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Mobile Zahlungssysteme als Datenkrake

Mobiles Bezahlen mit der digitalen Geldbörse soll bald Realität werden. Aber noch ist davon nicht viel zu sehen. Trotzdem werden die bereits existierenden Anbieter solcher Zahlungsverfahren mit hohen Werten bemessen. Allerdings drängt sich die Frage auf: Was gibt es als Gegenwert?

Von Jan Rähm | 02.02.2013
    Ob Fahrschein für den Nahverkehr oder das belegte Brötchen samt Kaffee für unterwegs: all das bezahlen wir zukünftig, indem wir unser Handy an ein Lesegerät halten und eine Pin eingeben. Bargeld oder Karte? Überflüssig. Und angesichts der schier riesigen Zahl potenzieller Nutzer, verspricht das Geschäft mit den digitalen Geldbörsen sehr lukrativ zu werden. Doch wie wollen die Anbieter damit etwas verdienen? Bisher ist die vorherrschende Meinung: Gebühren für jede Transaktion. Die Anbieter wollen also von jedem Bezahlvorgang ein paar Cent abhaben. Doch es gibt noch eine zweite mögliche Refinanzierungsquelle. Die Kundendaten. Welches Potenzial dahinter steckt, macht Gregor Bieler, Geschäftsführer der Unwire Group, klar. Er hat mit seinem Unternehmen die Möglichkeiten einer lokalen Wallet erkundet.

    "Wir haben das Konzept dahingehend weiterentwickelt zu einer City-Wallet und haben gesagt, wir gehen auf eine Stadt zu. Und wer ist in einer Stadt der relevanteste? Der mit den meisten Transaktionen? Der öffentliche Nahverkehr. Und der hat den Zugang auch zu anderen Händlern in seinen Bahnhöfen. Da sind Zeitungskioske, da sind Restaurants, da sind Modeläden, da sind alle möglichen Händler, die in diesem Ökosystem Bahnhof einfach da sind. Und die kann man natürlich an eine solche City-Wallet, gelauncht und lanciert von einem Verkehrsunternehmen, natürlich andocken. Und damit kreiert man sofort ein Ökosystem, welches sofort Transaktionen hervorruft und wo man sofort auch in Echtzeit Kundendaten generieren kann und diese weiterverwenden und auswerten kann."

    Kundendaten als Geschäftsmodell? Das ist nicht ganz neu. Schon heute gibt es einen regen Handel mit Daten, die zeigen, wie kauffreudig ein Kunde ist, wie finanziell potent und was er wo am liebsten kauft. Es ist der Kern des Geschäfts von Rabattsystemen wie Deutschlandcard oder Payback. Doch obwohl er die Kundendaten in Echtzeit angesprochen hat, relativiert Gregor Bieler auf Nachfrage. Es sei in Deutschland gar nicht möglich, mit den Konsumdaten zu handeln, wenn man ein Zahlungsanbieter ist.

    "Das Thema Datenschutz vor allem mit Blick auf Deutschland ist ziemlich stark reguliert und ist ziemlich klar reguliert. Nicht jeder kann den Kunden besitzen und alle Daten über ihn erheben. Man braucht hierfür eine ganz klare Zustimmung. Es bewegen sich unheimlich viele Spieler in diesem Markt, aber ich vertraue meine Kundendaten in diesem Geschäft, dem Mobile-Wallet-Geschäft, nur den Leuten an, die auch dort beteiligt sind - und es ist in der Regel eine Bank und das ist dann in unserem Fall ein Transportunternehmen. Und denen würde ich die Daten anvertrauen, wobei ich das wieder explizit sagen muss, dass ich das möchte."

    Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat jedoch gezeigt, dass einige Unternehmen sehr kreativ mit den Vorschriften umgehen. Man denke nur an die Anbieter von Betriebssystemen für Smartphones, die sich auch stark um digitale Geldbörsen bemühen. Einer davon versteckt Einstellungen zum Schutz der Privatsphäre so tief im Menü, dass selbst erfahrene Anwender nur nach explizitem Hinweis den Weg dorthin finden. Und diesen Anbietern soll man seine Konsumdaten anvertrauen? Schon vertrauenswürdiger seien da Banken, sagt Richard Johnson von der britischen Monitise Group.

    "Wir denken, Banken haben schon einen großen Vertrauensvorschuss bei den Kunden. Viele Menschen trauen ihrer Bank sowohl von Seiten der Sicherheit als auch von Seiten der Verschwiegenheit. Und das ist die große Chance für Banken, eine führende Rolle in Sachen Bezahlung im E-Commerce zu übernehmen."

    Nur müssten Banken mit den Transaktionsgebühren Vorlieb nehmen. Glaubt man dem, was aus den Gesprächen auf der MCTA in Berlin zu hören war, kann davon aber keine Rede sein. Klarer Favorit für die Finanzierung der Wallets waren da die Kundendaten. Bleibt der Faktor Kunde. Wird der sich mit dem Geschäftsgebaren der Anbieter beschäftigen? Wird ihm wichtig sein, wo seine Daten liegen und wo sie gehandelt werden? Das darf bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist, dass der Kunde zu den Lösungen greift, die schnell und praktisch sind.

    "Erfolgreich wird sein, wer ein Problem des Kunden löst. Nur weil sie da ist, nutzt niemand die Technik. Wenn ich eine Cola kaufen will, den Barcode scanne und dann erst in einer komplizierten App rumtippen muss zum Bezahlen, dann geht's mit Bargeld oder Kreditkarte schneller. Digital Wallets aber werden ein Erfolg, wenn wir uns darauf konzentrieren, sie schneller und einfacher für den Kunden zu gestalten, als heutige Lösungen."

    In diesem Jahr, so versprechen die Kongressteilnehmer, wird es richtig losgehen mit dem mobilen Bezahlen per Handy. Dann wird sich auch zeigen, wie die Anbieter damit ihr Geld verdienen und wie die Kunden darüber denken.

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