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Moderne gegen Tradition

Eine Berliner Bürgerinitiative startet heute mit einem Volksbegehren "Gegen die Verunstaltung der Berliner Museumsinsel". Im Mittelpunkt der Kritik stehen David Chipperfields milchgläsernes Eingangsgebäude sowie der Innenausbau des Neuen Museums, der den Ruinenstatus des Hauses festschreiben soll. Die Bürgerinitiative sieht in Chipperfields Plänen eine "künstliche Brutalisierung und totale Zerschlagung" des historisch gewachsenen Ensembles.

Von Carsten Probst |
    Eigentlich sollte man sich daran freuen, dass die Berliner Bürgerschaft ihre ans neurotische grenzende Fixierung auf den Schloßplatz durchbrochen und nun auch einmal die Museumsinsel als diskussionswürdiges Objekt erkannt hat. Das "Volksbegehren" allerdings, das nun gegen das als Neubau geplante, zentrale Eingangsgebäude zum berühmten Museenensemble in Stellung gebracht wird, ist kaum mehr als ein Sturm im Wasserglas und wird auch keine fundierte Debatte um die Gestaltung der Museumsinsel nach sich ziehen.

    Die Forderungen der Initiatoren kreisen vor allem um zwei Punkte: Jeglicher Neubau auf der Museumsinsel schade ihrer Ansicht nach dem Anblick des Gesamtensembles und sollte, wenn überhaupt, nach Abschluss der kompletten Restaurierungsarbeiten, also ab 2012 ausgeschrieben und nicht schon 2009 begonnen werden. Zum zweiten aber möchte man eine Einstellung der gegenwärtigen Restaurierungsarbeiten am Stülerschen Neuen Museum, dem nur noch als Kriegsruine erhaltenen Nachbarn des Pergamonmuseums, erwirken, weil der für die Restaurierung zuständige Architekt David Chipperfield sich nicht ausreichend an die Vorgabe halte, den Bau originalgetreu wiederherzustellen. Chipperfield müsse, so die Initiatoren des Volksbegehrens, dazu gebracht werden, seine Ästhetik zu revidieren, die den Ruinencharakter des Gebäudes und das unwiederbringlich Zerstörte daran auch zum Thema machen wolle. Stattdessen wünscht sich die Initiative eine unverfälschte Wiederherstellung des Vorkriegszustandes und, wie sie ausdrücklich betont, dass die "preußische Tradition" der Museumsinselarchitektur nicht hinter Neuem versteckt würde.

    Wollte man es sich einfach machen, ließe sich den Forderungen ein schlichtes Argument entgegenhalten: Zu spät! Denn die Arbeiten am Neuen Museum sind bereits im Endstadium angelangt, und die Ausrichtung des Architekten war im Übrigen frühzeitig nach Beginn der Arbeiten bekannt. Und auch, was das geplante neue, zentrale Eingangsgebäude, die sogenannte James-Simon-Galerie betrifft, die ebenfalls David Chipperfield bauen soll, sind die Initiatoren des Volksbegehrens spät dran. Denn bereits im vorletzten Jahr hatte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bekanntgegeben, die lange umstrittene Finanzierung für diesen Bau mit der Bundesregierung neu verhandeln zu wollen, was durch die vorgezogene Bundestagswahl dann aber auf 2006 verschoben werden musste. Damals hätte eine Bürgerinitiative vielleicht sogar noch Einfluß nehmen können, mittlerweile aber ziehen Bundesregierung und Stiftung in der Planung an einem Strang.

    Schon wegen dieser merkwürdigen Verspätung ist den Betreibern des Volksbegehrens ein gewisser Dilettantismus nicht abzusprechen. Weit auffallender auch als die Prominenz von Erstunterzeichnern wie Günter Jauch oder anderen notorisch Verdächtigen wie Wolf Jobst Siedler oder der sich offenbar wieder einmal vergaloppiert habenden Lea Rosh ist zudem die nahezu völlige Abwesenheit von Expertenwissen unter den Empörten. Kein einziger ausgewiesener Kunst- oder Architekturhistoriker, Stadtplaner oder Architekt hat sich der Initiative angeschlossen, und das mit gutem Grund. Die wortreichen Erklärungen der Initiatoren zum angeblichen Skandal bedienen hochtönend allenfalls Geschmacksfragen, deren einziges Kriterium lautet: Mehr altes Preußen im Berliner Stadtbild. Als beispielhaft wird ausgerechnet der "preußische" Stil des jüngst wiedereröffneten Bodemuseums angeführt. Dass das Bodemuseum für sich schon ein durchaus beachtlicher Stilmix aus französischen und italienischen Elementen ganz verschiedener Epochen ist, trübt das bürgerliche Engagement in keiner Weise. Die gesamte Museumsinsel ist nichts anderes als ein ziemlich wildes Konglomerat aus einstmals freilich hochmodischen Stilzitaten anderer Epochen. Wer heute dagegen noch immer an die Existenz eines genuin "preußischen" Stils glauben mag, erweist sich als spätes Opfer wilhelminischer Propaganda. Schon dieser Umstand ist kaum geeignet, das Wort "Volksbegehren" in diesem Zusammenhang in gutem Licht scheinen zu lassen.
    Treppe und Skulptur im restaurierten Teil des Bode-Museum
    Treppe und Skulptur im restaurierten Teil des Bode-Museum (AP)