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Mohamed Salah
"Das Geschenk Allahs"

Mohamed Salah, ägyptischer Star-Spieler vom FC Liverpool, wird in der arabischen Welt verehrt wie kaum jemand sonst. Auch in seiner Wahlheimat England prägt er eine politische Debatte, ohne große Worte.

Von Ronny Blaschke | 15.12.2019
Mohamed Salah wird beim Spiel von seinen Fans bejubelt.
Liebling der Fans: Liverpool-Spieler Mohamed Salah. (imago images/Action Plus/David Blunsden)
Die Fans des FC Liverpool besingen Mohamed Salah. Sinngemäß heißt es: Sollte der Stürmer noch mehr Tore schießen, würden sie zum Islam übertreten und in die Moschee gehen. Dass das Lied nicht nur ironisch gemeint ist, haben die vergangenen Monate gezeigt: In England haben etliche Anhänger die Meinung geäußert, dass Mo Salah die Wahrnehmung des Islam positiv präge.
Und auch Liverpools Trainer Jürgen Klopp spricht im April auf einer Pressekonferenz über die Bedeutung Salahs außerhalb des Platzes: "Er ist ein Vorbild in so vielen Dingen. Es ist wirklich sehr schön, ihn und auch Sadio Mané als Spieler zu haben. Beide sind Muslime und leben in einer Welt, in der diese Dinge sehr oft auf gefährliche Weise diskutiert werden. Und in der die Leute denken, sie sind alle so oder sie sind alle so. Wir wissen, dass das nicht stimmt, aber es ist schön, jemanden voller Freude und Liebe zu haben und das zu tun, was er in seiner Religion tut."
In England nimmt die Diskriminierung gegen Muslime ab
Eine Studie der Stanford Universität und der Technischen Hochschule Zürich untermauert Aussagen wie diese. Die Forscher analysierten Hassverbrechen in 25 englischen Grafschaften zwischen 2015 und 2018. Demnach seien Attacken und Diskriminierung gegen Muslime in Merseyside, der Heimat des FC Liverpool, um 19 Prozent gesunken.
Fußball, Afrika Cup Quali, Ägypten - Tunesien: Mohamed Salah aus dem ägyptischen Team feiert sein Tor im Qualifikationsspiel gegen Tuniesien.
Afrika-Cup 2019 - Wie Ägyptens Machthaber den Fußball nutzt
Seit 2014 regiert in Ägypten ein Militärregime unter dem Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Seit mehr als hundert Jahren wirken Autokraten in Ägypten auch durch den Fußball auf die Bevölkerung ein - der Afrika-Cup spielt dabei eine gewichtige Rolle.
Während die Quote für andere Hassverbrechen etwa gleichgeblieben ist. Zudem sanken antimuslimische Tweets von Liverpool-Fans um 53 Prozent. Der Imam Obayed Hussain teilt diese Wahrnehmung. In Birmingham nutzt er den Fußball für soziale Projekte.
"Wir leben in einer Welt, in der junge Leute sich Vorbilder im Fernsehen oder in den Sozialen Medien suchen. Oft schauen sie zu Gangstern oder Reality Stars auf. Mohamed Salah ist ein fantastischer Fußballer, er ist bescheiden und bringt Leute zusammen. Und ja, eine seiner Eigenschaften ist es, Muslim zu sein. Damit bricht er Klischees auf. Es ist wichtig, Vorbilder wie ihn zu haben: Die durch ihren Charakter auffallen - ohne große Reden zu halten."

Obayed Hussain organisiert jährlich im Ramadan eine Mitternachtsfußballliga. Während der Spiele kommen sich muslimische und nichtmuslimische Jugendliche näher. Hussain erwähnt in seiner Arbeit häufig Mo Salah, der seine Religiösität öffentlich lebe. Zum Beispiel durch eine Gebetshaltung auf dem Rasen nach erfolgreichen Spielen.
Fußball, Afrika Cup Quali, Ägypten - Tunesien (181117) -- ALEXANDRIA, Nov. 17, 2018 -- Mohamed Salah of Egypt is seen before the 2019 Africa Cup of Nations qualifier match between Egypt and Tunisia in Alexandria, Egypt, on Nov. 16, 2018. Egypt won 3-2. ) (SP)EGYPT-ALEXANDRIA-SOCCER-AFRICA CUP-QUALIFIERS-EGYPT VS TUNISIA AhmedxGomaa PUBLICATIONxNOTxINxCHN
Salah konnte sich auch mit Ägypten für die WM 2018 qualifizieren (Imago)
Von ägyptischen Hardlinern unter Druck gesetzt
In den sozialen Medien zeigt sich Salah beim Fastenbrechen. Seine Frau verfolgt Spiele mit der traditionellen Kopfbedeckung. Für das Time-Magazine ist Salah eine der "100 einflussreichsten Personen" weltweit. Doch er selbst scheint auf die Huldigungen ungern einzugehen und betont die Stärke der Mannschaft. Wie dieses Interview mit dem Sender BT Sport verdeutlicht.
"Ich habe oft gesagt. Ich spiele für das Team. Ich versuche, in jedem Spiel zu treffen. Um dem Team zu helfen, um Punkte zu sammeln und Spiele zu gewinnen. Das ist das wichtigste für mich."
Rund 35 Millionen Menschen folgen Mo Salah bei Instagram, zwölf Millionen bei Facebook, elf Millionen bei Twitter. Er hat früh erfahren, dass jede seiner Gesten beobachtet wird. Im Dienst des FC Basel soll er 2013 von ägyptischen Hardlinern unter Druck gesetzt worden sein, israelischen Spielern nicht die Hand zu geben. So geschehen dann vor einer Partie gegen Maccabi Tel Aviv, als er sich während der Begrüßung die Schnürsenkel band.

