Doris Schäfer-Noske: "Tamerlano" handelt von einem Tartarenkaiser, den es wirklich gegeben hat. Er hat um 1400 das Heer des Sultans Bajazet vernichtend geschlagen. Dafür will er in der Oper die Sultantochter zur Frau, eigentlich hat er zwar einer anderen die Ehe versprochen, aber die, die soll nun sein Gefolgsmann übernehmen. Frage an Thomas Voigt, inwieweit kann denn Pierre Audis "Tamerlano" mit den Produktionen der Jonas-Ära mithalten?
Thomas Voigt: Ja, wenn man die Publikumsreaktion als Maßstab nimmt, konnte diese Inszenierung nicht mit der großen Händel-Tradition Münchens mithalten. Es gab Buhs für das Regieteam, finde ich schon ein bisschen heftig, vielleicht nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen führt, was München alles geboten bekommen hat seit 1994, seit dieser spektakulären Julius-Cäsar-Inszenierung von Richard Jones, die berühmte mit dem Dinosaurier. Das war ein Bilderbogen ohnegleichen, Lunapark, alle möglichen Fantasyelemente waren da drin, also von Jurassic Park bis, was weiß ich, Hollywood war da alles vertreten. Und jetzt eine sogenannte werkdienliche Inszenierung, die ursprünglich für das barocke Holztheater Drottningholm geplant war und dort auch aufgeführt wurde, das adaptiert auf Münchener Verhältnisse, so ein bisschen wie bei den russischen Puppen, das kleine Theater im großen Theater, und leider keine Action, keine Show, keine Revue, sondern Kostüme aus der Entstehungszeit, die üblichen Barockgewänder, Perücken und Arie, Rezitativ, Arie, Rezitativ. So geht das dreieinhalb Stunden, bis dann das Highlight kommt, was Händel komponiert hat, nämlich den einzigen Selbstmord in seinen Opern, den Selbstmord des Bajazet in Gegenwart von Tamerlano. Dass das so ist, dass das große Längen hatte, auch wirklich Momente von großer Langeweile, kann man nicht Pierre Audi allein anlasten. Natürlich hätte man optisch noch mehr bieten können, auch vom Bühnenbild her, das ist keine Frage. Aber was sich in diesem Rahmen, in diesem sogenannten werkdienlichen Rahmen abspielte, war schon sehr gut gearbeitet und hat, wie ich finde, nicht diesen Buhsturm verdient. Den sehe ich in erster Linie als Ausdruck von Enttäuschung, gemessen an dem, was man all die Jahre immer geboten bekommen hat.
Schäfer-Noske: Tamerlano ist ja eine Rolle für einen Countertenor. Früher wurde er von Kastraten gesungen, dann von einer Altistin, und nach einigen Jahren des Counterbooms kommen nun manche Regisseure auch wieder auf die Frauen in Hosenrollen zurück. Hier war es der Countertenor David Daniels, der die Aufgabe gemeistert hat. Ja, wie hat er sie gemeistert, Thomas Voigt?
Voigt: Gut, aber eigentlich spielt Tamerlano gar nicht die große Rolle in dieser Oper, ist zwar Titelpartie, aber so viel hat er gar nicht zu sagen oder zu singen. Da haben die anderen, sind weitaus präsenter, Bajazet wie gesagt mit seiner Selbstmordszene, aber auch schon vorher, dann Bajazets Tochter Asteria, gesungen von Sarah Fox, hat auch eigentlich musikalisch viel stärkere Anteile. Und dann gibt es noch die Verflossene, die ursprünglich Tamerlano hat heiraten sollen, Irene, und die Einzige im Stück, die Tamerlano liebt, also sie ist die Einzige, die diesen Gewaltherrscher liebt. Die hat zwei Arien, die wirklich hervorstechen, und dagegen fällt Tamerlano gar nicht so ins Gewicht. Die Irene war übrigens für mich die Sängerin des Abends, die Spanierin Maite Beaumont, und ihre Arie hatte wirklich diesen Charakter, den ich bei vielen anderen Nummern vermisst habe.
Voigt: Um nicht missverstanden zu werden, David Daniels ist in München ein sehr beliebter Sänger, und der hat große Sachen geleistet in dieser Händel-Reihe. Und natürlich ist auch sein Tamerlano als Gesangsleistung ohne Fehl und Tadel. Aber er leidet darunter, dass es eben nicht die Hauptrolle ist, weder von der Inszenierung noch vom Stück und vielleicht auch, dass er nicht unbedingt die Idealbesetzung ist für jemanden aus dem Wilden Osten. Das ist halt eine typische Bravourpartie, die Händel für einen Kastraten geschrieben hat, und man muss sich fragen, ob der Klangcharakter passt zu einem solchem Gewaltmenschen.
Schäfer-Noske: Noch kurz die Frage zum Schluss. Läutet denn der "Tamerlano" das langsame Ende der Barockopern in München ein?
