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Mobiler Universalassistent

Telekommunikation. - Wie das Handy von morgen aussehen könnte, welche Eingabemöglichkeiten noch weitgehend ungenutzt sind, welche Anwendungen in den kommenden zehn Jahren in die Datenendgeräte integriert werden; mit diesen Themen hat sich an der Universität Bonn der internationale Kongress Mobile HCI intensiv auseinandergesetzt.

Von Klaus Herbst | 10.10.2009
    Wie sieht es aus, das Handy von morgen? Der Psychologe und Informatiker Reinhard Oppermann stellt es sich so vor:

    "Dass ich also mit einem Gerät meinen Fernseher steuern kann, meinen Kühlschrank kontrollieren kann bezüglich des Inhalts und der Verfallsdaten, dann aber auch den Weg zur Arbeit oder zu einem Kooperationspartner finde, mir Notizen mache, Informationen abrufe und vielleicht sogar, wenn ich gleichzeitig Verkehrspolizist bin, den Verkehrsstau und die Nachrichten an den Verkehrsfunk durchgeben kann, also auch ganz andere Autorisierungsfunktionen einschließe, nicht nur das persönlich, private Endgerät benutze."

    Eigentlich können MDAs und PDAs doch schon fast alles, könnte man meinen, zum Beispiel auch Navigation. Der Koblenzer Experte für Benutzerinteraktion denkt weiter:

    "Wenn man sich vorstellt, dass man nicht als Autofahrer oder Fußgänger, sondern vielleicht als Fahrradfahrer unterwegs ist, wo man ja andere Aufmerksamkeit- und andere Haltungspositionen hat, dann sind hier Entwicklungen vorgestellt, die Navigation mit einer Vibration am Lenker verbindet, so dass ich rechts und links Vibratoren habe am Lenker, die ganz dezent darauf aufmerksam machen, dass der Radfahrer jetzt rechts abbiegen will. Und das zusätzliche Display in der Mitte, an der Lenkstange ist nur dazu da, um den Benutzer zu orientieren. Aber die eigentliche Instruktion erfolgt dann völlig aufmerksamkeitsfrei durch die Vibration am Lenker."

    Videofilme auf dem Handy zu betrachten, ist längst schon möglich. Aber auch diese Technologie ließe sich stark verbessern. Reinhard Oppermann:

    "Die Aufgabe besteht darin, in solche Videoepisoden zu zoomen, also sowohl räumlich zu zoomen wie auch zeitlich zu zoomen. Da ist eine Entwicklung, die am Beispiel eines Fußballspiels es dem Benutzer ermöglicht, den Fußball oder den Fuß des Fußballers anzufassen auf den Touch Screen und dann vor zurück oder in die Höhe zu zoomen, um den Verlauf des Balles vom Fuß des Fußballers ins Tor zu verfolgen. Und zu sehen, aha, er ist tatsächlich über die Ziellinie, er ist tatsächlich ohne den Gegner zu berühren oder zu attackieren aufgetreten, so dass ich die Weise auch auf dem kleinen Gerät die Möglichkeit habe, Details einer Aufnahme, ohne groß schneiden zu müssen, mitbekomme."

    Heutige Datenendgeräte sind weniger ausgereift, als die Nutzer glauben. Noch längst werden nicht alle Möglichkeiten genutzt. Besonders mühsam ist immer noch die Eingabe von Daten auf dem Touchscreen. Oppermann:

    "Wir haben hier eine Anwendung, die nicht mit einer Taste SMS-Nachrichten eingeben lässt, sondern mit einer Kombination, mit Akkorden, wie das genannt wird, von Tasten, so dass man wie auf einer großen Tastatur Shift-Taste auch auf dem kleinen Mäuseklavier eines Handys schneller, einfacher die Texteingabe vornimmt. Aber auch andere Eingaben, wie zum Beispiel die Spracheingabe oder die Gesten. Dass ich mit einem Gerät also an den Anfang eines Dokuments gehe, indem ich das Gerät hochkippe oder an das Ende, indem ich runterkippe oder nach links oder rechts eine Seite vorblättere, also mit einer Bewegung."

    Wer ein heutiges Handy mal genauer betrachtet, stellt schnell fest, dass dessen Rückseite so gut wie leer ist – ein Spielraum, der sich nutzen ließe!

    "Eine weitere Entwicklung besteht darin, dass eine Modalität, also in dem Fall jetzt Touch und Bewegung und Ziehen und dergleichen insofern perfektioniert wird, indem nicht nur auf der Vorderseite eines Gerätes einen Touchscreen existiert, auf dem ich etwas sehen kann, aber vielleicht auch interagieren kann, indem ich etwas auswähle auf der Rückseite des Gerätes für den eigentliche ja freien, beweglichen Zeigefinger ein kleines Touchpad aufgetragen wird, auf dem ich scrollen kann oder aktivieren kann durch Klick oder Doppelklick, so dass ich die Beweglichkeit der Hand, einer Hand besser nutze als bisher."

    Die Integration aller denkbaren Anwendungen sowie die Nutzung und Erprobung sämtlicher Modalitäten sind die wichtigsten Trends bei der Weiterentwicklung moderner Handys und Datenendgeräte. Mit Modalitäten ist beispielsweise die Spracheingabe gemeint oder die Bewegung des Gerätes in sämtliche Richtungen.

    "Der andere Trend ist natürlich auch: Spaß haben. Viele Benutzer wollen nicht einfach einen Dienst haben, sondern wollen bei dem Dienst auch Spaß haben. Es muss also auch eine gewisse Spannung dabei sein. Wenn wir sehen, wie viele Spiele auf mobilen Endgeräten vollzogen, wie viele SMSs verschickt und empfangen werden, obwohl eigentlich das Eingeben von SMS-Texten ja schwierig ist, aber einfach die Tatsache, dass man auf diese Weise mit anderen in Verbindung kommt oder in Verbindung bleibt, löst einen Spaß aus, eine Attraktion aus, was die Lebensqualität für technikorientierte Nutzer erhöhen wird."

    Solche Nutzer können sich also auf das Handy von morgen schon heute freuen. Aber es besteht noch viel Forschungsbedarf, denn völlig offen bleibt, welche Anwendungen bei den Nutzern wirklich ankommen. Die schon lange ersehnte Bildtelefonie beispielsweise ist ein ziemlicher Flop. Es ist Problem für die Entwickler: Der Erfolg einer Applikation lässt sich einfach nicht vorhersagen. Oppermann:

    "Das war bei der SMS nicht abzusehen. Das war bei der Fax-Entwicklung auch nicht abzusehen. Das kann man wirklich der Technologie im ersten Schritt nicht ansehen, ob sie zum Fliegen kommt, ob sie einen breiten Anwendungskreis erreicht. Da gehört eben die technische Innovation, die Nachhaltigkeit dann auch des technischen Betreibers und die Lösung entsprechender Interaktionsformen, Nutzungsformen dazu, bis aus einer Idee wirklich ein Dienst wird."