Berühmt ist das Berliner Museum für Naturkunde für seine großen Dinosaurierskelette, doch seine wahren Schätze bekommen nur wenige zu sehen. Sie sind oft klein und unscheinbar, füllen Schubladen, Schränke, viele Säle: Fossilien aus der ganzen Welt. Da gibt es Tausende von steinernen Muscheln und Schnecken. Ein Trend der Evolution ist da auch für Laien erkennbar, im Lauf der Jahrmillionen werden die Schalen tendenziell dicker. Andre Trends erschließen die Experten über indirekte Hinwiese, etwa, dass es immer mehr räuberische Schnecken gibt, oder Muscheln, die im Boden vergraben leben. Der Startschuss für diese Trends fiel vor 540 Millionen Jahren, als sich in einem geologischen Wimpernschlag die Vorläufer praktisch aller heutigen Tierarten entwickelten. Zuvor lagen Tiere mehr oder weniger nackt auf dem Meeresboden und fraßen, was auf sie herab rieselte. Doch mit der so genannten kambrischen Revolution gewann das Leben deutlich an Dramatik. Eine sichere Schale wurde lebenswichtig, meint Professor Wolfgang Kiessling vom Museum für Naturkunde.
"Gleichzeitig mit den ersten Schalen sehen wir auch schon, dass Räuber unterwegs waren, die diese Schalen angebissen, angebohrt und sonstiges gemacht haben. Es ist da nahe liegend, dass die Schalenentwicklung gedacht war als Schutz vor den Räubern, die damals entstanden sind."
Mit dem ersten Auftreten von Fleischfressern begann ein Wettlauf ums Überleben: die Muschelschalen wurden dicker, aber neue Räuber lernten, sie trotzdem zu knacken. Die Beute versteckte sich im Untergrund, doch bald spezialisierten sich Jäger darauf, sie dort aufzuspüren. Der Kampf zwischen Räuber und Beute ist hart und prägt viele Kurven und Windungen im Lauf der Evolution. Aber bestimmt er auch langfristig ihre Richtung? Viele Paläontologen würden diese Frage aus dem Bauch heraus mit "Ja" beantworten, aber es fehlte an Studien, die tatsächlich die Entwicklung des Lebens an einem breiten Artenspektrum, über viele hundert Millionen Jahre, rund um den Globus gemeinsam analysiert hätten. Seit einiger Zeit versucht nun Wolfgang Kiessling, zusammen mit seinem Kollegen Professor Martin Aberhan und vielen anderen Forschern, genau das zu leisten. In ihrer Paläobiologischen Datenbank haben sie bisher Informationen zu einer halben Million Fossilien zusammengefasst. Genug Material, um die großen Trends der Evolution mit den Methoden der Statistik zu untersuchen. Und tatsächlich: im Verlauf der letzten 540 Millionen Jahre gibt es wirklich immer mehr Räuber und immer dickere Schalen und immer mehr Arten, die sich im Untergrund vergraben. Aber hängt das auch alles zusammen?
"Man muss sich eben diese Kurven im Detail anschauen und muss schauen, wenn eine Zunahme der Räuber beispielsweise vorhanden ist, hab ich dann auch gleichzeitig eine Zunahme der Schalendicke oder des Eindringens ins Sediment als Schutzmechanismus. Was haben Sie da jetzt gefunden? Nichts. Also was sich dann letztlich herausgestellt hat, ist, dass die Räuber-Beute Beziehung sicher nicht die Ursache sein kann, um die langfristigen Trends in der Makroevolution erklären zu können."
Wolfgang Kiessling ist selbst verblüfft, mit diesem Ergebnis hatte er nicht gerechnet. Sein Kollege Martin Aberhan war ebenfalls an der Analyse beteiligt, möchte das Räuber-Beute Modell aber noch nicht ganz abschreiben.
"Ich sehe das genauso, was diese langen Zeitskalen anbelangt, ich denke aber, dass es Zeiten in der Erdgeschichte gibt, in denen tatsächlich das Aufrüsten der Räuber und die entsprechende Reaktion der Betroffenen miteinander korreliert ist, aber das sind dann relativ kurzfristige Ereignisse in der Erdgeschichte."
