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Mobilität
Zu wenig Busse auf dem Land

Der Bus fährt nur ein, zwei Mal am Tag. Eine ADAC-Studie zur Mobilität auf dem Land stellt fest: Das Auto ist in vielen Gegenden alternativlos. Mehr als die Hälfte der Befragten nutzt den öffentlichen Verkehr so gut wie nie, wünscht sich aber bessere Angebote.

Von Thomas Wagner | 26.11.2018
    Ein Haltestellenschild für den Schulbus steht am 25.10.2013 in Dresden (Sachsen).
    Haltestellenschild für den Schulbus: Auf dem Dorf fährt der Bus manchmal nur ein, zwei Mal am Tag - für viele Landbewohner gibt es daher keine wirkliche Alternative zum Auto (picture-alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    "Mir haben noch frei und treffen uns jetzt auf einen Cappuccino."
    "Im Dorfladen natürlich, sonst haben wir ja nichts auf dem Land."
    Ein Glück, gibt es seit eineinhalb Jahren den Dorfladen. Denn: Ansonsten hätten es Uschi Bucher und Karin Kleiner schwer, zu ihrem morgendlichen Cappuccino zu kommen. Hiltensweiler im Bodenseehinterland: Knapp 700 Einwohner leben in dem kleinen Dorf in Oberschwaben. Dort sagen sich nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht - dorthin kommt auch selten ein Bus:
    "Ja, das ist ein bisschen schwierig, wenn man kein Auto hat: Mit den Schulbusen kommt man hier weg."
    "Im Moment kommt da hauptsächlich den Schulbus, morgens zwei Mal und mittags zwei Mal. Aber ansonsten, zwischen den Schulzeiten, gibt es keine Möglichkeit, nach Tettnang zu kommen oder weiterführend nach Ravensburg oder Friedrichshafen. Für ältere Leute ist das einfach ein Problem: Wenn die einen Arzttermin haben um 10 Uhr. Und der Schulbus fährt morgens um acht. Dann stehen die ja zwei Stunden in Tettnang herum und können die Zeit eigentlich nicht richtig nutzen."
    "Fast die Hälfte nutzt Bus und Bahn überhaupt nicht"
    Peter Bentele ist der für Hiltensweiler zuständige Ortsvorsteher. Und die schlechte Anbindung des Örtchens an den Öffentlichen Nahverkehr ist eines der größten Probleme dort. Dabei ist Hiltensweiler kein Einzelfall, wie aus der ADAC-Studie zur Mobilität auf dem Land hervorgeht.
    "Am schlechtesten kommt der öffentliche Verkehr weg", zitiert ADAC-Sprecher Johannes Boos aus der Studie, bei der 3.400 Bewohner ländlicher Gemeinden im ganzen Bundesgebiet befragt wurden.
    "Fast die Hälfte nutzt Bus und Bahn überhaupt nicht. Nicht einmal jeder Zehnte ist Vielfahrer und nutzt die 'Öffies' an 100 Tagen und mehr im Jahr."
    Große regionale Unterschiede beim ÖPNV
    In Puncto "Zufriedenheit mit Bus und Bahn" auf dem flachen Land ergeben sich allerdings laut der Studie bundesweit große regionale Unterschiede.
    "Bus und Bahn werden in den alten Bundesländern deutlich schlechter bewertet als im Osten. Die zufriedensten Nutzer leben in Sachen-Anhalt. Ganz hinten liegen Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz."
    Gleichwohl ist, so zeigt es die ADAC-Studie, die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in ländlichen Regionen aber zufrieden mit ihrer individuellen Mobilität - trotz des häufig unzureichenden Angebotes an Bahn- und Busanbindungen. Allerdings: Das Auto sei alternativlos, so Johannes Boos:
    "Die Auto- und Motorradfahrer bilden die zufriedenste Gruppe. Und man sieht: Die Mobilität auf dem Land wird extrem stark vom eigenen Auto dominiert. Es ist nahezu unverzichtbar. Fast jeder Befragte nutzt das Auto oder Kraftrad gelegentlich, der Großteil aber sehr häufig."
    Nachbarschaftshilfe als Rettung
    Doch was tun die, die auf dem Land wohnen und kein eigenes Auto haben? Mobilitäts-Not macht erfinderisch, beispielsweise im oberschwäbischen Hiltensweiler. Uschi Bucher ist darauf, beim Vormittags-Cappuccino in dem kleinen Dorfladen, auch ein klein wenig stolz:
    "Es gibt hier auf dem Land auch eine ganz tolle Nachbarschaftshilfe, wo die Nachbarn ältere Menschen zum Einkaufen mitnehmen oder mal zum Arzt fahren, weil die sonst gar keine andere Möglichkeit haben."
    Mobilität auf Zuruf - das ist nach der Mobilitätsstudie aber eher die Ausnahme als die Regel:
    "Flexible Mobilitätsangebote wie Rufbusse oder Anruf-Sammeltaxis - die spielen auf dem Land noch kaum eine Rolle", so ADAC-Sprecher Johannes Boos. Zumindest im oberschwäbischen Hiltensweiler wird sich das bereits ab Anfang Dezember ändern.
    Gemeinnütziger Verein organisiert den Bürgerbus
    Denn dann ist dort Auftakt zum Projekt "Bürgerbus": "Der Bürgerbus startet als sozialer Fahrdienst. Das heißt: Er bietet den Fahrgästen die Möglichkeit, von Tür zu Tür befördert zu werden. Das heißt: Sie werden von ihrer eigenen Haustür abgeholt. Und sie werden beim Arztbesuch zum Beispiel bis zur Arztpraxis gefahren. Und genauso funktioniert auch wieder der Rückweg."
    Und das, so Ortsvorsteher Peter Bentele, zu einem verhältnismäßig geringen Entgelt. Denn: Der Bürgerbus wird durch einen gemeinnützigen Verein organisiert. Die Kosten erstattet die Stadt Tettnang, zu der Hiltensweiler gehört. Sie seien, sagt Ortsvorsteher Peter Bentele, überschaubar. Denn:
    "Der Verein wird ganz und gar ehrenamtlich organisiert. Die Vorstandschaft ist auch ehrenamtlich tätig."
    Die Schweiz und Österreich geben mehr Geld
    Mehrere Modelle dieser Art haben gerade in dünn besiedelten Regionen Oberschwabens in den vergangenen Monaten und Jahren Schule gemacht. Sie dürfen allerdings, so Lothar Wölfle als Landrat im Bodenseekreis, nicht über einen Punkt hinwegtäuschen, den auch die jüngste ADAC-Studie offenbart hat: Bund und Land stellen hierzulande zu wenig Geld für den öffentlichen Personennahverkehr auf dem flachen Land zur Verfügung. Wölfle kennt Beispiele, wo es besser funktioniert:
    "Wir müssen mal in unsere Nachbarländer Schweiz und Österreich schauen: Die geben deutlich mehr Geld in dieses System. Und deshalb ist das auch besser. Aber dafür haben wir bei uns im Land und im Bund noch keine Mehrheiten, um das auch tatsächlich zu tun."