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"Mittelständler suchen Akademiker zum Teil händeringend"

Vom derzeitigen Aufschwung profitieren vor allem die Akademiker, meint Marion Rang von der Bundesagentur für Arbeit in Bonn. Zu den großen Gewinnern gehören nicht nur Ingenieure und IT-Experten, sondern auch die Geisteswissenschaftler. Rang rät Absolventen, sich vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen zu bewerben. Diese suchten derzeit händeringend Akademiker.

Moderation: Kate Maleike |
    Kate Maleike: 3.433.639 Menschen waren Anfang Oktober in Deutschland arbeitslos gemeldet, das entspricht einer Quote von 8,2 Prozent. Auch wenn diese Zahlen für sich gesehen nach wie vor hoch und ernst sind, die konjunkturellen Rahmenbedingungen haben sich positiv auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Was heißt das nun für den aktuellen Akademiker-Arbeitsmarkt? Schlägt sich der Aufschwung auch hier spürbar nieder, und welche Trends sind zu verzeichnen? Alles Fragen, mit denen sich Marion Rang beruflich beschäftigt. Sie ist nämlich bei der Bundesagentur für Arbeit bei der zentralen Auslands- und Fachvermittlung in Bonn tätig. Guten Tag, Frau Rang!

    Marion Rang: Guten Tag, Frau Maleike!

    Maleike: Kann man generell sagen, dass der Aufschwung sich auch auf den Arbeitsmarkt speziell für Akademiker durchgeschlagen hat, und wenn ja, wie?

    Rang: Das kann man durchaus so sagen, vermutlich noch stärker als auf den Durchschnittsarbeitsmarkt. Das kann man zum Beispiel daran erkennen, dass in den einzelnen akademischen Berufsgruppen die Arbeitslosenzahlen doch schon recht drastisch im vergangenen Jahr gesunken sind, zum Teil bis zu 30 oder auch über 30 Prozent innerhalb eines Jahres. Und man kann es auch an einem Stellenplus erkennen, das nicht ganz so dramatisch ausgefallen ist, aber doch deutlich ausgefallen ist.

    Maleike: Zunächst mal vielleicht die großen Gewinner - welche sind das denn?

    Rang: Die großen Gewinner sind neben den üblichen Verdächtigen, wie zum Beispiel den Ingenieuren oder den IT-Experten, die zurzeit tatsächlich, zumindest punktuell, zu den Mangelberufen gehören, also zu den Berufen mit einer starken Bewerberverknappung. Aber neben diesen großen Berufen und sehr gefragten Berufen gehören zu den großen Gewinnern zurzeit auch die Berufe, die immer so ein wenig die Sorgenkinder gewesen sind, zum Beispiel die Geisteswissenschaftler. Da hatten wir im vergangenen Jahr einen Rückgang der Arbeitslosigkeit um 22 Prozent. Das ist eine gewaltige Prozentzahl, wenn man mit früheren Jahren vergleicht, wo es immer einen Anstieg sogar gegeben hat der Arbeitslosenzahlen.

    Und ähnlich sieht es bei den Sozialwissenschaftlern aus, da gibt es einen Rückgang um 23 Prozent von 2006 auf 2007, oder bei den Chemikern minus 21 Prozent, also alles im zweistelligen Bereich. Und das ist gerade bei diesen kleinen Berufsgruppen, die sich halt häufig Sorgen machen mussten in der Vergangenheit, wirklich eine ganz tolle Entwicklung.

    Maleike: Sie haben die Problemgruppe genannt, das sind möglicherweise auch Langzeitarbeitslose. Sind von den Menschen, die länger ohne Arbeit sind, jetzt auch mehr untergekommen?

