* Musikbeispiel: Amy Beach - Nacht
Bilder bedeuten dem alles, dem sie erscheinen. In Christian Friedrich Scherenbergs Vers "Nacht" lässt ein einsamer älterer Mensch Jugenderinnerungen an sich vorüberziehen - ähnlich flüchtig und ähnlich stabil wie der Sternenteppich am Firmament.
Das wahrnehmungspsychologische Gleichnis ist Gegenstand einer Komposition, die ihrerseits auf Nachahmung zielt. Amy Marcy Beach, geboren 1867 in New Hampshire, vertont einen für sie fremdsprachigen Text und trifft dabei sehr genau den Ton einer Gattung, die für sie lebenslang eine höchst bedeutende ist. 117 klavierbegleitete Kunstlieder schreibt die anerkannte Pianistin und kompositorische Autodidaktin im Lauf ihres 77jährigen Lebens - sie ist stilistisch sehr offen für die wechselnden Moden und orientiert sich bis ins hohe Alter hinein am romantischen Idiom. Europäische Komponisten von Rang dienen als Vorbild. Ein Lied Hugo Wolfs etwa geistert durch Amy Beachs Song "Ein altes Gebet", Beethovens Pathetique zitiert der Song "The Rainy Day". Andere Miniaturen sind Richard Strauss und Jules Massenet verpflichtet, irischer Folklore, dem Kinder- und Wiegendlied.
Es ist die Vielfalt, die Amy Beachs Lied-Oeuvre charakterisiert. Ein knappes Drittel davon findet sich auf einer CD, deren Aufnahmen bereits vor sechs Jahren in Indianapolis entstanden und nun jetzt beim Label Naxos erschienen. Mezzosopranistin Katherine Kelton engagiert sich seit einiger Zeit in Gestalt von Konzerten und Zeitungsartikeln, um Werk und Person Amy Marcy Beachs bekannter zu machen. Pianistin Catherine Bringerud steht ihr als erfahrene Kammermusikerin zur Seite, um die Spezifik einer jeden Miniatur einzulösen. Zum Beispiel in "Though I Take the Wings of Morning" - einer Paraphrase auf den 139. Psalm, bei der in den Harmonien des Begleitparts Jazz-Einflüsse begegnen.
* Musikbeispiel: Amy Beach - Though I Take ...
Katherine Kelton (Mezzosopran) und Catherine Bringerud (Klavier) mit Liedern von Amy Marcy Beach - auf CD veröffentlicht beim Label.
Weniger ein Genre, vielmehr die Musik einer Landschaft repräsentiert die folgende Produktion. Es handelt sich um ein Liedgut aus der Auvergne, einer geschichtlich bedeutenden Region im französischen Kernland, die beachtliche Kulturtraditionen aufweist. Die Lieder der Landbevölkerung der Bergregion sind heute untrennbar mit dem Namen Joseph Canteloubes verbunden, einem Schüler d'Indys. Canteloube (1879-1957), als Komponist selbst wenig erfolgreich, beschäftigte sich mit dem Liedgut seiner Heimatregion sehr ausführlich. Er sammelte Melodien und Verse, notierte und bearbeitete sie und gab zwischen 1924 und 1955 fünf Bände von Chants d'Auvergne heraus: Tänze, Liebes- und Brauchtumslieder dominieren darin. Diese Sammlungen, die sich vor Ort großer Beliebtheit erfreuen, künden vom neo-romantischen Geist der Zeit ihres Sammlers. Texte und Melodien gleichen den Originalen - derweil die farbige, quasi-impressionistische Orchesterbegleitung Klänge und Instrumente bäuerlicher Musizierwelt nachahmt und suggeriert.
Eine Auswahl dieser Canteloub'schen "Chants d'Auvergne" haben Sopranistin Véronique Gens und das Orchestre National de Lille-Région Nord/Pas-de-Calais unter der Leitung von Jean-Claude Casadesus vor einem Jahr in Lille neu produziert. Hier zwei regionalsprachliche Titel daraus:
* Musikbeispiel: Canteloube - Chants d'Auvergne
Véronique Gens, begleitet vom Orchestre National de Lille-Région Nord/Pas-de-Calais, mit zwei von Joseph Canteloube gesammelten und instrumentierten Liedern der Auvergne. Eine Auswahl dieser berühmten Sammlung erschien kürzlich als 5.1-Sourround-Produktion beim Label Naxos.
In starkem Maße der Chormusik hat sich die estnische Komponistin Ester Mägi verschrieben. Geboren 1922 in Tallin, gehört die Absolventin des Moskauer Konservatoriums und Schülerin Schebalins zur Gründergeneration einer eigenständigen estnischen klassischen Schule, deren Anliegen es lange Zeit war, das reiche Liedgut des Volkes auf die Stufe nationaler Kunstmusik zu erheben. Entsprechend stark basieren viele der inzwischen gut einhundert Chorkompositionen Ester Mägis auf traditionellem Material: auf alten estnischen Folksongs und Texten, die es in Form der Notierung, Bearbeitung und übermalenden Neukomposition aufzubereiten galt.
