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Möllring: Forderung der Ärzte "passt nicht in die Landschaft"

Der Verhandlungsführer der Länder, Hartmut Möllring, hat sich pessimistisch über Einigungschancen bei den heute anstehenden Tarifgesprächen für die Ärzte geäußert. Eine Übereinkunft sei nicht in Sicht, sagte der niedersächsische Finanzminister. Die Gewerkschaft verlange immer noch eine Anhebung der Bezüge im zweistelligen Bereich, betonte Möllring.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Eine schwierige, langwierige Operation, 26 Stunden. Doch am Ende blieb der Patient mit offener Wunde auf dem Tisch. Der Verhandlungsmarathon zum Tarifkonflikt der Ärzte an deutschen Unikliniken ist am Wochenende erneut gescheitert. Der wochenlange Streik geht somit weiter, obwohl - so die Diagnose beider Seiten - in fast allen Punkten Einigkeit erzielt wurde. Die Nerven liegen blank. Im Lager der Arbeitgeber gibt es Streit. Heute die laut Marburger Bund allerletzte Chance für eine Einigung. In Köln wird verhandelt und dazu jetzt bei mir am Telefon der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). Guten Morgen!

    Hartmut Möllring: Guten Morgen!

    Heinlein: Kommt es heute zur Einigung?

    Möllring: Das kann ich nicht sagen. Wir waren ja in vielen Punkten einig, aber letztendlich scheiterte es am Freitag, am Samstag am Geld. Geld ist eben das, was im Moment die wichtigste Rolle spielt und da ist eine Einigung im Moment nicht in Sicht.

    Heinlein: Ist denn die weitgehende Einigung vom Wochenende für Sie ein tragfähiger Kompromiss? Sie wollten ihn ja durchrechnen lassen, so hieß es.

    Möllring: Ja gut, die Forderung, die der Marburger Bund erhebt, ist derart hoch, dass es nicht bezahlt werden kann, weder von den Unikliniken noch von den Ländern. Nun muss man sehen, wie wir uns noch einigen können.

    Heinlein: Aber die 30 Prozent-Forderung der Ärzte ist vom Tisch?

    Möllring: Die war ja von Anfang an in der heutigen Zeit völlig abwegig. Die jetzige Forderung ist aber immer noch deutlich im zweistelligen Bereich und das passt glaube ich heute nicht in die Landschaft, denn wir müssen sehen: Die Kliniken bestehen nicht nur aus Ärzten, sondern auch aus Pflegepersonal, aus anderem Personal, Krankenschwestern und so weiter. Wenn wir etwas abschließen, muss das ja auch so sein, dass das in die Landschaft passt und dass die anderen dieses auch akzeptieren.

    Heinlein: Stimmt es denn, dass es zwei Gehaltssprünge von 4 Prozent und dann 3 Prozent geben soll?

    Möllring: Es gibt verschiedene Forderungen. Das ging immer hin und her Freitag und Samstag. Es ist ja nicht so, dass die Arbeitgeber nur abgelehnt haben, sondern der Marburger Bund hat auch die Vorstellungen der Arbeitgeber abgelehnt. Im Moment sind beide Seiten noch nicht auf dem Weg der Einigung.

    Heinlein: Werden Sie denn heute ein Angebot auf den Tisch legen?

    Möllring: Wir hatten ja bereits am Freitag und Samstag deutliche Angebote gemacht. Die sind vom Marburger Bund abgelehnt worden. Umgekehrt sind die Forderungen des Marburger Bundes von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder abgelehnt worden. Das heißt beide Seiten waren sich einig, dass man im Moment jedenfalls noch nicht deckungsgleich ist.

    Heinlein: Sie klingen, Herr Möllring, jetzt sehr pessimistisch. Von einer Einigung sei man weit entfernt, sagen Sie. War es zu früh, am Wochenende von einer weitgehenden Annäherung der Positionen zu reden?

    Möllring: Das war sicher zu optimistisch gesagt worden, denn die Annäherung hat zwar stattgefunden - das ist richtig -, aber die Einigung ist eben noch nicht erreicht.

    Heinlein: Haben denn die Verhandlungsführer heute in Köln die Prokura der Finanzminister? Angeblich ist es am Wochenende ja daran gescheitert.

    Möllring: Na ja, wir hatten als Finanzminister einen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Der ist vom Marburger Bund strikt abgelehnt worden, ohne dass man in die Sache eingestiegen ist. Nun muss man mal sehen, ob der Marburger Bund bereit ist, heute darüber zu verhandeln.

    Heinlein: Herr Möllring, von Seiten der Unikliniken ist Ihre Tarifgemeinschaft der Länder ja scharf angegriffen worden. Der TDL müsse das Verhandlungsmandat entzogen werden, so die Forderung von Seiten der Unikliniken, also von Seiten der Arbeitgeber. Schmerzen Sie diese Vorwürfe?

