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Molekulare Bildgebung

Manche Krankheiten lassen sich verhältnismäßig früh durch eine Veränderung des Stoffwechsels nachweisen. Tumore zum Beispiel regen den Körper an, neue Blutgefäße zu bilden. Statt nun erst diese Blutgefäße nachzuweisen, zeigt die molekulare Bildgebung Rezeptoren und Botenstoffe, die die Bildung der Blutgefäße auslösen und steuern. Bekannte, etablierte Methoden: Szintigraphie, PET. Nachteil: Beide Verfahren stellen kaum Morphologie dar - man sieht also nicht wirklich, wo die Aktivität stattfindet. Zusätzlich werden bei beiden Verfahren radioaktive Kontrastmittel eingesetzt. Darum gibt es jetzt Versuche, nicht nur die Morphologie, sondern auch die Aktivität der Körpers mit MRT darzustellen Die Magnetresonanztomographie, kurz MRT, liefert hoch aufgelöste und kontrastreiche Bilder aus dem Inneren des Körpers, indem sie durch Magnetfelder Wasserstoffmoleküle dazu bringt, Signale auszusenden. Unterschiedliche Gewebe kann man dann an unterschiedlich starken Signalen erkennen.

    Weil diese Technik den Körper kaum belastet, versuchen Medizintechniker und Ärzte, sie auch zu nutzen, um zum Beispiel Botenstoffe nachzuweisen, die in der Nähe von Tumoren häufiger vorkommen als gewöhnlich.

    Es gibt VEGF das ist der vascular-epetheliale growth factor [...] der sitzt zum Beispiel auf den Epithelien, aber auch in anderen Zellen; es ist halt leider so, dass nicht nur in einer Zelle das ist, sondern eigentlich alle Faktoren, fast alle Faktoren in allen Zellen. Sie sind nur unterschiedlich ausgeprägt. In der Tumorzelle stärker ausgeprägt als in einer anderen Zelle.

    Erklärt Professor Wolfhard Semmler vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Im Prinzip kann man mit der Magnetresonanztomographie solche Faktoren und ihre Häufung nachweisen. Nur: Die Signale, die von den gesuchten Substanzen ausgehen, sind so schwach, dass sie so gut wie unsichtbar sind. Hilft man der MRT nicht auf die Beine, ist die Szintigraphie ungefähr eine Million mal so empfindlich. Trotzdem hat die Magnet-Methode eine Chance.

    Man kann sehen, dass im Körper sehr viele Protonen sind: Wasser. Das [...] Proton ist das, was wir nachweisen, das Wasserstoffatom. Und damit haben wir die Möglichkeit, da wir aus viel Wasser bestehen, ist natürlich die Konzentration irrsinnig hoch. Also 50molar etwa. Und jetzt müssen sie das mit dem vergleichen, was wir beim Rezeptor haben: Da haben wir etwa Picomol oder bestenfalls Mikromol. Da sind einfach viele Größenordnungen dazwischen.

    Darum arbeiten die Forscher daran, diese vielen Wasserstoffatome dazu bringen, sozusagen auf die wenigen Rezeptoren zu zeigen. Das gibt dann ein starkes und nicht zu übersehendes Signal.

    Damit die Wasserstoffatome zu Zeigern werden, setzen die Forscher Kontrastmittel ein. Ganz ähnlich wie bei Szintigramm oder der PET – nur dass die MRT-Kontrastmittel nicht radioaktiv sind, sondern eben aktiv im Magnetfeld.

    Da nimmt man z.B. Gadolinium, das hat freie Elektronen und damit ein hohes elektronisches Moment, und das stört die Protonen. Verändert die Relaxationszeit der Protonen. Wir können dann Magnetite nehmen, das sind Eisenpartikel. Die haben eine viel, viel höhere Relaxationsfähigkeit. Die haben einen Faktor 100 etwa größer. (28-80, in der Größenordnung)

    Normalerweise, ohne Kontrastmittel, werden alle Wasserstoffatome parallel ausgerichtet. Ähnlich wie die Zuschauer in einem Rockkonzert, die alle zur Bühne schauen. Ein zweites Magnetfeld bringt die Atome zum Pendeln, fast wie die Feuerzeuge, die zu einer Ballade geschwenkt werden. Wie diese Pendelbewegung ungleichmäßig wird und schließlich aufhört, das ist typisch für das jeweilige Gewebe. Das Kontrastmittel bringt die ganze schöne Ordnung durcheinander. Gadolinium etwa ähnelt jemandem, der quer durch die pendelnde Menge rennt - und so die anderen aus dem Takt bringt: Die Pendelbewegung wird viel schneller ungeordnet als normal. Dieses Durcheinander ergibt im Magnetresonanz-Bild einen besonders hellen Fleck.

    Magnetite hingegen verzerren das Magnetfeld im Körper. Wie prominente Besucher, die plötzlich hinten in der Konzerthalle auftauchen, lenken sie die Zuhörer ab – die 'vergessen' zu Pendeln. Im Magnetresonanz-Bild erscheint ein dunkler Fleck.

    Mit solchen 'Tricks' nähert sich die Empfindlichkeit dann langsam der der Szintigraphie:

    Wir schaffen es halt, gerätetechnische Entwicklungen, sagen wir mal einen Faktor 10, durch die Signalmoleküle will ich jetzt mal sagen noch mal nen Faktor 10-100 und wir schaffen vielleicht eine Konzentrationserhöhung durch aktive Prozesse (...), vielleicht auch ein Faktor 1000 – da sind wir bei einer Million!

    Noch werden die Verfahren im Tierexperiment getestet. Aber in etwa 6 Jahren, da ist sich Semmler sicher, sollte das Verfahren reif für den Einsatz am Menschen sein.

    Das ist eine große Vision, die wir haben, denn wir können wirklich dann das nutzen, was die Molekularbiologie uns bietet, ja. Und ich denke, wenn es uns gelingt, dieses Verfahren so zu entwickeln, und wenn es nur für 2 oder 3 spezielle Krankheiten ist erst mal, dann gibt das einen ganz enormen Schub.

    Andrea Vogel