Die Palette reicht vom Kinderlied bis zum Kirchengesang. Die für Frauen- oder Männerchor notierten Miniaturen sind reich an harmonischen und rhythmischen Details. Alte Dialekte beispielsweise werden dabei wieder entdeckt, Naturklänge, imitiert. Fremde Kulturen gar - zum Beispiel die in Lappland gebräuchliche Technik des Joik - werden ausgiebig zitiert.
Eine in diesem Jahr beim finnischen Label ALBA erschienen Porträt-CD birgt eine respektable Auswahl, die sowohl die Komponistin Ester Mägi als auch die estnische Vokaltradition porträtiert. Höhepunkt der mit den Herren des Estnischen Nationalchors und dem Frauenchor der Universität von Tartu produzierten CD ist eine Komposition, die 1981 anlässlich des 100. Geburtstags des Tonsetzers Nart Saar entstand: "Tuule tuba". Die Orgelbegleitung zitiert Klavierwerke Saars, der Gesangspart resultiert aus diversem Volkslied-Material.
Hier zum Abschluss ein Ausschnitt daraus:
* Musikbeispiel: Ester Mägi - Tuule tuba
Soweit die Herren des Estnischen Nationalchors mit Ester Mägis Komposition Tuule tuba. Diese und eine Auswahl weiterer Chormusik der estnischen Komponistin bietet eine beim finnischen Label ALBA erschienene neue CD. In Deutschland ist diese Produktion über Klassik Center Kassel zu erwerben. Zuvor habe ich Ihnen zwei bei beim Label Naxos erschienene CDs angespielt: Klavierlieder der Amerikanerin Amy Beach und Highlights aus Joseph Canteloubes Chants d'Auverge.
Bilder bedeuten dem alles, dem sie erscheinen. In Christian Friedrich Scherenbergs Vers "Nacht" lässt ein einsamer älterer Mensch Jugenderinnerungen an sich vorüberziehen - ähnlich flüchtig und ähnlich stabil wie der Sternenteppich am Firmament.
Das wahrnehmungspsychologische Gleichnis ist Gegenstand einer Komposition, die ihrerseits auf Nachahmung zielt. Amy Marcy Beach, geboren 1867 in New Hampshire, vertont einen für sie fremdsprachigen Text und trifft dabei sehr genau den Ton einer Gattung, die für sie lebenslang eine höchst bedeutende ist. 117 klavierbegleitete Kunstlieder schreibt die anerkannte Pianistin und kompositorische Autodidaktin im Lauf ihres 77jährigen Lebens - sie ist stilistisch sehr offen für die wechselnden Moden und orientiert sich bis ins hohe Alter hinein am romantischen Idiom. Europäische Komponisten von Rang dienen als Vorbild. Ein Lied Hugo Wolfs etwa geistert durch Amy Beachs Song "Ein altes Gebet", Beethovens Pathetique zitiert der Song "The Rainy Day". Andere Miniaturen sind Richard Strauss und Jules Massenet verpflichtet, irischer Folklore, dem Kinder- und Wiegendlied.
Es ist die Vielfalt, die Amy Beachs Lied-Oeuvre charakterisiert. Ein knappes Drittel davon findet sich auf einer CD, deren Aufnahmen bereits vor sechs Jahren in Indianapolis entstanden und nun jetzt beim Label Naxos erschienen. Mezzosopranistin Katherine Kelton engagiert sich seit einiger Zeit in Gestalt von Konzerten und Zeitungsartikeln, um Werk und Person Amy Marcy Beachs bekannter zu machen. Pianistin Catherine Bringerud steht ihr als erfahrene Kammermusikerin zur Seite, um die Spezifik einer jeden Miniatur einzulösen. Zum Beispiel in "Though I Take the Wings of Morning" - einer Paraphrase auf den 139. Psalm, bei der in den Harmonien des Begleitparts Jazz-Einflüsse begegnen.
* Musikbeispiel: Amy Beach - Though I Take ...
Katherine Kelton (Mezzosopran) und Catherine Bringerud (Klavier) mit Liedern von Amy Marcy Beach - auf CD veröffentlicht beim Label.
