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"Ich mache mir Sorgen um das Vermächtnis von Schäuble"

Mit dem Verlust des Finanzministeriums an die SPD gebe man den "Markenkern der CDU, nämlich die schwarze Null, aus der Hand", sagte der Bundestagsabgeordnete Olav Gutting (CDU) im Dlf. Er erwarte von Kanzlerin Angela Merkel, ihre Nachfolge "noch in dieser Legislaturperiode" einzuleiten.

Olav Gutting im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 10.02.2018
    Der CDU-Politiker Olav Gutting spricht im Deutschen Bundestag.
    Nach 15 Jahren sei es Zeit für eine "personelle Erneuerung" in der CDU, sagte der CDU-Politiker Olav Gutting im Dlf (imago stock&people / Metodi Popow )
    Jürgen Zurheide: Ich liefere Ihnen noch mal zwei Agenturmeldungen von heute Morgen: Der jüngste CDU-Abgeordnete fordert Ministerposten für den konservativen Flügel. Ein CDU-Mittelstandspolitiker, der droht mit Blockade im Bundestag. Und dann gibt es noch Twitter-Meldungen: Eine da lautet, "Puuh, wir haben wenigstens noch das Kanzleramt". Der Autor dieser Meldung, Olav Gutting, im Bundestag für die CDU, Sie hören richtig, ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Gutting!
    Olav Gutting: Guten Morgen!
    "Die Menschen sehen das Wahlergebnis letztendlich verdreht"
    Zurheide: Herr Gutting, was haben Sie bisher für Reaktionen bekommen auf Ihr "Puuh, wir haben wenigstens noch das Kanzleramt"?
    Gutting: Durchweg positive, denn die Stimmung in der Basis entspricht genau diesem Tweet. Die Menschen sind enttäuscht, frustriert und sehen das Wahlergebnis letztendlich verdreht.
    Zurheide: Haben Sie eigentlich heute Morgen oder seit gestern schon Glückwünsche von Sozialdemokraten bekommen, so unter der Überschrift, wie schön, euer Thema ist jetzt weg, also das CDU-interne Thema, weil wir die Landschaft, die Presselandschaft beherrschen?
    Gutting: Also es ist richtig, dass sich mit der Personalrochade bei der SPD das Ganze in etwas in den Hintergrund rückt, aber trotzdem, der Frust auch nach drei Tagen ist bei der CDU-Mitgliedschaft vor Ort immer noch enorm groß, und wir müssen schauen, wie wir das einfangen.
    Zurheide: Sie haben die Verhandlungstaktik der Kanzlerin kritisiert. Was war denn da falsch?
    Gutting: Wenn man von vornherein in die Verhandlungen geht und sagt, GroKo oder nicht, also die Minderheitsregierung oder eine mögliche Minderheitsregierung überhaupt nicht in Betracht zieht, dann stehe ich von Anfang an mit dem Rücken zur Wand, und wenn man sich dann erpressen lässt, dann ist es kein Wunder.
    Der Verlust des Finanzministeriums "wird uns noch sehr schmerzen"
    Zurheide: Das heißt, erpressen, damit meinen Sie vor allen Dingen das Finanzministerium, was jetzt auch noch bei der SPD gelandet ist. Ist das der Dreh- und Angelpunkt oder ist es nicht nur das?
    Gutting: Das Finanzministerium ist der Dreh- und Angelpunkt, und genau diesen Verlust, den kreide ich auch unserer Führung an, denn das wäre aus meiner Sicht nicht notwendig gewesen, und dieser Verlust, der wird uns noch sehr schmerzen.
    SPD: "Spardiktat in Europa beendet"
    Zurheide: Was heißt er denn konkret? Er heißt ja heute Morgen schon von Herrn Kauder, na ja, egal, wer da Finanzminister wird, ob es nun Herr Scholz ist oder wer auch sonst immer von der SPD, das kann der oder die Person, die dort sitzt, nicht alleine bestimmen, das ist Sache der Bundesregierung. Stimmt das oder stimmt das nicht?
