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Mögliche Reaktionen der Finanzmärkte

Sollten die Griechen bei den Wahlen am kommenden Sonntag gegen den Euro stimmen, müsste die Rückkehr zur Drachme organisiert werden. Ein Schritt, mit unübersichtlichen Folgen. An den Finanzmärkten rechnet man mit allem: von einer Schrecksekunde bis hin zur Rezession.

Von Dorothee Holz | 12.06.2012
    An den Börsen ist man das Wetten auf zukünftige Ereignisse ja gewöhnt, aber wie der Tag nach der Griechenlandwahl aussieht, stellt selbst hartgesottene Börsianer auf eine echte Probe:

    "Grundsätzlich ist alles möglich, denn keiner weiß genau, wie die einzelnen Parteien miteinander interagieren, wie die Politik auf die Krise reagiert, wie die EZB auf die Krise reagiert, wie die Spekulation letztendlich weiter sprießt oder ob sie eingedämmt werden kann.!"

    Sagt Aktienhändler Oliver Roth vom Handelshaus Close Brothers Seydler. Alles ist also möglich: Entweder droht ein echtes Schreckensszenario oder doch nur eine kleine Schockwelle, die man rasch verschmerzen könnte. Eine Phase, die die Finanzmärkte eigentlich schon vorweg genommen haben. Denn nach dem ersten Wahlgang in Griechenland am 6. Mai hat die Unsicherheit enorm zugenommen. Der Dax fuhr zweistellige Verluste ein, der Euro geriet ebenfalls unter die Räder und sank seit Anfang Mai um sechs Cent:

    ""Also nach dem jetzigen Stand der Dinge preisen ja im Moment gerade schrittweise die Finanzmärkte dieses Szenario des Euro-Austritts von Griechenland ein. Von daher müsste eigentlich nach der Börsenmathematik damit auch die Unsicherheit raus sein an den Märkten."

    Dem stimmen auch andere Börsenhändler zu. Denn Unsicherheit ist das wahre Gift für die Märkte. Mit einer geklärten Situation, auch wenn sie unangenehm ist, kann man besser umgehen, meint Carsten Sommerfeldt von Tradegate:

    "Sollte Griechenland auf eigenen Wunsch den Euro verlassen, sollte das hier in Frankfurt auf jeden Fall zu einer Erholungsrally führen."

    Von Erholungsrally will Eugen Keller, Rentenanalyst vom Bankhaus Metzler nichts wissen. Seiner Erfahrung nach droht zumindest eine Schrecksekunde für die Finanzmärkte:

    "Nervosität, höchste Volatilität und wahrscheinlich erst mal deutlich fallende Kurse"."

    Das Lager der Pessimisten ist weiter sehr groß, auch wenn ein Austritt Griechenlands längst kein Tabu mehr darstellt. Ein solcher Austritt könnte aber der Auslöser für eine europaweite Rezession sein, die auch die Schwergewichte Deutschland und Frankreich treffen würde. Dann wäre die Lehman-Pleite nur ein schlimmer Vorgeschmack gewesen, meint Rolf Schneider, Leiter der Volkswirtschaft bei der Allianz:

    "Sollte es wirklich zu einer Kreditklemme kommen, sollten Außenhandels-finanzierungen in weitem Umfang gestört sein und sollte man daran erkennen, dass dann auch eine scharfe globale Rezession entsteht, dann würde natürlich der Aktienmarkt massiv reagieren. Dann sind Größenordnungen von 15, 20 oder 25 Prozent nicht unvorstellbar."

    In einem solchen Schreckensszenario käme auch der Euro gewaltig unter Druck, bis hin zu einer Parität, also einem Gleichstand mit dem US-Dollar. Der Tag nach der Griechenland-Wahl dürfte auch zu neuen Erschütterungen am Markt mit Staatsanleihen führen. Ein Austritt-Szenario könnte die Kurse deutscher Staatsanleihen nach oben katapultieren – die Rendite für zehnjährige Anleihen dürfte dann deutlich unter ein Prozent fallen. Manche Experten glauben sogar, dass es für zehnjährige Anleihen mit den Zinsen gegen Null geht. Die Schuldenländer müssten dagegen eine Kettenreaktion fürchten. Die Renditen spanischer und italienischer Anleihen würden – zumindest kurzfristig – auf sieben Prozent steigen. Einig sind sich alle darin, dass es vor allem darauf ankommt, wie sich Politik und Europäische Zentralbank auf dieses Krisenszenario vorbereitet haben. Dass die Euroländer noch vor der Griechenland-Wahl taumelnden spanischen Banken Milliardenhilfen zugesagt haben, könnte vielleicht eine Panik an den Märkten verhindern.