Die große Richtung der Evolution jedenfalls wird von anderen Faktoren geprägt, vielleicht von einer Zunahme des Nährstoffangebotes, die eine energieintensive, räuberische oder grabende Lebensweise begünstigt. Vielleicht ist auch schlicht der Zufall der entscheidende Mitspieler in der Evolution. Die Fossilien im Berliner Museum für Naturkunde kennen die Antwort, doch um sie ihnen zu entlocken, muss das erste Großforschungsprojekt zur Urgeschichte, die Paläobiologische Datenbank, wohl noch weiter verfeinert werden.
"Gleichzeitig mit den ersten Schalen sehen wir auch schon, dass Räuber unterwegs waren, die diese Schalen angebissen, angebohrt und sonstiges gemacht haben. Es ist da nahe liegend, dass die Schalenentwicklung gedacht war als Schutz vor den Räubern, die damals entstanden sind."
Mit dem ersten Auftreten von Fleischfressern begann ein Wettlauf ums Überleben: die Muschelschalen wurden dicker, aber neue Räuber lernten, sie trotzdem zu knacken. Die Beute versteckte sich im Untergrund, doch bald spezialisierten sich Jäger darauf, sie dort aufzuspüren. Der Kampf zwischen Räuber und Beute ist hart und prägt viele Kurven und Windungen im Lauf der Evolution. Aber bestimmt er auch langfristig ihre Richtung? Viele Paläontologen würden diese Frage aus dem Bauch heraus mit "Ja" beantworten, aber es fehlte an Studien, die tatsächlich die Entwicklung des Lebens an einem breiten Artenspektrum, über viele hundert Millionen Jahre, rund um den Globus gemeinsam analysiert hätten. Seit einiger Zeit versucht nun Wolfgang Kiessling, zusammen mit seinem Kollegen Professor Martin Aberhan und vielen anderen Forschern, genau das zu leisten. In ihrer Paläobiologischen Datenbank haben sie bisher Informationen zu einer halben Million Fossilien zusammengefasst. Genug Material, um die großen Trends der Evolution mit den Methoden der Statistik zu untersuchen. Und tatsächlich: im Verlauf der letzten 540 Millionen Jahre gibt es wirklich immer mehr Räuber und immer dickere Schalen und immer mehr Arten, die sich im Untergrund vergraben. Aber hängt das auch alles zusammen?
"Man muss sich eben diese Kurven im Detail anschauen und muss schauen, wenn eine Zunahme der Räuber beispielsweise vorhanden ist, hab ich dann auch gleichzeitig eine Zunahme der Schalendicke oder des Eindringens ins Sediment als Schutzmechanismus. Was haben Sie da jetzt gefunden? Nichts. Also was sich dann letztlich herausgestellt hat, ist, dass die Räuber-Beute Beziehung sicher nicht die Ursache sein kann, um die langfristigen Trends in der Makroevolution erklären zu können."
Wolfgang Kiessling ist selbst verblüfft, mit diesem Ergebnis hatte er nicht gerechnet. Sein Kollege Martin Aberhan war ebenfalls an der Analyse beteiligt, möchte das Räuber-Beute Modell aber noch nicht ganz abschreiben.
"Ich sehe das genauso, was diese langen Zeitskalen anbelangt, ich denke aber, dass es Zeiten in der Erdgeschichte gibt, in denen tatsächlich das Aufrüsten der Räuber und die entsprechende Reaktion der Betroffenen miteinander korreliert ist, aber das sind dann relativ kurzfristige Ereignisse in der Erdgeschichte."
Die große Richtung der Evolution jedenfalls wird von anderen Faktoren geprägt, vielleicht von einer Zunahme des Nährstoffangebotes, die eine energieintensive, räuberische oder grabende Lebensweise begünstigt. Vielleicht ist auch schlicht der Zufall der entscheidende Mitspieler in der Evolution. Die Fossilien im Berliner Museum für Naturkunde kennen die Antwort, doch um sie ihnen zu entlocken, muss das erste Großforschungsprojekt zur Urgeschichte, die Paläobiologische Datenbank, wohl noch weiter verfeinert werden.