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Möbel bauen in Zwangsarbeit

Politische Gefangene mussten in der DDR unter Zwangsarbeitsbedingungen für Ikea Möbel bauen. Das ist das Ergebnis einer internen Studie des Konzerns zu seinen Produktionsbedingungen in der DDR. Opferverbände hatten kritisiert, dass Ikea eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für die Studie beauftragte.

Von Dorothea Jung | 16.11.2012
    Die Studie der von Ikea beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst &Young kommt zu dem Ergebnis: In der DDR sind in den 1980er-Jahren bei der Produktion von Ikea-Möbeln politische Häftlinge und Strafgefangene eingesetzt worden. Außerdem ergab die Untersuchung, dass der Möbelkonzern davon Kenntnis hatte. Das Unternehmen habe damals sogar Schritte unternommen, das zu unterbinden, sagte Ikea-Sprecher Peter Betzel. Aber nicht nachhaltig genug, bekannte er und bedauerte,

    "dass es trotz Aktivitäten von Ikea in den 80er-Jahren, um den Einsatz von politischen Gefangenen in der DDR für die Produktion von Ikea-Möbel zu verhindern, trotzdem dazu gekommen ist, dass politische Gefangene zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden. Ich möchte hier als Vertreter von Ikea Deutschland mein tiefstes Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, an die Vertreter der Opfer und die Opfer, die hier sind."

    Im Frühjahr hatten deutsche und schwedische Medien berichtet, dass Ikea-Möbel und Möbel-Zubehör auch in Gefängniswerkstätten der DDR - und dort auch von politischen Gefangenen - hergestellt wurden. Zum Beispiel von einem Mann wie Roland Brauckmann, der 1982 ins Cottbusser Gefängnis gekommen war, weil er sich in einer kirchlichen Friedensgruppe engagiert hatte. In der Haftanstalt habe man für unterschiedliche westliche Auftraggeber gearbeitet. Roland Brauckmann zufolge ist Ikea jedoch das einzige Unternehmen, das sich dieser Tatsache stellt.

    "1982 stand natürlich nicht Ikea auf den Produktionskisten, aber im Gefängnis von Cottbus mussten wir sieben Tage die Woche arbeiten und im Wesentlichen Material entgraten, ohne Arbeitsschutzbedingungen in einem unwahrscheinlichen Akkord."

    Die Ernst & Young-Studie hat nach Angaben von Ikea Unternehmens-Dokumente aus dem Firmen-Archiv sowie aus Bundes- und Landesarchiven sowie der Stasi-Unterlagenbehörde ausgewertet. Zudem seien fast 100 Gespräche mit aktiven und ehemaligen Mitarbeitern von Ikea geführt worden. Außerdem hätten die Autoren der Studie mit Betroffenen, Beteiligten und Zeitzeugen gesprochen.

    Roland Jahn, der Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, betonte, man stehe bei diesem Thema erst am Anfang der Aufklärung.

    "Ikea hat sich bereit erklärt, hier beizutragen zur Aufarbeitung, das ist lobenswert; ob dieser Bericht, den Ikea vorlegt, zur Aufklärung beiträgt, oder ob er dazu dient, zu verklären, das muss geprüft werden."

    Opferverbände hatten im Vorfeld kritisiert, dass Ikea eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragte, statt Historiker und Politikwissenschaftler. Ronald Lässig, Sprecher des Vereins DDR-Opferhilfe nannte dieses Vorgehen unwissenschaftlich.

    "Wenn ich die Vergangenheit objektiv aufarbeiten will, dann brauche ich natürlich Wissenschaftler, die das machen, und nicht eine Wirtschaftsprüfung, die im Auftrag der Ikea die Dinge aufarbeitet. Da können keine validen Ergebnisse rauskommen!"

    Ikea-Sprecher Peter Betzel erklärte heute, diese Studie sei erst der Anfang der Aufarbeitung dieses Kapitels der Firmengeschichte. Ikea habe sich vorgenommen, weiterhin zur Aufklärung der Produktionsbedingungen in der ehemaligen DDR beizutragen. Deshalb unterstütze der Konzern ein Forschungsprojekt der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft zur Zwangsarbeit in der ehemaligen DDR. Über Entschädigungsleistungen könne erst gesprochen werden, wenn diese Forschungsarbeit zu einem Ende gekommen sei.

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