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Mobile Wohnberatung

Gesund zu Hause alt werden, das wünschen sich die meisten Menschen. Um diesem Ziel näher zu kommen, schwirren die mobilen Berater mit ihrem blauen Bus in Göttingen und Umland aus. Sie klären ältere Menschen darüber auf, wie sie ihre Häuser und Wohnungen altersgerecht verändern können.

Von Carolin Hoffrogge | 14.10.2010
    "Guten Morgen Frau Schmidt, ich muss erst mal die Blätter wieder wegfegen. Ich bin gefallen in der Dusche, jetzt habe ich einen Bluterguss im Knie und mein Sohn zieht nach Düsseldorf. Der hat ihnen doch immer geholfen.Ja, der hat mich immer samstags zum Supermarkt gefahren, wenn er mal zum Arzt musste, hat er mich auch gefahren.
    Aber die Nachbarschaft bei Ihnen hinten im Eck, die ist doch gut, jedenfalls, was man so hört und sieht."

    Eine typische Alltagsszene, wie sie vielleicht alten Menschen in Deutschland tausendfach passiert: der erste Sturz im Haus, die Familie zieht weg und die Nachbarschaft um Hilfe zu bitten, fällt vielen älter werdenden Menschen schwer, sagt Wohnberaterin Elizabeth Mücke:

    "Mut machen sie sich gegenseitig, das bewusst machen, auch wenn es eigentlich selbstverständlich ist. Nachbarschaft und Freunde, dass man sich früh genug zusammentut. Wenn man dann mal Hilfe braucht, dass es dann einfach ist, wenn man mal telefoniert und fragt. Wir merken, es ist schwer, um Hilfe zu bitten. Selber helfen alle gerne, aber jetzt zu bitten, "könntest du mich mal mitnehmen?" oder "Ich müsste mal zum Arzt gebracht werden. " Das sind Dinge, da muss eine Hemmschwelle überwunden werden, das bestätigen mir die Leute immer wieder."

    Wer ein nachbarschaftliches Netzwerk spinnt, lebt aktiver, schöner und oftmals selbstbestimmter, weiß Rentnerin Mücke aus eigener Erfahrung. Davon berichtet sie gemeinsam mit ihrer Nachbarin Gisela Ilse bei ihren Beratungsexkursionen aufs Land. Die beiden Damen leben in einem Wohnblock, der vor fünf Jahren in Göttingen gebaut wurde, alters- und behindertengerecht:

    "Es sind bestimmt einige dabei, mit denen ich mich gut verstehen werde. Da ist mir meine Nachbarin sehr entgegengekommen. Ich war gerade zwei Tage hier, dann hat sie gesagt, sie hätte große Lust draußen eine Ecke einzurichten für alle Bewohner des Hauses. Dann haben wir Stühle gekauft, kleines Beistelltischchen. Die Gisela hat ein paar Blumentröge dahingestellt, so dass es gemütlich wurde. Oft morgens – ich esse mein Müsli da – dann kommt sie, dann reden wir mal kurz zehn Minuten über den Tag. Oder jemand holt die Zeitung und setzt sich dazu. Immer entstehen so kleine Gespräche. Das tut gut. Unsere Ecke, jetzt von uns Kuschelecke genannt. Von selbst passiert nicht, es muss immer einer da sein, der das Süppchen am Kochen hält, es vorher in Gang setzt und auch weiter das Feuer schürt."

    Dieses Feuer schüren, dieses Engagement mit anderen und für andere, kennt auch die 82-jährige Charlotte Lierse. Vor zwölf Jahren ist die ehemalige Lehrerin in Deutschlands erste Alten- Wohngemeinschaft gezogen, in eine alte Jugendstilvilla im Göttinger Goldgraben. Nun lebt Charlotte Lierse mit zehn Gleichaltrigen unter einem Dach; ein Leben, dass sie bereichert:

    "Man braucht Risikobereitschaft, man braucht Abenteuerlust und man braucht Toleranz. Wobei ich sagen muss, ich bin nicht sehr tolerant. Meine Kinder, als die jünger waren, haben die natürlich auch in WG´s gewohnt. Geliebt haben sie das auch, und da habe ich immer gedacht: "Wenn ich mal alt bin möchte ich auch so etwas." Und siehe da, es hat sich so ergeben."

    Oftmals ergibt sich für alte Menschen nicht so einfach ein gemeinsames Zusammenleben mit Gleichgesinnten. Bei ihren Beratungen werden sie häufig nach Wohnmöglichkeiten mit Betreuung gefragt, sagt Regina Meyer:

    "Viele überlegen, in ein betreutes Wohnen zu ziehen, also in eine Seniorenwohnanlage, wo bestimmte Betreuungsangebote vorgehalten werden, die man dann zukaufen kann zum Grundpreis. Betreutes Wohnen, wo man aber zu bedenken geben muss, dass das kein geschützter Begriff ist, sondern das man sich jeden einzelnen Anbieter angucken muss. Welche Betreuungsmodule kriegt man, und was muss ich für teures Geld dazu kaufen? Da empfehlen wir dann auch Checklisten, wo man sich die Wohnanlagen nach kritischen Kriterien angucken muss."

    Neben den Checklisten für Einrichtungen mit betreutem Wohnen und Altenheime haben die Göttinger Wohnberater auch praktische Tipps für den altersgerechten Umbau der eigenen Wohnung dabei. Wie hoch sollte die Toilette hängen? Wie breit müssen die Türen sein? Wo verstecken sich Stolpersteine in der Wohnung? Darüber hinaus fährt in ihrem blauen Bus eine Bücherei mit, bestückt mit Hörbüchern, Filmen und Romanen rund um das Thema "Wohnen im Alter", sagt Wohnberaterin Barbara Ahlrichs. Aber auch Emil ist mit im Gepäck, ihre rothaarige Handpuppe:

    "Guten Tag, ich bin Emil, ich wohne im Goldgraben in Göttingen und möchte ihnen etwas über die mobile Wohnberatung erzählen."

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