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Moleküle mit Scheinwerfer

Physik. - In den letzten Jahren entwickelten Physiker eine ganze Palette an neuartigen Mikroskopen. Das Besondere: Die Mikroskope können einzelne Moleküle sichtbar machen. Vor allem Mediziner und Biologen interessieren sich dafür. Schließlich sind es einzelne Moleküle, die die Bausteine des Lebens bilden – insbesondere Eiweiße und das Erbmolekül DNS. Auf solche fundamentalen Elemente des Lebens gestatten die neuen Gerätschaften der Physiker einen überaus detaillierten Blick.

    Von Frank Grotelüschen

    Das ist natürlich alles hochgradig spannend. Die Forschung, die da gemacht wird im Moment, ist wirklich sehr atemberaubend.

    Petra Schwille vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen entwickelt Mikroskope der besonderen Art. Mikroskope, mit denen man genauer hinschauen kann als es physikalisch eigentlich geht. Ein herkömmliches Lichtmikroskop, so steht es im Lehrbuch, kann nur das erkennen, was größer ist als die halbe Wellenlänge des verwendeten Lichts. In Zahlen bedeutet das: 200 Nanometer, 200 Millionstel Millimeter, ist die maximale Auflösung eines Lichtmikroskops. An sich viel zu grob, um Biomoleküle zu erkennen, Proteine etwa. Aber:

    Es gibt mittlerweile Möglichkeiten, einzelne Moleküle in der Zelle sichtbar zu machen. Sie können wirklich sehen, dass ein Molekül wandert von der Zellmembran zum Zellkern, verweilt dann da ein kleines bisschen und geht dann in den Zellkern rein.

    Damit das klappt, mussten sich die Physiker einen raffinierten Trick einfallen lassen. Schwille:

    Wir arbeiten mit fluoreszenzmarkierten Molekülen. Die Moleküle haben im Grunde so etwas wie eine kleine Lampe dran. Dadurch sind die für uns sichtbar.

    Die mit Farbstoff markierten Moleküle lassen sich in eine lebende Zelle einschleusen. Dann wird die Zelle mit einem gebündelten Laserstrahl angestrahlt. Dessen Wellenlänge ist genau auf den Farbstoff abgestimmt, sodass er aufleuchtet wie der Reflektor am Schulranzen, angestrahlt von einem Autoscheinwerfer. Hochempfindliche Kameras nehmen das Bild auf und lassen einzelne Lichtpünktchen erkennen, wie sie durch die Zelle wandern. Mit diesem Verfahren, kombiniert mit anderen Tricks, schaffen die Göttinger Physiker Bemerkenswertes: Sie machen die gerade mal 30 Nanometer dünne Membran eines Bakteriums sichtbar. Eine Auflösung sieben Mal besser als die eines herkömmlichen Lichtmikroskops. Mit einer ähnlichen Methode können Münchener Forscher quasi live beobachten, wie ein Virus eine Zelle befällt.

    Das muss man sich so vorstellen: Da hängt am Virus ein Farbstoffmolekül dran. Und Sie können verfolgen, wie der Virus an die Zelle andockt, und dann wie dieser Viruspartikel sich in der Zelle fortbewegt, um zu gucken: Wo sind die wirksam? Wo beginnt im Grunde der Ärger? Das ist eine Sache, die erst seit einem halben Jahr eigentlich erst möglich ist, diese Moleküle wirklich auch sichtbar zu machen, wie einen Videofilm aufzunehmen. Sie können sich dann wirklich den Pfad dieses Virus durch die Zelle als Videofilm angucken.

    Die Idee: Das neue Mikroskop soll die Wirkmechanismen möglichst genau aufspüren, über die das Virus die Zelle infiziert – woraus sich die Forscher dann neue Angriffspunkte für Medikamente erhoffen. Ein weiteres Ziel: Schwille und ihre Kollegen fahnden nach Unterschieden zwischen einzelnen Molekülen von ein- und derselben Sorte. Schwille:

    Die klassische Physik und Chemie geht ja davon aus, dass die Moleküle alle identisch sind. Das ist natürlich eine Hypothese, die es eigentlich zu prüfen gilt. Und die kann man nur prüfen, wenn man in der Lage ist, wirklich die einzelnen Moleküle eines nach dem anderen zu analysieren. (13:27) Es zeichnet sich schon ab, dass es zumindest auf der Ebene der Proteine durchaus Unterschiede gibt. Man kann nicht davon ausgehen, dass sich wirklich alle Moleküle einer Klasse gleich verhalten.

    Die meisten Eiweiße – so Petra Schwille - sind sehr komplex aufgebaute Gebilde. Da kann es schon passieren, dass zwei Proteine - obwohl sie zur selben Sorte gehören - ein wenig voneinander abweichen. Wenn man so will, können also auch Proteine Individuen sein. Und genau das ließe sich ausnutzen, etwa für die Biotechnologie. Die sucht unter anderem nach möglichst wirksamen Enzymen, also Biokatalysatoren. Und die neue Mikroskop-Generation, die ja einzelne Moleküle voneinander unterscheiden kann, könnte aus einer Charge von Enzymen die besonders wirksamen herausfischen. Frei nach dem Aschenputtel-Prinzip: Die guten ins Töpfchen - die schlechten sonst wohin.