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Molekularer Vierradantrieb

Nanotechnologie. - Niederländische Forscher haben das kleinste Elektroauto der Welt gebaut, gerade einmal zwei Nanometer groß. Der Clou: das Fahrzeug bewegt sich nicht nur mit elektrischer, sondern auch mit Lichtenergie, doch sein Zweck ist grundlegender Art. Mit Molekülen dieser Art versuchen Wissenschaftler herauszufinden, mit welchen Mitteln die Natur ihre unvergleichliche Energieeffizienz erzielt.

Von Ralf Krauter | 10.11.2011
    Das kleinste Elektroauto der Welt ist so winzig, dass es nur unter dem Rastertunnelmikroskop zu erkennen ist. Rund zwei Nanometer, also zwei Millionstel Millimeter, misst das organische Molekül, das Tibor Kudernac von der Universität Twente gemeinsam mit Kollegen hergestellt hat. Seine Form ähnelt einem Chassis mit vier Rädern dran.

    "In fact, it’s not really the shape, that has much in common, rather the function, what it does."

    Rein äußerlich habe das Ganze mit einem Auto nur wenig gemein, räumt der promovierte Chemiker ein. Aber was die Funktion angehe, da gebe es durchaus Parallelen.

    "Wir haben ein Molekül hergestellt, das vier drehbare Teile hat, die wir als Rotoren bezeichnen. Diese vier Rotoren an den Seiten funktionieren wie die Räder eines Autos. Das Molekül steht darauf und sobald wir es mit Strom versorgen, beginnen sie sich zu drehen und bewegen das Ganze vorwärts."

    Die vier Räder arbeiten wie winzige Schrittmotoren. Setzt man sie kurz unter Strom, rotieren sie einmal um ihre Achse und bewegen das Molekül dadurch um eine knappe Wagenlänge voran. Um das Elektromobil fahren zu lassen, setzen es die Forscher im Vakuum auf eine leitende Kupferplatte und kühlen es auf 7 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Dann bringen sie die Nadel eines Rastertunnelmikroskops so nahe heran, dass Elektronen von der Nadelspitze zum Vierrad-Molekül springen. Doch jeder Strompuls liefert nur eine Radumdrehung, dann muss die Mikroskopnadel nachgeführt werden. Temporekorde lassen sich so nicht aufstellen. Aber darum gehe es auch gar nicht, sagt Tibor Kudernac.

    "Das entscheidende an unserer Arbeit: Wir konnten zeigen, dass man Moleküle konstruieren kann, die wie makroskopische Maschinen funktionieren. Man steckt Energie rein und bekommt dafür eine mechanische Bewegung. Die Natur hat im Laufe der Evolution eine Vielzahl biomolekularer Motoren hervorgebracht, die auf zellulärer Ebene - etwa in unserem Körper - die verschiedensten Arbeiten verrichten. Wenn wir künftig synthetische Moleküle bauen können, die Vergleichbares leisten, eröffnet das neue Möglichkeiten."

    Und zwar vor allem für die Grundlagenforschung, sagt der Nanoexperte Paul Weiss, Professor an der University of California in Los Angeles.

    "There isn't a direct application of this work. The idea is to capture some of the advantages that are in the natural world."

    Konkrete Anwendungen des synthetischen Nanomobils sehe er derzeit nicht, erklärt Weiss. Aber es sei ein wichtiger Schritt, um Antworten auf Fragen zu finden, die Wissenschaftler schon lange umtreiben.

    "Wie kann ein biologischer Motor so unglaublich effizient arbeiten? Alle Motoren die wir bauen, etwa um ein Auto anzutreiben, wandeln Energie viel ineffizienter in Bewegung um. Wir wollen die Tricks der Natur verstehen, um sie nachmachen zu können. Dazu zählt auch das Zusammenspiel vieler molekularer Motoren, zum Beispiel in unseren Muskeln. Eine Frage lautet daher: Was passiert in künstlichen Systemen, wo mehrere Motoren zusammen spielen? Und da hat die Gruppe aus den Niederlanden bemerkenswertes geleistet, indem sie vier molekulare Motoren dazu brachte, in einem Molekül zusammen zu arbeiten."

    Weil die Motoren des niederländischen Elektromobils auch auf Licht anspringen, sollen anstelle von Strom demnächst Lichtpulse als Antrieb dienen. So ließe sich der Aktionsradius vergrößern und vielleicht könnten die Vierrad-Moleküle künftig sogar auf Befehl ihren Kurs ändern. Momentan fahren sie je nach Design entweder nur geradeaus oder immer im Kreis.