    Rang: Es sind auch mehr untergekommen, sowohl was die weniger Qualifizierten als auch die hoch Qualifizierten, sprich Akademiker angeht. Also auch diese Problemgruppen profitieren vom Aufschwung. Auch die Älteren zum Beispiel profitieren. Es ist noch nicht so der Quantensprung zurzeit zu sehen, aber doch eine positive Entwicklung. Und man kann nur hoffen, dass das, je besser sich die Situation entwickelt, auch auf diese beiden Gruppen - Ältere und Langzeitarbeitslose - noch einen deutlicheren Einfluss haben wird.

    Maleike: Frau Rang, es wird ja auch immer gerne von der Politik gesagt, wenn ihr studiert, habt ihr viel größere Chancen, später unterzukommen. Würden Sie das unterstreichen wollen?

    Rang: Das würde ich absolut unterstreichen. Ein Studium ist meiner Meinung nach wirklich eine der besten Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit. Sei es jetzt in konjunkturell positiven oder in konjunkturell schlechten Zeiten, das ist eigentlich allgemeingültig. Arbeitgeber wollen qualifiziertes Personal, und je besser meine Qualifikation, je höher meine Berufsausbildung oder meine schulische Ausbildung, desto mehr Chancen habe ich auf dem Arbeitsmarkt. Das war immer so, das wird immer so sein, und im Moment gilt das ganz besonders.

    Maleike: Und das gilt leider auch, dass wahrscheinlich die Verlierer des Aufschwungs eben die ungelernten Menschen, die ohne Ausbildung?

    Rang: Das ist es. Also das sind die Einzigen, die zurzeit nichts von dem allgemeinen Aufschwung profitieren können. Das kann sich noch ändern, aber im Moment sieht das noch nicht so danach aus.

    Maleike: Lassen Sie uns noch kurz über den Stellenzuwachs sprechen, den Sie vorhin schon angedeutet haben. Wie groß ist der?

    Rang: Da muss man unterscheiden zwischen den Stellen, die uns, der Bundesagentur für Arbeit, von den Arbeitgebern gemeldet werden, und allen anderen. Der BA werden leider nicht alle Stellen gemeldet, und das schlägt sich auch in dem relativ kleinen Zuwachs, gerade bei Akademikerstellen, nieder. Das ist schon eher im einstelligen Bereich, was unsere Stellen angeht. Wenn man sich aber zum Beispiel die Stellen anguckt, die in Printmedien geschaltet werden, da gibt es ein viel deutlicheres Plus der Stellen für Akademiker, und zwar von 25 Prozent. Und da zeigt sich schon, dass neben den Arbeitslosenzahlen durchaus auch die Stellenzahlen, die deutlich wachsen, ein Indikator für den sich positiv entwickelnden Arbeitsmarkt für Akademiker sind.

    Maleike: Können Sie auch sagen, wer denn die Stellen schafft? Sind das eher die Global Player, die großen Unternehmen, oder ist es vielleicht eher der Mittelstand, der jetzt zugreift?

    Rang: Also man darf ja nie vergessen, dass 98 Prozent aller Unternehmen in Deutschland zum Mittelstand oder zu den Kleinunternehmen gehören. Und schon allein deswegen sind die KMU, die kleinen und mittleren Unternehmen, natürlich die Arbeitgeber, die Stellen schaffen hauptsächlich. Und das ist im Moment tatsächlich auch so, was den Akademiker-Arbeitsmarkt angeht.

    Mittelständler suchen Akademiker zum Teil händeringend. Und die Absolventen haben das noch nicht so richtig kapiert, kann man sagen. Viele Absolventen wollen immer noch in die Großunternehmen, die ein Renommee haben, vielleicht auch verständlich, aber der Mittelstand ist halt der Bereich der deutschen Wirtschaft, der die Stellen hat. Und darum kann man Akademikern nur raten, dass sie sich auch mehr zu den kleineren und mittleren Unternehmen hin orientieren.

    Maleike: Herzlichen Dank für das Gespräch. Zum derzeitigen Akademiker-Arbeitsmarkt in Deutschland habe ich gesprochen mit Marion Rang von der zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Bonn.