Weniger ein Genre, vielmehr die Musik einer Landschaft repräsentiert die folgende Produktion. Es handelt sich um ein Liedgut aus der Auvergne, einer geschichtlich bedeutenden Region im französischen Kernland, die beachtliche Kulturtraditionen aufweist. Die Lieder der Landbevölkerung der Bergregion sind heute untrennbar mit dem Namen Joseph Canteloubes verbunden, einem Schüler d'Indys. Canteloube (1879-1957), als Komponist selbst wenig erfolgreich, beschäftigte sich mit dem Liedgut seiner Heimatregion sehr ausführlich. Er sammelte Melodien und Verse, notierte und bearbeitete sie und gab zwischen 1924 und 1955 fünf Bände von Chants d'Auvergne heraus: Tänze, Liebes- und Brauchtumslieder dominieren darin. Diese Sammlungen, die sich vor Ort großer Beliebtheit erfreuen, künden vom neo-romantischen Geist der Zeit ihres Sammlers. Texte und Melodien gleichen den Originalen - derweil die farbige, quasi-impressionistische Orchesterbegleitung Klänge und Instrumente bäuerlicher Musizierwelt nachahmt und suggeriert.
Eine Auswahl dieser Canteloub'schen "Chants d'Auvergne" haben Sopranistin Véronique Gens und das Orchestre National de Lille-Région Nord/Pas-de-Calais unter der Leitung von Jean-Claude Casadesus vor einem Jahr in Lille neu produziert. Hier zwei regionalsprachliche Titel daraus:
* Musikbeispiel: Canteloube - Chants d'Auvergne
Véronique Gens, begleitet vom Orchestre National de Lille-Région Nord/Pas-de-Calais, mit zwei von Joseph Canteloube gesammelten und instrumentierten Liedern der Auvergne. Eine Auswahl dieser berühmten Sammlung erschien kürzlich als 5.1-Sourround-Produktion beim Label Naxos.
In starkem Maße der Chormusik hat sich die estnische Komponistin Ester Mägi verschrieben. Geboren 1922 in Tallin, gehört die Absolventin des Moskauer Konservatoriums und Schülerin Schebalins zur Gründergeneration einer eigenständigen estnischen klassischen Schule, deren Anliegen es lange Zeit war, das reiche Liedgut des Volkes auf die Stufe nationaler Kunstmusik zu erheben. Entsprechend stark basieren viele der inzwischen gut einhundert Chorkompositionen Ester Mägis auf traditionellem Material: auf alten estnischen Folksongs und Texten, die es in Form der Notierung, Bearbeitung und übermalenden Neukomposition aufzubereiten galt.
Die Palette reicht vom Kinderlied bis zum Kirchengesang. Die für Frauen- oder Männerchor notierten Miniaturen sind reich an harmonischen und rhythmischen Details. Alte Dialekte beispielsweise werden dabei wieder entdeckt, Naturklänge, imitiert. Fremde Kulturen gar - zum Beispiel die in Lappland gebräuchliche Technik des Joik - werden ausgiebig zitiert.
Eine in diesem Jahr beim finnischen Label ALBA erschienen Porträt-CD birgt eine respektable Auswahl, die sowohl die Komponistin Ester Mägi als auch die estnische Vokaltradition porträtiert. Höhepunkt der mit den Herren des Estnischen Nationalchors und dem Frauenchor der Universität von Tartu produzierten CD ist eine Komposition, die 1981 anlässlich des 100. Geburtstags des Tonsetzers Nart Saar entstand: "Tuule tuba". Die Orgelbegleitung zitiert Klavierwerke Saars, der Gesangspart resultiert aus diversem Volkslied-Material.
Hier zum Abschluss ein Ausschnitt daraus:
* Musikbeispiel: Ester Mägi - Tuule tuba
Soweit die Herren des Estnischen Nationalchors mit Ester Mägis Komposition Tuule tuba. Diese und eine Auswahl weiterer Chormusik der estnischen Komponistin bietet eine beim finnischen Label ALBA erschienene neue CD. In Deutschland ist diese Produktion über Klassik Center Kassel zu erwerben. Zuvor habe ich Ihnen zwei bei beim Label Naxos erschienene CDs angespielt: Klavierlieder der Amerikanerin Amy Beach und Highlights aus Joseph Canteloubes Chants d'Auverge.
Diskografische Angaben
CD 1:
Titel: "Amy Beach - Lieder"
Mitwirkende: Katherine Kelton, Mezzosopran
Catherine Bringerud, Klavier
Label: Naxos
Labelcode: LC 05537
Bestellnr.: CD 8.559151
CD 2:
Titel: "Joseph Canteloube - Chants d'Auvergne"
Solistin: Véronique Gens, Sopran
Orchester: Orchestre National de Lille-Région Nord/Pas-de-Calais
Leitung: Jean-Claude Casadesus
Label: Naxos
Labelcode: LC 05537
Bestellnr.: 6.110065
CD 3:
Titel: "Ester Mägi"
Chöre: Frauenchor der Universität von Tartu
Estnischer Nationalchor
Label: ALBA / Klassik Center Kassel
Labelcode: LC 12009
Bestellnr.: NCD 23