Bis Pater Lorenzo am Ende mit seinem Gesang durchdringt und die angesichts ihrer toten Kinder Roméo und Juliette noch schockstarren verfeindeten Familien dazu bringt, sich amitié fraternelle zu schwören, brüderliche Freundschaft, bis dahin vergeht eine geraume Weile. Zu lang für Sasha Waltz.
Vom Ende ihrer neuen Création chorégraphique, ihrer ersten Choreographie für das Ballett der Pariser Oper betrachtet, sind die Probleme von Sasha Waltz mit Shakespeares Tragödie und der auf sie komponierten Symphonie dramatique von Hector Berlioz mehr als offensichtlich. Bei ihrer zweiten Auseinandersetzung mit romantischer Musik nach den Schubert-Impromptus vor drei Jahren verweigert die Choreographin wieder jede tiefer reichende Auseinandersetzung mit den dramatischen emotionalen Inhalten und den dunklen Schicksalen ihrer Protagonisten.
Wieder entfaltet sie eine äußerst kunstvolle, semi-abstrakte illustrative Auffassung von Regie. Sie ist geschickt, ihre Choreographie ist gekonnt, aber über Shakespeares Stück ist kaum etwas gesagt. Am Ende des Abends kommt der Offenbarungseid der Choreographin. Waltz lässt ihre toten Liebenden am Boden liegen, dekorativ übereinander gesunken und halb begraben von einem Haufen Kieselsteine wie in einem japanischen Gartenbeet.
Währenddessen singt Pater Lorenzo den die Montagues und Capulets darstellenden Chor an. Und da liegen sie, die Liebenden und liegen da, tot und wahnsinnig schön. Und der Chor singt, und dann singt ihm der Pater wieder ins Gewissen. Und hinter dem malerisch dahingegossenen toten jugendlichen Paar tanzen andere schöne weiß gekleidete Menschen.
Am Schluss werden die meisten von ihnen zu Boden sinken, tot, weil die Musik zu Ende ist. Andere wiederum werden in einem steten Auf und Ab in die Hocke gehen und sich wieder erheben wie nervöse Läufer vor dem Start.
Es ist sehr schade um diese Inszenierung. Es hätte ein großartiger Abend werden können in der Opéra Bastille. "Once I had everything" könnte die deutsche Choreographin nach dieser Bühnenerfahrung sagen - wie die Katze in Maurice Sendaks Theaterbuch "Higglety Pigglety Pop - there must be more to life". Alles hat man Sasha Waltz, die in Frankreich schon als Nachfolgerin von Pina Bausch auf dem Königinnenthron des Tanzes verehrt wird, alles hat man ihr von Seiten Gérard Mortiers und der Ballettdirektion zu Füßen gelegt. Mal ganz abgesehen von den Gesangsstars Ekaterina Gubanova, Mikhail Petrenko und dem ungeheuer tanzbegabten Yann Beuron standen Waltz mit Hervé Moreau und Aurélie Dupont zwei der mitreißendsten, natürlichsten und leidenschaftlichsten Etoiles der Oper zur Verfügung.
Mit ihrem großen Pas de deux im Zentrum des anderthalbstündigen Werkes ist Waltz denn auch das beste an Choreographie gelungen, das sie in den letzten Jahren geschaffen hat. Danach aber begräbt sie ihre Solisten lieber dekorativ, als deren Leid der letzten Minuten wirklich zu erkunden.
Außerhalb der großen Tanzszene von Roméo und Juliette bleibt sie der vom Opernorchester unter Valery Gergiev feinnervig und aufwühlend interpretierten dramatischen Sinfonie die Dramatik schlicht schuldig. Die Ballszene etwa veralbert sie, indem sie das Corps de ballet in schokocremefarbenen Tutus über die Bühne hüpfen lässt wie animierte Pralinés in einem Zeichentrickfilm. Ansonsten wirkt alles unendlich schlicht und edel. Der wundervoll singende Chor trägt Mäntel mit hohen Filzkragen oder - wie auch die Tänzer - , todschicke Abendroben und Cocktailkleider - ein bisschen im Stil von Giorgio Armani, als er für John Neumeier arbeitete. Kostümbildner Bernd Skodzig beschränkt sich auf schwarz und weiß, abgemischt variiert als Silber und Bronze, Creme und Schokolade. David Finn, einer der gefragtesten Lichtdesigner für Tanz und Oper beleuchtet das weiße Bühnenbild, einen Gemeinschaftsentwurf von Waltz mit Thomas Schenk und Pia Maier-Schriever, so kalt, als wäre die zum Balkon hochgezogene und schließlich nach hinten umgeschlagene Bodenfläche ein gespaltener Eisberg. Wie kann ein Abend, an dem nur Stars beteiligt sind, nur so in reiner visueller und musikalischer Schönheit und größtem Können - verplätschern.