    Gutting: Also ich bin ja nun seit vielen Jahren Finanzpolitiker, und ich kenne die organisatorische Macht des Finanzministeriums sehr gut, und wenn die SPD unmittelbar nach Erringen dieses Ministeriums schon verkündet, damit ist das Spardiktat in Europa beendet, dann spricht das Bände, und ich mache mir Sorgen um das Vermächtnis von Wolfgang Schäuble, und wenn man das Finanzministerium aus der Hand gibt, dann bedeutet das auch, dass man einen Markenkern, nämlich die schwarze Null, der CDU aus der Hand gibt.
    Verbliebene CDU-Themen: Zuwanderung, Familienstärkung, Wohnungsbau
    Zurheide: Heißt das jetzt für Sie, noch einmal neu verhandeln, zumal bei der SPD, wie wir gerade gehört haben, die tollen Tage noch längst nicht vorbei sind?
    Gutting: Noch ist ja noch nichts entschieden. Wir haben noch das SPD-Mitglieder-Votum und auch selbst noch einen Bundesparteitag. Bis dahin bleibt noch einiges an Diskussionszeit, und man wird sehen, wie es sich weiter entwickelt. Nichtsdestotrotz, wenn es dann tatsächlich zu dieser Koalition in dieser Konstellation kommt, dann müssen wir liefern, und zwar in unseren Punkten, nämlich beim Thema Zuwanderung, beim Thema Familienstärkung, beim Thema Wohnungsbau. Es gibt ja durchaus gute Punkte auch im Koalitionsvertrag, und die müssen wir dann selbstverständlich nach vorne stellen.
    Zurheide: Jetzt haben Sie meine Frage leider nicht ganz beantwortet. Glauben Sie, dass man die Verteilung der Ministerien noch mal aufmachen kann oder ist der Fisch gegessen?
    Gutting: Also wenn die Koalition kommt, dann wird sie so kommen, wie sie verhandelt ist. Wenn sie nicht kommt, ist natürlich alles offen.
    Zurheide: Jetzt habe ich gerade schon zitiert, dass zum Beispiel die CDU-Mittelstandsvereinigung und Mittelstandspolitiker auch angesichts der Mehrheitsverhältnisse sagen, bei den knappen Mehrheitsverhältnissen, die diese Große Koalition ja nur noch auf die Waage bringt, da muss man dann im Zweifel auch irgendwann mal Nein sagen. Sehen Sie sowas voraus oder sagen Sie so was voraus?
    "Die Kandidatin wird nicht mehr Angela Merkel heißen"
    Gutting: Wir reden ja immer darüber, dass das Parlament gestärkt werden muss, und das ist ein Punkt, wo man dann auch darüber sprechen kann.
    Zurheide: Jetzt hat Daniel Günther vorhin im Deutschlandfunk – diesen kleinen Ausschnitt haben Sie möglicherweise gehört – mehr oder weniger verklausuliert gesagt, das Ende von Merkel ist ganz nah, weil es in dieser Legislaturperiode passieren wird. Er hat das als Chance formuliert. Er hat das elegant gemacht, wie ich finde. Sehen Sie das auch so, also dass das Ende von Frau Merkel ganz nah ist?
    Gutting: Also ob nah oder nicht, will ich mal dahingestellt lassen, aber nach 15 Jahren brauchen wir natürlich langsam auch eine personelle Erneuerung. Das ist allen klar. Ich glaube, das weiß auch Angela Merkel, und wir erwarten eigentlich, dass sie im Laufe dieser Legislaturperiode auch diesen Übergang einleitet.
    Zurheide: Einleitet heißt, dass sie selbst schon zurücktritt oder sagen Sie, wir müssen dann mit einem anderen Kandidaten respektive einer anderen Kandidatin in die nächste Wahl gehen?
    Gutting: Wie man das genau anstellt, wird man dann sehen.
    Zurheide: Und dass es schneller passiert als vier Jahre, weil die Koalition nicht stabil ist, auch darauf sind Sie eingestellt?
    Gutting: Auch das kann passieren.
    Zurheide: Und der Kandidat oder die Kandidatin wird nicht mehr Angela Merkel heißen.
    Gutting: Davon gehe ich heute aus, ja.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.