Peymann selbst verlas, per Video Häppchenweise eingeblendet, die Verbalinjurien aufgebrachter Bürger, während die Theaterbühne, die, wie es unverblümt im Programmfaltblatt heißt, das Protokollantenteam "für diese Texte nicht brauchte", dem Turnverein Stammheim zur Verfügung gestellt wurde. Wackere auserwählte Turner durften also in verschiedenen Disziplinen ihre wackeligen Künste vorführen und ein wenig aus ihrem Alltag in Sichtweite der festungsartigen Justizvollzugsanstalt Stammheim plaudern: begleitend; kontrastierend, karikierend? Man erfuhr mancherlei über Gymnastik, Paar-Tanz und Tischtennis, und viel über die saturierte Verzweiflung eines Theater-Betriebs, der ersichtlich bereit ist, sich mit hohem Aufwand selbst ad absurdum zu führen.
Was sonst kann das Theater zu dieser notwendigerweise etwas windschiefen und lustlosen Gedenkbemühung in Richtung 'Deutscher Herbst' beitragen, was nicht schon gezeigt oder gesagt worden wäre? Zum Beispiel Theatralische Rekonstruktionsbemühungen. Zum Beispiel Mogadischu. Die Flugzeugentführung als Bundespressekonferenz, Konferenztisch auf der Drehbühne rotierend. Ein unsägliches Unterfangen: gestellte Szenen mit "hands up!"- Geplärre und Verrenkungen, die den grauenhaften Alltag in der entführten Landshut spürbar machen sollen, gespickt mit ein paar spärlichen surrealen Aspekten dieses Ohnmachts-Machtspiels zwischen Tätern und Opfern, Entführern und Befreiern. Zu wenig konkret, um anzurühren, zu pseudorealistisch, um den Fall distanziert aufzuarbeiten ist diese Bühnenadaption des Romans "Mogadischu Fensterplatz" von Friedrich Christian Delius, der genau die Personalisierung, die Zuordnung der Stimmen vermieden hat, die diese Stuttgarter Theaterfassung wieder einführt: Discomiss, Frau am Fensterplatz, Regierungsvertreter, Exterroristin, Entführer, Copilot. Dabei würde es auch hier um Wirklichkeits-Schwund, Wahrnehmungsverunsicherung und Ich-Verlust gehen - wie sie René Pollesch in einer Art Sprechoper für 5 Personen "Liebe ist kälter als das Kapital", der 3. Uraufführung zum Themenschwerpunkt Endstation Stammheim - bis zum Exzess durch- und ausspielt.
Vor, auf und hinter der Bühne: der Kapitalismus, medientechnisch hochgerüstet und zweifellos eine Form des Terrorismus, lässt keinen mehr zur Ruhe kommen und treibt die Menschen in eine Art Paranoia: wenn das Fallen zur Sucht wird, die Verweigerungsbemühungen zum Slapstick und der revolutionäre Anspruch zur Farce werden, gibt es keine Orientierung mehr. Und die Wände, Kulissen und Rituale des Theaters sind nichts als Elemente einer gigantischen "Beeindruckungsmaschinerie". Strukturell betrachtet, muss Pollesch wohl gedacht haben, steht der riesige Lunapark der Kultur einem rund um die Uhr überwachten Hochsicherheitstrakt an Irrsinn in nichts nach. Man sieht die getriebenen Figuren gleichzeitig von hinten, gefilmt, wenn sie nach vorn, auf die Bühne stürzen, sieht sie synchron zwischen Auftritt, Bühnengang, Pose, Absturz, Abgang, Action als Märtyrer in einer Art Verzweiflungsmühle. Das ist komisch, auch erhellend - bis man das Verfahren durchschaut hat. Dann nur noch reproduzierter - Leerlauf.
Bliebe da nicht das (vorerst) letzte Stück dieser kuriosen theatralen RAF-Gedächtnisfeier, in dem das Theater einfach macht, was das Theater kann: Menschen in Situationen zeigen, ihre Gedanken und ihre Gefühle, die mit den verbal bekundeten Programmen, Ansprüchen, Forderungen zunehmend weniger übereinstimmen. "Der Umschluss" wird bescheiden als Lesestunde der RAF deklariert und ist eine Textmontage aus Lenin-, Brecht und Brief-Zitaten, die es in sich hat: große, allgemeine Phrasen als Orientierung, als mentale Halteseile und Waffen in zunehmend giftiger und persönlicher geführten Auseinandersetzungen der 4 in Stammheim Zusammengesperrten, ja aufeinander losgelassenen Top-Terroristen Baader Meinhof Ensslin Raspe.