    Möllring: Arbeitgeber sind zunächst mal die Länder und die Unikliniken kriegen das Geld entweder von den Ländern, also von den Steuerzahlern, oder sie kriegen das Geld von den gesetzlichen Krankenkassen. Nun ist es auch so, dass die Unikliniken nicht unisono das gefordert haben, sondern der Vertreter der Unikliniken ist nach zwei Stunden Tarifverhandlungen nach Hause gefahren. Das heißt die letzten 24 Stunden hat er gar nicht mitgemacht, sondern er hat sie genutzt, solche Presseerklärungen abzugeben. Für besonders seriös halte ich das nicht.

    Heinlein: Sind Sie denn führungslos? Auch das ist ein Vorwurf von Seiten der Unikliniken. Das geht ja sehr persönlich gegen Sie.

    Möllring: Nein, wir sind überhaupt nicht führungslos. Ich stehe in Kontakt mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern. Die Abstimmung hat auch am Samstag unter den Finanzministern stattgefunden und es ist eben festgestellt worden, dass es keine Mehrheit für den Vorschlag, die Forderung des Marburger Bundes gibt. Das heißt es ist deutlich abgelehnt worden. Was ist daran führungslos? Das ist in einer Demokratie so, dass man abstimmt, wenn mehrere verhandeln. Wenn es dann keine Mehrheit gibt, dann ist das eben keine Mehrheit und in einer Demokratie muss man Mehrheiten erzielen. Das hat nichts mit führungslos oder mit führungsstark zu tun, sondern jedes Land muss für sich entscheiden, kann ich das bezahlen oder kann ich es nicht mehr bezahlen. Die Mehrheit der Länder hat festgestellt, diese Forderung des Marburger Bundes ist schlicht nicht bezahlbar.

    Heinlein: Aber ist nicht genau dies das Problem, Herr Möllring, dass jedes Land für sich selber entscheiden muss, was bezahlbar ist und was nicht? Es fehlt die einheitliche Linie. Sind sie sich denn in den Ländern untereinander einig, was sie dem Marburger Bund heute anbieten wollen?

    Möllring: Ja natürlich, aber was heißt, jedes Land muss entscheiden, was bezahlbar ist und was nicht bezahlbar ist. Sie müssen sehen: Wir haben unterschiedliche Situationen bei den Ländern. Die einen haben bereits die 42-Stunden-Woche. Die anderen haben noch die 40-Stunden-Woche. Die einen zahlen Weihnachtsgeld, die anderen zahlen kein Weihnachtsgeld, weil sie es nicht können, nicht weil sie es den Leuten missgönnen, sondern weil sie es schlicht nicht können, weil sie das Geld nicht haben.

    Nun ist die Frage: Wird die unterschiedliche Arbeitszeit von 40 auf 42 zusätzlich bezahlt. Das wäre bei den Ländern, wo schon 42 Stunden gearbeitet wird, ein zusätzliches Entgegenkommen gegenüber dem Marburger Bund. Dann ist die Frage: wie hoch sollte das Weihnachtsgeld sein. Dort wo gar keines gezahlt wird, müsste dann zusätzlich in die Tasche gefasst werden, während dort wo noch Weihnachtsgeld gezahlt wird, ein Entgegenkommen natürlich etwas leichter ist. Das war aber vorher bekannt. Das ist im allgemeinen Tarifgeschäft aber das gleiche. Da müssen wir sehen, wie wir dort zusammenkommen.

    Heinlein: Warum geben Sie die Verhandlungsführung nicht an die Unikliniken direkt ab? Diese haben ja tagtäglich mit den Ärzten zu tun und wissen genau bescheid über ihre Finanzlage.

    Möllring: Wir haben ja bei den Hochschulen teilweise schon Tarifabschlüsse gehabt. Die sind derart katastrophal, weil die meisten Unikliniken das eigentlich auch gar nicht wollen, weil sie sagen, wir wollen das geschlossen in TDL-Hand haben, übrigens auch die Uniklinik, von dessen Leiter diese Forderung aufgestellt worden ist. Das Land sagt nein, das bleibt bei den Ländern. Das heißt es bleibt bei der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, denn die Unikliniken haben ja kein Geld. Das Geld kriegen sie von den Ländern und das holen sich die Länder vorher bei den Steuerzahlern. Also ist es nicht so, dass die Unikliniken irgendeinen Euro selbständig hätten, sondern der muss vorher den Steuerzahlern weggenommen werden und dafür verhandeln wir. Letztendlich ist der Arbeitgeber immer der Bürger und die Bürgerin, die das über ihre Steuern oder im Arztfall über die gesetzliche Krankenversicherung refinanzieren müssen.

    Heinlein: Wenn Sie sich heute nicht einigen - und das was Sie sagen klingt ja eher sehr, sehr pessimistisch -, dann soll der Streik flächendeckend ausgeweitet werden auf fünf Tage die Woche. Denken Sie eigentlich an die Patienten?

    Möllring: Ja, natürlich denke ich an die Patienten. Den Patienten kann es ja nicht recht sein, dass wir noch die Gebühren wieder erhöhen müssen. Heute zahlt jeder schon 15 Prozent seines Arbeitslohnes in die gesetzliche Krankenversicherung ein, 14 Komma soundsoviel. Wenn das deutlich angehoben werden müsste, fehlt es hinterher dem Bürger, also dem Patienten wieder in der Tasche.

    Heinlein: Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder Hartmut Möllring heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Möllring: Auf Wiederhören!