie viel am Bildschirm lesen, wenn sie viel mit wissenschaftlichen Dokumenten zu tun haben, dass man da schneller und effizienter arbeitet."

    Augmented Reading nennt der Forscher das, also angereichertes Lesen. Das funktioniert ohne Geräusche, aber auch mit Steuerung durch Blicke. Damit könne man die Verfahren nutzen, um einen Text besser zu erschließen, meint Biedert:

    "Wenn ich ein schwieriges Konzept habe, an dem ich hänge, und Wikipedia-Informationen direkt eingeblendet bekomme, das ist eine so genannte intelligente Fußnote, dass ich Übersetzungen on the fly bekomme, wenn ich irgendwo an einem schwierigen Wort hängen bleibe, dass ich dann eine kleine Übersetzung bekomme, ich habe automatische Lesezeichen, wenn ich weggucke oder weggehe und komme wieder zurück, kann ich genau an der Stelle weitermachen an der ich aufgehört habe."

    Macht man eine Lesepause und schaut anschließend wieder auf den Bildschirm, dann steht ein roter Pfeil genau da, wo man vorher aufgehört hat zu lesen. Bleibt der Leser an langen zusammengesetzten und schwer verständlichen Wörtern hängen, dann zerlegt das System sie in besser verständliche Happen. Doch es unterstützt nicht nur Langsamleser, sondern auch Menschen, die sich Texte ganz schnell aneignen wollen und ihn dazu nur überfliegen, sagt Biedert.

    "Sie haben einen Text, der sieht ganz normal aus. Wenn Sie ihn lesen, werden Sie erst einmal keinen Unterschied feststellen, wenn Sie ihn überfliegen, wenn Sie schneller werden, werden unwichtige Wörter ausgeblendet, beispielsweise Konjunktionen oder Artikel, alles, was nicht wirklich notwendig ist, was eigentlich der Inhalt dieses Textes ist."

    Je schneller die Augen über den Text fliegen, desto mehr verschwindet im Hintergrund. Wichtige Begriffe sind in satter Schrift, unwichtige dünner und dunkler. Ziel der Entwicklung von Text 2.0 ist es zu zeigen, wie das Verfolgen der Augenbewegungen zur Erfassung oder multimedialen Aufbereitung von Texten benutzt werden kann. Eine Jedermann-Technologie ist es aber noch lange nicht. Dazu sind die Systeme, die die Bewegungen der Augen verfolgen, noch viel zu teuer. Sie kosten im Moment noch zwischen 17.000 und 25.000 Euro. Erst wenn sie so billig werden wie Webcams heute gäbe es wirklich einen breiten Markt für solche Programme.