Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Mittelmeerklima in Südhessen

Die fortschreitende Erwärmung der Erde ist nicht mehr aufzuhalten, allenfalls abzuschwächen. Deshalb stehen in vielen Teilen der Welt neben Klimaschutzmaßnahmen vor allem auch Anpassungsstrategien im Vordergrund. So auch in Südhessen: Dort erforscht ein Netzwerk aus Wissenschaftlern seit zwei Jahren die Folgen für die Landwirtschaft und vor allem für den Weinbau.

Von Ludger Fittkau | 22.02.2007
    Im Weinberg von Reinhard Antes steht seit wenigen Tagen eine neue Informationstafel. Auf ihr sind nicht die klassischen Weinsorten erläutert, die er oberhalb der Stadt Heppenheim an der Hessischen Bergstraße anbaut. Sondern unter dem Logo des UNESCO-Geoparks, der die Bergstraße und den Odenwald umfasst, wird über den Klimawandel informiert. Für Reinhard Antes, den Vorsitzenden der Bergsträßer Winzergenossenschaft, seit Jahren ein Thema. Er erklärt, warum das Schild gerade hier, in seinem Weinberg auf dem Heppenheimer Steinkopf steht:

    "Deshalb an diesem Punkt, weil hier auf dem Heppenheimer Steinkopf die Auswirkungen des Klimawandels schon zu sehen sind, es sind gerade südeuropäische Rebsorten wie Merlot oder Cabernet Sauvignon hier schon angepflanzt, und zwar mit sehr gutem Erfolg."

    Merlot statt Müller-Thurgau, Cabernet Sauvignon statt Silvaner - die Winzer an der Bergstraße sehen den Klimawandel mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Reinhard Antes freut sich schon, auf erst einmal anderthalb Hektar südländische Weine anbauen zu können - aber:

    "Der negative Aspekt sind andere Folgen des Klimawandels, dass aufgrund größerer Trockenheit dann im Sommer das Wasser fehlt, die Erträge werden wahrscheinlich mengenmäßig niedriger ausfallen und ein weiterer Nachteil ist natürlich das Einwandern von Schädlingen, die mit diesen Rebsorten und mit diesem Wandel von Südeuropa nach Nordeuropa durchwandern."

    Die Grüne Rebzikade, die jetzt in deutschen Weinbergen Schäden anrichtet, gab es früher nur südlich der Alpen, ebenso bestimmte schädliche Pilzsorten. Der künftige Wassermangel ist ein weiteres Thema von Klara-Net, einem von der TU Darmstadt koordinierten Projekt, in dem man sich wissenschaftlich mit den Folgen des Klimawandels für die Region auseinandersetzt. Im Weinbau wird inzwischen auch über Bewässerungsmethoden diskutiert, die bisher vor allem aus dem Mittelmeerraum bekannt sind. Die Tröpfchenbewässerung zum Beispiel, wie Professor Hans- Rainer Böhm vom Fachgebiet Umwelt- und Raumplanung der Darmstädter Universität erläutert:

    "Die Tröpfchenbewässerung hat den enormen Vorteil, dass man bewässern kann, ohne zuviel Wasser zu geben. Was einerseits die Verdunstung reduziert und damit auch die Salzbildung und andererseits auch den Wasserhaushalt nicht zu sehr beeinträchtigt. Viele werden das im Urlaub in den Mittelmeerländern kennen, dass in den Gärten ihrer Ferienhäuser diese feien Schläuche liegen, durch die diese Tröpfchenbewässerung stattfindet."

    Die Raumplanerin Lena Herlizius koordiniert die Arbeitsgruppen, in denen südhessische Weinbauern, Landwirte, Tourismusexperten gemeinsam mit den Wissenschaftlern der TU Darmstadt die praktischen Konsequenzen des Klimawandels diskutieren. Vor allem die zu erwartenden heißen Sommer in einer der ohnehin wärmsten Regionen Deutschlands stellt die Praktiker vor große Herausforderungen, so Lena Herlizius:

    "Gerade für die Landwirtschaft wird es da schwierig werden, in der Forstwirtschaft sind die Akteure schon relativ weit und überlegen sich auch, wie ist es zum Beispiel mit neuen Baumarten. Die Kiefer wird zum Beispiel hier arge Probleme bekommen, weil es einfach dann zu warm wird. Da gibt es Überlegungen, auch stärker wieder Eichen anzupflanzen. Auf jeden Fall ist die Wasserproblematik ein zentrales Thema innerhalb des Projektes."

    Im Weinbau will man den künftig erwarteten extrem heißen Sommern nicht nur mit Bewässerung begegnen. Gemeinsam mit Biologen arbeiten die Winzer an neuen, angepassten Weinbau-Techniken. Reinhard Antes:

    Es ist auch nicht so, dass wir unvorbereitet sind. Es werden Versuche unternommen, mit speziellen Unterlagen, die trockenresistenter sind, also die Trockenphasen im Sommer besser überstehen oder auch mit speziellen Selektionen dieser Rebsorten in Deutschland, so dass wir da drauf eine Antwort haben. Insgesamt haben wir natürlich keine Antwort.

    Doch trotz des Unbehagens, das die letztlich schwer berechenbaren Folgen des Klimawandels auch bei Reinhard Antes auslösen - er wäre kein guter Chef der Bergsträßer Winzergenossenschaft, wenn er nicht auch eines betonen würde:

    "Der Verbraucher braucht jetzt nicht mehr südlich der Alpen zu suchen, der kann hier in Deutschland bleiben und findet eigentlich tolle Weine, während man von der Prognose her sagt, dass gerade Südeuropa manche Anbaufläche verlieren wird."