Voigt: Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass da noch einiges kommt und dass es vielleicht ein kleines Nachbeben gibt. Aber ich habe den Eindruck, die große Händel-Renaissance, die hat unter Peter Jonas stattgefunden, und jetzt im neuen Regime muss dann auch mal eine neue Richtung eingeschlagen werden.
Thomas Voigt: Ja, wenn man die Publikumsreaktion als Maßstab nimmt, konnte diese Inszenierung nicht mit der großen Händel-Tradition Münchens mithalten. Es gab Buhs für das Regieteam, finde ich schon ein bisschen heftig, vielleicht nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen führt, was München alles geboten bekommen hat seit 1994, seit dieser spektakulären Julius-Cäsar-Inszenierung von Richard Jones, die berühmte mit dem Dinosaurier. Das war ein Bilderbogen ohnegleichen, Lunapark, alle möglichen Fantasyelemente waren da drin, also von Jurassic Park bis, was weiß ich, Hollywood war da alles vertreten. Und jetzt eine sogenannte werkdienliche Inszenierung, die ursprünglich für das barocke Holztheater Drottningholm geplant war und dort auch aufgeführt wurde, das adaptiert auf Münchener Verhältnisse, so ein bisschen wie bei den russischen Puppen, das kleine Theater im großen Theater, und leider keine Action, keine Show, keine Revue, sondern Kostüme aus der Entstehungszeit, die üblichen Barockgewänder, Perücken und Arie, Rezitativ, Arie, Rezitativ. So geht das dreieinhalb Stunden, bis dann das Highlight kommt, was Händel komponiert hat, nämlich den einzigen Selbstmord in seinen Opern, den Selbstmord des Bajazet in Gegenwart von Tamerlano. Dass das so ist, dass das große Längen hatte, auch wirklich Momente von großer Langeweile, kann man nicht Pierre Audi allein anlasten. Natürlich hätte man optisch noch mehr bieten können, auch vom Bühnenbild her, das ist keine Frage. Aber was sich in diesem Rahmen, in diesem sogenannten werkdienlichen Rahmen abspielte, war schon sehr gut gearbeitet und hat, wie ich finde, nicht diesen Buhsturm verdient. Den sehe ich in erster Linie als Ausdruck von Enttäuschung, gemessen an dem, was man all die Jahre immer geboten bekommen hat.
Schäfer-Noske: Tamerlano ist ja eine Rolle für einen Countertenor. Früher wurde er von Kastraten gesungen, dann von einer Altistin, und nach einigen Jahren des Counterbooms kommen nun manche Regisseure auch wieder auf die Frauen in Hosenrollen zurück. Hier war es der Countertenor David Daniels, der die Aufgabe gemeistert hat. Ja, wie hat er sie gemeistert, Thomas Voigt?
Voigt: Gut, aber eigentlich spielt Tamerlano gar nicht die große Rolle in dieser Oper, ist zwar Titelpartie, aber so viel hat er gar nicht zu sagen oder zu singen. Da haben die anderen, sind weitaus präsenter, Bajazet wie gesagt mit seiner Selbstmordszene, aber auch schon vorher, dann Bajazets Tochter Asteria, gesungen von Sarah Fox, hat auch eigentlich musikalisch viel stärkere Anteile. Und dann gibt es noch die Verflossene, die ursprünglich Tamerlano hat heiraten sollen, Irene, und die Einzige im Stück, die Tamerlano liebt, also sie ist die Einzige, die diesen Gewaltherrscher liebt. Die hat zwei Arien, die wirklich hervorstechen, und dagegen fällt Tamerlano gar nicht so ins Gewicht. Die Irene war übrigens für mich die Sängerin des Abends, die Spanierin Maite Beaumont, und ihre Arie hatte wirklich diesen Charakter, den ich bei vielen anderen Nummern vermisst habe.
Voigt: Um nicht missverstanden zu werden, David Daniels ist in München ein sehr beliebter Sänger, und der hat große Sachen geleistet in dieser Händel-Reihe. Und natürlich ist auch sein Tamerlano als Gesangsleistung ohne Fehl und Tadel. Aber er leidet darunter, dass es eben nicht die Hauptrolle ist, weder von der Inszenierung noch vom Stück und vielleicht auch, dass er nicht unbedingt die Idealbesetzung ist für jemanden aus dem Wilden Osten. Das ist halt eine typische Bravourpartie, die Händel für einen Kastraten geschrieben hat, und man muss sich fragen, ob der Klangcharakter passt zu einem solchem Gewaltmenschen.
Schäfer-Noske: Noch kurz die Frage zum Schluss. Läutet denn der "Tamerlano" das langsame Ende der Barockopern in München ein?
Voigt: Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass da noch einiges kommt und dass es vielleicht ein kleines Nachbeben gibt. Aber ich habe den Eindruck, die große Händel-Renaissance, die hat unter Peter Jonas stattgefunden, und jetzt im neuen Regime muss dann auch mal eine neue Richtung eingeschlagen werden.