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Mode mit Funktion

Wandern, Klettern, Campen - für diese Form des Auftankens ist die entsprechende Ausrüstung unumgänglich. Vor allem Deutschlands führender Spezialist für Outdoor-Bekleidung, das Familienunternehmen Schöffel, profitiert von der Tatsache, dass es viele Deutsche inmitten der Krise zum Entspannen in die heimische Natur zieht.

Von Barbara Roth |
    "Outdoor-Bekleidung ist heute stadtfein geworden. Outdoor-Bekleidung ist heute ein Thema, was nicht mehr nur im Wald oder am Berg getragen werden kann – sondern das eigentlich Mode und Funktion verbindet.""

    Peter Schöffel trägt zur hellbraunen Cargo-Hose ein orangefarbenes Shirt. Es sind Produkte aus der hauseigenen Sommerkollektion: Knitterfrei, Wind- und wasserabweisend. Der 48-Jährige ist Eigentümer der gleichnamigen Firma in Schwabmünchen bei Augsburg. Er sitzt am Schreibtisch im Büro; genauso gut aber könnte er in diesem Outfit mit seinem Hund durch die Wälder streifen.

    "Der Mehrwert von Outdoor-Bekleidung ist eigentlich Mode mit Funktion. Zum Beispiel eine wasserdichte Jacke zu haben, zum Beispiel ein U-Schutz in der Hose oder im Hemd zu haben, zum Beispiel Feuchtigkeitstransport im T-Shirt zu haben, ohne dabei - und das ist der Unterschied zu vor zehn oder 15 Jahren – auf Optik verzichten zu müssen.""

    Der Spezialist für Ski- und Wanderbekleidung hat erkannt, was in jeder Fußgängerzone zu beobachten ist: Es wimmelt nur so von Menschen, die bequeme Multifunktionskleidung tragen. Die Deutschen lieben Outdoorbekleidung – selbst auf dem Weg ins Büro. Im vergangenen Jahr gaben sie für Multifunktionsjacken, Cargohosen oder Wanderstiefel 1,66 Milliarden Euro aus.

    "Wir machen nur Bekleidung, nur für das Thema Outdoor und Ski. Und das nur für Europa. Das ist unsere Spielwiese; eine klare Begrenzung, um uns nicht zu übernehmen. Und wir haben uns gesagt, das ist eine Riesenchance für uns, wenn diese Märkte Mode und Sport zusammenwachsen, dann haben wir als reiner Bekleidungshersteller eine enorme Chance hier einfach besser zu sein wie die Unternehmen, die 50 Prozent ihrer Zeit in Schuhe, Rucksäcke oder Seile stecken müssen. Und darauf haben wir unser Geschäftsmodell ausgerichtet. Und haben uns – denke ich – damit an die Speerspitze der modischen Entwicklung für das Thema Outdoor gesetzt."

    Früher sahen Wanderjacken wie schlammfarbene Säcke aus; heute sind sie tailliert und es gibt sie in den angesagten Farben. Welches Wachstumspotenzial sich hier versteckt – haben auch Branchenriesen wie Adidas erkannt; der Sportartikelhersteller drängt ins lukrative Outdoor-Geschäft. Doch Schöffel sieht die Konkurrenz gelassen.

    "Outdoor ist kein Sprint. Outdoor ist eine Hochtour. Das muss man sich hart erarbeiten, da steckt sehr, sehr viel Geld im Produkt. Sehr viel an Schnittkompetenz, sehr viel an Verarbeitungskompetenz. Daher investieren wir deutlich über zehn Prozent in das Thema Forschung und Entwicklung. Das kann man sich nicht so schnell verkaufen, das ist ein steiniger Weg."

    An Nähmaschinen wie früher sitzen die Frauen in der Produktionshalle einen Stock tiefer schon lange nicht mehr. Die 200 Mitarbeiter am Schwabmünchner Firmensitz sind in der Entwicklung, Design und Schnitt, der Vermarktung und im Vertrieb tätig. Die am Bildschirm kreierten Schnittmuster werden per E-Mail nach China oder Indien versandt, wo preisgünstiger genäht wird.

