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Mobilfunkstandard 5G
Was über mögliche Gesundheitsrisiken bekannt ist

Pünktlich zum Beginn der Versteigerung von Funkfrequenzen für den neuen Mobilfunkstandard gibt es Warnungen vor Gesundheitsrisiken. Aber geht von den 5G-Sendeanlagen und Empfangsgeräten tatsächlich eine Gefahr aus? Nach allem, was bekannt ist, wohl kaum, erklärt der Technikjournalist Jan Rähm.

Von Jan Rähm | 19.03.2019
Der neue 5G-Standard in einer Illustration
Der 5G-Mobilfunkstandard erlaubt höhere Datenraten, kürzere Latenzzeiten und genauere Ortung als LTE. Heute begann die Versteigerung der Frequenzen. (imago)
Arndt Reuning: Heute begann die Versteigerung der Frequenzen des kommenden Mobilfunkstandards 5G. Und wie wir in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder berichteten, stehen auch die Hardware-Hersteller in den Startlöchern mit neuen Geräten, die die Technik nutzen werden. Parallel zur Einführung des Mobilfunkstandards werden nun aber erneut Stimmen laut, die vor den Gefahren des Mobilfunks warnen. Darüber möchte ich jetzt mit dem Technikjournalisten Jan Rähm sprechen. Jan, kommen mit dem neuen Mobilfunkstandard auch neue Gefahren und Risiken auf uns zu?
Jan Rähm: Nein, das ist eher nicht zu erwarten. Gerade in der Anfangszeit der 5G-Netze werden ähnliche Techniken und Funkfrequenzen genutzt wie bei den bisherigen Mobilfunkstandards - und die sind sehr gut erforscht, was mögliche Gesundheitsrisiken angeht. Einzig im Bereich um die Frequenzbänder zwischen 30 und 100 Gigahertz gibt es noch Forschungsbedarf.
Bei Einhaltung der Grenzwerte besteht keine Gesundheitsgefahr
Reuning: Lassen Sie uns das vertiefen: Bei 5G werden zwei unterschiedliche Frequenzbereiche genutzt. Welche sind das und wie ist da jeweils die Studienlage?
Rähm: Es geht einmal um Frequenzbänder zwischen 700 MHz bis rund 5 GHz, sowie um die Frequenbänder zwischen 30 - 100 GHz. Der erste Bereich wird schon seit vielen Jahren für den Mobilfunk genutzt: Für das jetzt fast 30 Jahre alte 2G-Netz GSM, für UMTS und aktuell für LTE, den Mobilfunk der vierten Generation. Dieser Bereich ist sehr gut erforscht mit rund 1200 experimentellen und knapp 300 epidemiologischen Studien zu möglichen Gesundheitsfolgen durch die elektromagnetischen Wellen. Und praktisch alle kommen zu dem Schluss: Sofern die Grenzwerte eingehalten werden, besteht nach derzeitigem Kenntnisstand kein Risiko für die Gesundheit.
Methodisch fehlerhafte Studien
Beim zweiten Frequenbereich, den sogenannten Millimeter-Wellen zwischen 30 und 100 GHz, ist die Studienlage noch nicht so umfassend. Da gab's bislang erst rund 200 experimentellen Studien - belastbare Hinweise auf ein gesteigertes Gesundheitsrisiko lieferte keine. Bei allen Studien, die zu einem anderen Schluss kamen, haben Fachleute methodische Fehler nachgewiesen, die die Aussagekraft in Frage stellen.
Reuning: Nun soll mit 5G die Zahl der Sendestationen und der Antenneninstallationen stark ansteigen. Es soll ein engeres Netz an Funkzellen aufgebaut werden. Steigt dadurch die Strahlenbelastung?
Rähm: Könnte man meinen, aber hier unterliegen viele Menschen einem Irrtum. Die höchste Strahlenbelastung geht – bei eingehaltenen Grenzwerten – nicht von den Basisstationen aus, also den Sendemasten, sondern von den Endgeräten. Also vom Handy, dass Sie sich ans Ohr halten. Wenn nun die Zahl der Basisstationen steigt - das muss sie, um höhere Bandbreiten bei der Datenübertragung zu erreichen und weil mit höherer Frequenz die Reichweite sinkt - wird die Strahlenbelastung tendenziell sogar abnehmen.
"Tendenziell wird die Strahlenbelastung sogar abnehmen."
Denn erstens können die Basisstationen mit einer geringeren Sendeleistung arbeiten, weil es mehr davon gibt. Und zweitens können auch die Endgeräte auf eine geringere Sendeleistung wechseln, einfach weil das Netz dichter geworden ist und die Entfernungen, die die Funksignale überwinden müssen, geringer geworden sind.
Reuning: Mit 5G werden ja aber auch die Datenübertragungsraten ansteigen. Wir werden viel mehr Daten in viel kürzerer Zeit senden und empfangen können. Hat diese Erhöhung der Datenrate irgendeine Auswirkung?
Rähm: Das ist unwahrscheinlich bis ausgeschlossen. Die grundsätzlichen Verfahren wie wie beispielsweise die Frequenzmodulation bleiben ähnlich denen, die schon heute bei LTE eingesetzt werden.
Reuning: Ich möchte noch einmal auf die beiden Frequenzbereiche zu sprechen kommen. Sie sprachen von 700 MHz bis rund 5 GHz und dem Bereich zwischen 30 und 100 GHz. Wie unterscheiden sich beide in der Wirkung auf den menschlichen Körper?
Rähm: Da geht es vor allen Dingen um die sogenannte Eindringtiefe - also wie tief die elektromagnetischen Wellen ins Gewebe des Körpers eindringen. Im ersten Frequenbereich ist diese Eindringtiefe größer als im zweiten.
Funkwellen mit höherer Frequenz dringen weniger tief in den Körper ein
Aber selbst beim gut erforschten Bereich bis 5 GHz hat man bisher lediglich eine sehr schwache Erwärmung nachweisen können, die bei Einhaltung der geltenden Grenzwerte so gering ist, dass sie kaum messbar ist. Die höherfrequenten elektromagnetischen Wellen ab 30 GHz werden weit weniger tief in den Körper eindringen. Ihre Energie wird dementsprechend eher an der Körperoberfläche freigesetzt, also in der Haut. Aber auch dort rechnen Forscher lediglich mit einer minimalen Erwärmung. Forscher sagen: Die Energie ist um den Faktor 100.000 – 1.000.000 zu gering, um biologische Effekte wie zum Beispiel Genmutationen zu verursachen.
Reuning: In den vergangenen Tagen gab es bereits Berichterstattung rings um das Thema. Dabei wurde das Bundesamt für Strahlenschutz dahingehend zitiert, dass es aktuell keinen Handlungsbedarf aber eventuell später Forschungsbedarf gebe. Wie ist das zu verstehen?
Rähm: Kein akuter Handlungsbedarf ergibt sich daraus, dass derzeit bei sehr guter Studienlage keine Risiken sichtbar sind. Der Forschungsbedarf betrifft den Bereich von 30 bis 100 GHz, den bisher nur wenige Anwendungen nutzten. Der soll nun besser erforscht werden. Diese Forschung startet jetzt parallel mit der Entwicklung und Standardisierung der Technik. Der eigentliche Ausbau der 5G-Netze wird aber erst in Jahren starten. Das Bundesamt für Strahlenschutz sagt: Die Ergebnisse werden vorliegen, bevor die betreffenden Frequenzen versteigert werden und in der Praxis zum Einsatz kommen können.