Vom Ende ihrer neuen Création chorégraphique, ihrer ersten Choreographie für das Ballett der Pariser Oper betrachtet, sind die Probleme von Sasha Waltz mit Shakespeares Tragödie und der auf sie komponierten Symphonie dramatique von Hector Berlioz mehr als offensichtlich. Bei ihrer zweiten Auseinandersetzung mit romantischer Musik nach den Schubert-Impromptus vor drei Jahren verweigert die Choreographin wieder jede tiefer reichende Auseinandersetzung mit den dramatischen emotionalen Inhalten und den dunklen Schicksalen ihrer Protagonisten.
Wieder entfaltet sie eine äußerst kunstvolle, semi-abstrakte illustrative Auffassung von Regie. Sie ist geschickt, ihre Choreographie ist gekonnt, aber über Shakespeares Stück ist kaum etwas gesagt. Am Ende des Abends kommt der Offenbarungseid der Choreographin. Waltz lässt ihre toten Liebenden am Boden liegen, dekorativ übereinander gesunken und halb begraben von einem Haufen Kieselsteine wie in einem japanischen Gartenbeet.
Währenddessen singt Pater Lorenzo den die Montagues und Capulets darstellenden Chor an. Und da liegen sie, die Liebenden und liegen da, tot und wahnsinnig schön. Und der Chor singt, und dann singt ihm der Pater wieder ins Gewissen. Und hinter dem malerisch dahingegossenen toten jugendlichen Paar tanzen andere schöne weiß gekleidete Menschen.
Am Schluss werden die meisten von ihnen zu Boden sinken, tot, weil die Musik zu Ende ist. Andere wiederum werden in einem steten Auf und Ab in die Hocke gehen und sich wieder erheben wie nervöse Läufer vor dem Start.
Es ist sehr schade um diese Inszenierung. Es hätte ein großartiger Abend werden können in der Opéra Bastille. "Once I had everything" könnte die deutsche Choreographin nach dieser Bühnenerfahrung sagen - wie die Katze in Maurice Sendaks Theaterbuch "Higglety Pigglety Pop - there must be more to life". Alles hat man Sasha Waltz, die in Frankreich schon als Nachfolgerin von Pina Bausch auf dem Königinnenthron des Tanzes verehrt wird, alles hat man ihr von Seiten Gérard Mortiers und der Ballettdirektion zu Füßen gelegt. Mal ganz abgesehen von den Gesangsstars Ekaterina Gubanova, Mikhail Petrenko und dem ungeheuer tanzbegabten Yann Beuron standen Waltz mit Hervé Moreau und Aurélie Dupont zwei der mitreißendsten, natürlichsten und leidenschaftlichsten Etoiles der Oper zur Verfügung.
Mit ihrem großen Pas de deux im Zentrum des anderthalbstündigen Werkes ist Waltz denn auch das beste an Choreographie gelungen, das sie in den letzten Jahren geschaffen hat. Danach aber begräbt sie ihre Solisten lieber dekorativ, als deren Leid der letzten Minuten wirklich zu erkunden.
Außerhalb der großen Tanzszene von Roméo und Juliette bleibt sie der vom Opernorchester unter Valery Gergiev feinnervig und aufwühlend interpretierten dramatischen Sinfonie die Dramatik schlicht schuldig. Die Ballszene etwa veralbert sie, indem sie das Corps de ballet in schokocremefarbenen Tutus über die Bühne hüpfen lässt wie animierte Pralinés in einem Zeichentrickfilm. Ansonsten wirkt alles unendlich schlicht und edel. Der wundervoll singende Chor trägt Mäntel mit hohen Filzkragen oder - wie auch die Tänzer - , todschicke Abendroben und Cocktailkleider - ein bisschen im Stil von Giorgio Armani, als er für John Neumeier arbeitete. Kostümbildner Bernd Skodzig beschränkt sich auf schwarz und weiß, abgemischt variiert als Silber und Bronze, Creme und Schokolade. David Finn, einer der gefragtesten Lichtdesigner für Tanz und Oper beleuchtet das weiße Bühnenbild, einen Gemeinschaftsentwurf von Waltz mit Thomas Schenk und Pia Maier-Schriever, so kalt, als wäre die zum Balkon hochgezogene und schließlich nach hinten umgeschlagene Bodenfläche ein gespaltener Eisberg. Wie kann ein Abend, an dem nur Stars beteiligt sind, nur so in reiner visueller und musikalischer Schönheit und größtem Können - verplätschern.