2018 bezog die ägyptische Nationalmannschaft ihr WM-Quartier in der russischen Teilrepublik Tschetschenien. Ein Beispiel, wie Sportler von autokratischen Politikern vereinnahmt werden, sagt Piara Powar, Leiter des Netzwerkes Fare, Football Against Racism in Europe.
Ägyptens Mohamed Salah mit Ramzan Kadyrov
Umstrittene Geste: Mohamed Salah mit Ramzan Kadyrov, dem Präsident von Tschetschenien (AFP/Karim Jaafar)
"Salah wurde zu gemeinsamen Fotos mit dem tschetschenischen Präsidenten gedrängt. Unter Ramsan Kadyrow sollen Oppositionelle und Homosexuelle verhaftet, gefoltert und ermordet worden sein. Wir wissen, dass Salah darüber sehr verärgert war. Er soll mit einer Klage gegen den ägyptischen Fußballverband gedroht haben. Auch, weil sein Foto öfter für andere Zwecke genutzt wurde, als ihm lieb war."
Seine Fans bezeichnen ihn auch als "Geschenk Allahs".
Der lächelnde Fußballheld neben einem Despoten: Islamfeindliche Gruppen fühlten sich durch dieses Bild bestärkt, etwa Anhänger aus dem Umfeld der Football Lads Alliance, einer rechten Fangruppe aus London. Immer wieder mussten muslimische Spieler wie Mesut Özil beim FC Arsenal, Yaya Touré bei Manchester City oder Sadio Mané beim FC Liverpool islamophobe Sprüche über sich ergehen lassen, vor allem in sozialen Medien.
Champions League-Halbfinale: FC Liverpool - AS Rom. Mohamed Salah (M) vom FC Liverpool jubelt mit seinen Teamkollegen über seinen Treffer zum 1:0.
Mo Salah - Ägypten feiert den Star der Champions League
Er ist der Star des ägyptischen Fußballs – Mohammed Salah, gerufen Mo Salah vom FC Liverpool. In Kairo ist er überall: auf T-Shirts und Unterhosen, auf zahlreichen Werbetafeln am Straßenrand und im Stau auf Stoßstangen und Sonnenblenden.
Im April bezeichnen Fans des FC Chelsea Mohamed Salah in einem Lied als "Bombenleger". Der Sportwissenschaftler Mahfoud Amara von der Qatar University beschäftigt sich seit Jahren mit dem Fußball aus der arabischen Welt.
"Wir sprechen in Großbritannien von einer Krise des Multikulturalismus, besonders seit dem Brexit. Und es gibt nach wie vor Spannungen und pauschale Urteile über Muslime, vor allem nach islamistischen Anschlägen wie in London oder in Manchester. Auf der einen Seite können Spieler wie Mo Salah dem oft abstrakt erscheinenden Thema Islam ein alltägliches Gesicht geben. Auf der anderen Seite werden Spieler mit arabischen Namen immer wieder angefeindet."
Laut einer landesweiten Umfrage der Universität Cambridge stimmen mehr als 50 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass der Islam mit britischen Werten nicht vereinbar sei. 50 Prozent sagen aber auch, dass Islamfeindlichkeit ein ernstes Problem sei. In Liverpool ist die Lage anders: Hier hatte William Henry Quilliam 1889 die erste Moschee in England eröffnet, hier leben heute 15.000 Muslime. Und einer von ihnen zählt zu den besten Fußballern der Welt. Seine Fans bezeichnen ihn auch als "Geschenk Allahs".