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Mobbing aus erster Hand

Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz hat es schon bei den Gänsen beobachtet: Sie rotten sich lärmend zusammen, wenn sie ein schwächeres Tier loswerden wollen. Er nannte es: Mobbing. Wenn heute von Mobbing die Rede ist, ist meistens ein Vorgang gemeint, der sich im Verborgenen abspielt. Da wird jemand isoliert, schlecht geredet, ausgegrenzt. Anka Kampka, selbst Mobbing-Opfer, hat ein Buch darüber geschrieben.

Von Sandra Pfister | 29.08.2008
    "Ja, es hat sich immer weiter zugespitzt, auf allen Ebenen, von Kollegen wie Chefs: dass eben Gespräche verstummt sind, wenn ich morgens das Zimmer betreten habe, dass Kollegen rausgegangen sind . Urlaubszeit, Gleitzeit wurde gestrichen oder man musste sich sehr lange rechtfertigen, warum man das überhaupt haben möchte. Oft hinter meinem Rücken, das heißt, dass eben nach Fehlern gesucht wurde und nicht mit mir gesprochen wurde, sondern irgendwann ich zur Personalabteilung zitiert wurde und dort erst die Fehler besprochen wurden."

    Anka Kampka aus der Nähe von Mainz ist neun Jahre lang gemobbt worden. In einer öffentlichen Verwaltung. Neun Jahre, die sie regelrecht krank gemacht haben. Vielleicht ist die einfach nicht belastbar, vielleicht stellt die sich an, mit solchen meist unausgesprochenen Vorurteilen musste auch sie zurecht kommen.

    Sie ist aber zu dem Ergebnis gekommen: Es gebe keine Persönlichkeitsstruktur, die zum Mobben einlade.
    Darin gibt ihr auch Mobbing-Beraterin Christel Hoyer Recht. Seit 12 Jahren sitzt sie am Mobbing-Telefon der AOK Rheinland-Hamburg.

    In ihren Albträumen verfolgt ihr Chef sie bis heute, steht brüllend an ihrem Schreibtisch. In diesem Fall hilft wohl nur eine Therapie zur Aufarbeitung. Ist das Mobbing noch akut, geht die Mobbing-Beraterin den Fall meist anders an.

    "Wenn wir in die Beratung gehen, dann gucken wir grundsätzlich immer auf zwei Bereiche: Einmal auf den betrieblichen Bereich, wo sind da die Kraftquellen, und einmal auf den privaten Bereich, wo sind da die Kraftquellen. Denn oft wird ja auch das Privatleben schleifen gelassen, und wir sehen, dass es ganz wichtig ist, die Zeit, die man auf der Arbeit verbringt, dann eben vom Privatleben auch nach Möglichkeit zu trennen."

    Zu Beginn allerdings steht eine ganz andere Frage: Wann endet schlechtes Betriebsklima, wo beginnt Mobbing?

    "In Deutschland hat sich eine Definition sehr weit verbreitet, die beinhaltet, dass Mobbing mindestens über sechs Monate erfolgen muss und dass es zu diesen negativen Mobbinghandlungen mindestens einmal pro Woche kommen muss. Das ist, vor allem wenn man es international vergleicht, eine sehr strenge Mobbing-Definition,"

    sagt Dieter Zapf, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Frankfurt. Der Rechtsanwalt Michael Felser ergänzt:

    "Es gibt zwei Situationen, wo Mobbing gehäuft auftritt, das ist eher Unauslastung, da kommt man auf die Idee, sich anderweitig zu beschäftigen, und die andere ist erhöhlter Leistungsdruck, und das führt dann dazu, dass der schwächste Teil, oft auch der leistungsschwächste Teil, Mobbing ausgesetzt wird."

    Das Perfide: Der Konflikt beginnt meistens zwischen zwei Personen, aber nach und nach, so beobachten Experten, werden Kollegen und Vorgesetzte mit reingezogen. Oft schlagen sie sich auf die Seite des Stärkeren, des Mobbers; denn der ist in etwa der Hälfte der bekannten Fälle der Chef. Und das heißt dann: Bossing.

    "Das letzte, womit sich Experten und Psychologen und andere, die sich damit beschäftigen, auch schwer tun, ist: Dass einer überhaupt nicht will. Das heißt der sagt: Ich will mit Dir überhaupt nicht klarkommen, ich will einfach nur, dass Du gehst."

    Kampka rät dazu, Kollegen mit ins Boot zu holen, denen man noch vertraut, und im Privatleben nach Auftankmöglichkeiten zu suchen.

    "Ganz wichtig ist es, ein Mobbing-Tagebuch zu führen. Das liefert einen Überblick für den Anwalt und eine eigene Gedächtnisstütze. Und ganz wichtig zu wissen, das Tagebuch wird auch vor Gericht als Beweismittel anerkannt."

    Nicht zu duldsam sein, nicht zu lange leiden, ergänzt Christel Hoyer, sondern zügig aus der Opferrolle rauskommen, weil Mobbing im Beruf auch das Privatleben zerrütten kann.

    Am Ende nahm sich Anka Kampka einen Anwalt. Heute arbeitet sie nur noch Teilzeit bei der Stadtverwaltung - in einer anderen Abteilung. Außerdem berät sie andere Mobbingopfer.
    "Letztlich war es so, dass die Leute dann immer mehr auch gemerkt haben: Mensch, die Anka Kampka, die ist doch eigentlich ganz in Ordnung, die grüßt und wirkt ganz normal, irgendwo muss doch das Problem woanders liegen und vielleicht nicht bei ihr."

    Tipp: Anka Kampkas Keine Angst vor Mobbing. Strategien gegen den Psychoterror am Arbeitsplatz, erscheint heute (29. August) bei Klett-Cotta.