Ausgrenzung, kleinkarierter Sozialneid, die Mischung aus Labilität und Dominanzgebaren werden erkennbar als Motivation für auch politische Amokläufe. Und ganz nebenbei legt diese beklemmende Lehrstunde in Sachen Terrorismus nahe, dass dieser "Umschluss, diese Zusammenlegung der RAF-Köpfe, dieser Zwang zum Zusammensein, 8 Stunden pro Tag, eine ebenso tückische wie wirkungsvolle Methode war, sie in die Selbstzerstörung zu treiben.
Was sonst kann das Theater zu dieser notwendigerweise etwas windschiefen und lustlosen Gedenkbemühung in Richtung 'Deutscher Herbst' beitragen, was nicht schon gezeigt oder gesagt worden wäre? Zum Beispiel Theatralische Rekonstruktionsbemühungen. Zum Beispiel Mogadischu. Die Flugzeugentführung als Bundespressekonferenz, Konferenztisch auf der Drehbühne rotierend. Ein unsägliches Unterfangen: gestellte Szenen mit "hands up!"- Geplärre und Verrenkungen, die den grauenhaften Alltag in der entführten Landshut spürbar machen sollen, gespickt mit ein paar spärlichen surrealen Aspekten dieses Ohnmachts-Machtspiels zwischen Tätern und Opfern, Entführern und Befreiern. Zu wenig konkret, um anzurühren, zu pseudorealistisch, um den Fall distanziert aufzuarbeiten ist diese Bühnenadaption des Romans "Mogadischu Fensterplatz" von Friedrich Christian Delius, der genau die Personalisierung, die Zuordnung der Stimmen vermieden hat, die diese Stuttgarter Theaterfassung wieder einführt: Discomiss, Frau am Fensterplatz, Regierungsvertreter, Exterroristin, Entführer, Copilot. Dabei würde es auch hier um Wirklichkeits-Schwund, Wahrnehmungsverunsicherung und Ich-Verlust gehen - wie sie René Pollesch in einer Art Sprechoper für 5 Personen "Liebe ist kälter als das Kapital", der 3. Uraufführung zum Themenschwerpunkt Endstation Stammheim - bis zum Exzess durch- und ausspielt.
Vor, auf und hinter der Bühne: der Kapitalismus, medientechnisch hochgerüstet und zweifellos eine Form des Terrorismus, lässt keinen mehr zur Ruhe kommen und treibt die Menschen in eine Art Paranoia: wenn das Fallen zur Sucht wird, die Verweigerungsbemühungen zum Slapstick und der revolutionäre Anspruch zur Farce werden, gibt es keine Orientierung mehr. Und die Wände, Kulissen und Rituale des Theaters sind nichts als Elemente einer gigantischen "Beeindruckungsmaschinerie". Strukturell betrachtet, muss Pollesch wohl gedacht haben, steht der riesige Lunapark der Kultur einem rund um die Uhr überwachten Hochsicherheitstrakt an Irrsinn in nichts nach. Man sieht die getriebenen Figuren gleichzeitig von hinten, gefilmt, wenn sie nach vorn, auf die Bühne stürzen, sieht sie synchron zwischen Auftritt, Bühnengang, Pose, Absturz, Abgang, Action als Märtyrer in einer Art Verzweiflungsmühle. Das ist komisch, auch erhellend - bis man das Verfahren durchschaut hat. Dann nur noch reproduzierter - Leerlauf.
Bliebe da nicht das (vorerst) letzte Stück dieser kuriosen theatralen RAF-Gedächtnisfeier, in dem das Theater einfach macht, was das Theater kann: Menschen in Situationen zeigen, ihre Gedanken und ihre Gefühle, die mit den verbal bekundeten Programmen, Ansprüchen, Forderungen zunehmend weniger übereinstimmen. "Der Umschluss" wird bescheiden als Lesestunde der RAF deklariert und ist eine Textmontage aus Lenin-, Brecht und Brief-Zitaten, die es in sich hat: große, allgemeine Phrasen als Orientierung, als mentale Halteseile und Waffen in zunehmend giftiger und persönlicher geführten Auseinandersetzungen der 4 in Stammheim Zusammengesperrten, ja aufeinander losgelassenen Top-Terroristen Baader Meinhof Ensslin Raspe.
Ausgrenzung, kleinkarierter Sozialneid, die Mischung aus Labilität und Dominanzgebaren werden erkennbar als Motivation für auch politische Amokläufe. Und ganz nebenbei legt diese beklemmende Lehrstunde in Sachen Terrorismus nahe, dass dieser "Umschluss, diese Zusammenlegung der RAF-Köpfe, dieser Zwang zum Zusammensein, 8 Stunden pro Tag, eine ebenso tückische wie wirkungsvolle Methode war, sie in die Selbstzerstörung zu treiben.