    Wenn die Nähmaschinen heute rattern, entsteht ein Prototyp. Der jüngste Clou ist ein bequemes Outdoor-Kleid, gedacht für Städtereisen. Oder es wird getüftelt an einer wetterfesten Regenjacke für die Polizei.

    "Dafür brauchen wir Produkte, wo wir im Extrembereich Erfahrungen sammeln. Im Ski-Bereich zu Beispiel mit 10.000 Skilehrern in den Alpen, die wirklich die Begleitung als Alltagsbekleidung sehen und die es extrem hernehmen was Lichtempfindlichkeit, was Wasserempfindlichkeit anbelangt. Daraus lernen wir für ein normales Produkt, weil unser Hauptmarkenversprechen die Qualität und die Funktion ist."

    Die Firmengeschichte reicht bis ins Jahr 1804 zurück. Ein Vorfahre war Hausierer; er handelte mit Strümpfen. Später stieg die Familie in die Hosenproduktion ein. Ein Flop, weshalb man sich 1967 auf Bundhosen für Bergsteiger und Wanderer spezialisierte. Der große Wurf aber war in den 80er-Jahren die Partnerschaft mit Gore. Als erster deutscher Hersteller setzte Schöffel Gore-Tex bei der Bekleidungsproduktion ein.

    "Mein Vater hat enorme Summen vorinvestiert, ohne ein Produkt verkauft zu haben. Das war die ganz große unternehmerische Leistung, weil sie durchaus, wenn sie gescheitert wäre, das Unternehmen an den Rand, den Abgrund, gebracht hätte."

    Es folgten Jahre des Booms, die Umsatzzahlen explodieren. 2008 auf über 75 Millionen Euro.

    "Wir hatten 2008 ein Rekordjahr für das Unternehmen. 2009 wird sicherlich auch gut, das wird sicher kein Rekordjahr werden. Es wäre für uns kein Weltuntergang, wenn wir mal ein paar%e weniger verkaufen würden. Wir haben eine über 200-jährige Tradition und denken dadurch grundsätzlich in längeren Zeiträumen. Und insofern macht es uns nicht total nervös, wenn da mal zwei, drei schwerere Jahre kommen."

    Der passionierte Bergsteiger leitet den Familienbetrieb in der siebten Generation. Von der Wirtschaftsflaute blieb das Unternehmen bis dato verschont. Bislang sei der private Konsum nicht eingebrochen noch nicht, schränkt der Firmenchef ein. Der Mittelständler im schwäbischen Teil Bayerns fühlt sich gewappnet.

    "Das hat mir mein Vater schon ins Stammbuch geschrieben, dass die Firma Schöffel immer dann die meisten Marktanteile gewonnen hat, wenn es wirklich steinig war. Die Unternehmen, die schwäbisch sauber gehaushaltet haben, nicht sich todgespart haben, aber die einfach dem Unternehmen gelassen haben, was ihm letztendlich aus zusteht, nämlich einen gewissen Anteil an der Rendite, glaube ich, die brauchen keine Angst vor der Krise zu haben."

    Schöffel will die Krise als Chance nutzen. Seine Mitarbeiter motiviert er, noch kreativer zu sein. Er schafft sogar neue Arbeitsplätze, um im nächsten Jahr mit seiner neuesten Idee am Markt zu sein: Outdoor-Bekleidung speziell für Kinder:

    "Wir werden nie der Größte sein, wir werden nie der Billigste sein. Wir können eigentlich nur der Schnellste und der Beste sein und das muss genau die Motivation sein. Mein Unternehmen ist gesund, die Strategie stimmt, es ist wachstumsfähig – dann kann ich sagen, ok ich kann es länger mit meiner Mannschaft durchstehen wie die meisten anderen. Daher regiert hier nicht die Angst."