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Mögliches Aus für Hubble-Nachfolger

Astronomie.- Am Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops, das seit gut 20 Jahren im All ist, wird emsig gearbeitet. Es soll etwa viermal weiter von der Erde entfernt Posten beziehen als der Mond. Allerdings könnte dem Projekt bis dahin längst der Geldhahn zugedreht worden sein.

Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen im Gespräch mit Monika Seynsche | 26.07.2011
    Monika Seynsche: Das Hubble-Weltraumteleskop ist seit gut 20 Jahren im Einsatz. Aber sein Ende ist absehbar. Denn es gibt keine Shuttle-Flüge mehr. Dementsprechend gibt es auch keine Wartungsflüge mehr und in etwa fünf Jahren, so rechnen die Astronomen, wird das Teleskop wahrscheinlich ausfallen. Deshalb arbeiten sie schon lange an einem Nachfolger, nämlich dem James-Webb-Teleskop. Jetzt aber häufen sich die Meldungen über ein mögliches Aus für diesen Hubble-Nachfolger - noch bevor der überhaupt im All ist. Aus Hamburg ist uns unser Weltraumkorrespondent Dirk Lorenzen zugeschaltet. Herr Lorenzen, was sind denn das für Probleme mit diesem James-Webb-Teleskop?

    Dirk Lorenzen: Frau Seynsche, das James-Webb-Teleskop liegt erheblich hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück. Und es kostet auch deutlich mehr als geplant. Dieses Teleskop ist technisch sehr aufwendig. Man will das am Boden genau vorher testen, bevor man es ins All schickt -auch bei sehr tiefen Temperaturen, die das Teleskop dann im All erleben wird. Das alles ist sehr aufwendig und eben sehr kostspielig. Und ein unabhängiger Untersuchungsbericht hat vor einiger Zeit der NASA und dem Hauptpartner in der Industrie schlechtes Management und mangelndes Kostenbewusstsein bescheinigt. Die NASA gerät jetzt eben dann auch noch zwischen die politischen Fronten beim Streit um den US-Haushalt. Das Parlament hat jetzt also eine Art Machtdemonstration, dem Präsidenten gegenüber mal gesagt, wir bewilligen da vielleicht nur zwei Milliarden weniger als Präsident Obama beantragt hat. Wenn das wirklich durchkommt, dann wäre kein Geld mehr da für das James-Webb-Teleskop.

    Seynsche: Über welche Summen reden wir denn eigentlich? Also wie teuer soll das James-Webb-Teleskop werden?

    Lorenzen: Im Moment redet man von Gesamtkosten von gut sechs Milliarden US-Dollar für Bau und Betrieb. Gut die Hälfte ist davon schon ausgegeben. Das Geld ist also ohnehin schonmal weg. Europa und Kanada sind als Juniorpartner beteiligt. Europa liefert nicht nur die Ariane für den Start, sondern hat auch zwei wissenschaftliche Geräte beigesteuert.

    Seynsche: Und könnte man das Teleskop nicht einfach kleiner und billiger bauen, wenn es jetzt am Geld fehlt?

    Lorenzen: Drei Viertel des Instruments sind schon fertig gebaut - unter anderm eben die Kameras und der Spiegel. Das heißt, das Design dieses Teleskops steht fest, da kann man jetzt nichts mehr ändern. Das einzige, was noch groß gebaut werden muss, ist der Sonnenschild, der das Teleskop im All dann vor der Sonnenstrahlung schützt und kühlt. Wenn man den kleiner baut, würde das Teleskop aber wärmer und wäre dann wissenschaftlich nicht mehr so leistungsfähig.

    Seynsche: Sagen Sie, was mich etwas wundert: Gibt es bei Forschungsprojekten dieser Größenordnung keine Planungssicherheit? Da sind ja schon Milliarden ausgegeben worden.

    Lorenzen: Nicht in den USA. Im US-Haushalt muss die NASA wirklich jedes Jahr aufs Neue um ihr Geld kämpfen. Und gerade wenn dann eben ein Projekt teurer wird als geplant, kann das schnell das Aus bedeuten. Das hat die NASA auch schon mehrfach selber durchführen müssen, auf Geheis von Oben. Das letzte bekannte Beispiel war das große Raketenprogramm zur Nachfolge vom Shuttle. Da waren schon fast zehn Milliarden Dollar ausgegeben. Trotzdem ist es gestoppt worden. Und der US-Kongress hat vor 20 Jahren, Anfang der 90er-Jahre, den großen SSC-Beschleuniger mitten im Bau gestoppt. Der hätte dreimal so leistungsstark sein sollen wie der LHC. Und jetzt fühlen sich manche Astronomen mit Schrecken an diesen Stopp von damals erinnert.

    Seynsche: Wie bedeutend ist denn dieses James-Webb-Teleskop überhaupt für die Astronomie?

    Lorenzen: Sehr bedeutend. Die nationale Akademie der USA hat es zum wichtigsten Instrument des Jahrzehnts erklärt. Es soll eben unerreicht weit und scharf hinaus ins All blicken. So würde es, wenn es denn hoch kommt, die frühesten Galaxien nach dem Urknall beobachten können. Es könnte zusehen, wie Sterne in der Milchstraße entstehen und vielleicht sogar Bilder von Planeten bei anderen Sternen machen - also sehr, sehr wichtig.

    Seynsche: An diesem Projekt ist doch auch die Europäische Weltraumorganisation ESA beteiligt. Spielt die bei der Finanzierung irgendeine Rolle?

    Lorenzen: Die beteiligt sich mit etwa 15 Prozent an den Kosten. Und ich habe mit vielen Astronomen gesprochen, die eben bei James Webb mitarbeiten. Die hoffen alle jetzt letztlich sehr, dass dieses Problem dann irgendwie auf allerhöchster Ebene zwischen den beteiligten Staaten geklärt werden muss, dass es eben nicht nur eine rein amerikanische Angelegenheit bleibt. Da gab es mal ein Beispiel für das fliegende Observatorium an einem Flugzeug "SOFIA", das die NASA auch einstellen wollte, das aber gerettet wurde, weil Deutschland mit so 20 Prozent beteiligt ist. Vielleicht verhindern jetzt auch die internationalen Verpflichtungen der NASA das Scheitern von James Webb.

    Seynsche: Und wenn das nochmal verhindert wird, wann könnte es dann an den Start gehen?

    Lorenzen: Optimaler Start-Termin wäre 2018. Wenn diese jährliche sehr schwache Finanzierung so weitergeht, würde ein Verschieben bis in die 20er-Jahre hinein unvermeidlich sein.