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"Mona Lisa" unter die Haut geschaut

Kunstgeschichte. - Die "Mona Lisa", das Meisterwerk von Leonardo da Vinci, gilt als berühmtestes Bild der Welt und zieht jährlich 17 Millionen Besucher in den Pariser Louvre. Ihr geheimnisvolles Lächeln interessiert auch die Forscher. Einer französischen Arbeitsgruppe gelang es, den vergilbten Schutzlack des Bildes mit Digitaltechnik zu lüften und die Maltechnik da Vincis aufzudecken. Ihre Ergebnisse wurden nun in Paris veröffentlicht.

Von Suzanne Krause | 30.04.2008
    In seinem Pariser Photostudio, einen Katzensprung vom Intellektuellenviertel Saint-Germain-des-Près entfernt, demonstriert Pascal Cotte, wie er die Mona Lisa virtuell entblätterte. Wobei: das Meisterwerk von da Vinci durfte der Ingenieur natürlich nicht aus dem Louvre mit in sein Büro mitnehmen, sondern er musste seine Ausrüstung ins Museum schleppen. Die besteht aus der selbstgebauten multispektralen Kamera: ein schwarzer rechteckiger Metallkasten, um die vierzig Zentimeter lang, 20 breit, 20 hoch, auf hohen Füssen. An einen Photoapparat erinnert nur das Objektiv, statt über einen Sucher verfügt das digitale Aufnahmegerät über Kabelanschlüsse für einen Computer. Zum Equipment gehören ebenso ein Spezialgestell für das Gemälde sowie zwei drehbare Lichttürme, um das Untersuchungsobjekt frontal auszuleuchten. Genauer gesagt: ein gebündelter Lichtstrahl streift senkrecht über die Bildoberfläche, synchron zum Kameraauge, das das Untersuchungsobjekt von links nach rechts abschwenkt. Pascal Cotte ist der Forschungsleiter der Firma Lumiere Technology und ganz begeistert von seinem Apparat:

    " Im Inneren ist ein Korb mit insgesamt dreizehn Farbfiltern eingebaut. Jedes Mal, wenn die Kamera das Gemälde abschwenkt, wird ein anderer Filter zum Messen eines anderen Farbspektrums aufgesetzt. Das reicht von Ultraviolett bis zu Infrarot. Das Kameraauge registriert einhundert Millionen Punkte im Gemälde. Und misst dabei ebenso oft die Wellenspektren. Im Anschluss blenden wir die dreizehn Aufnahmen übereinander und erfassen damit das gesamte Wellenlängenspektrum des Werks. "

    Parallel wurden auch speziell präparierte Muster untersucht: hergestellt mit Pigmenten, die schon da Vinci verwandte, überzogen mit jeweils einem anderen Firnis-Lack, teils künstlich gealtert. Anhand eines Datenvergleichs lässt sich im Computer simulieren, wie der patinierte Schutzlack des italienischen Meisterwerks die Wellenlänge der Farbpigmente verändert. Mit diesen Diagrammen setzte sich im Anschluss Mady Elias auseinander. Die Physikerin am Pariser Institut für Nanotechnologie ist Expertin für komplexe Berechnungen wie die der Lichtmengen, die bei einer bestimmten Wellenlänge der Pigmente einfach verschluckt oder auch verstärkt werden. Erstmals stellte Mady Elias ihre Gleichungen in den Dienst der Kunst und erzielte Ergebnisse, die bislang nur mit der chemischen Untersuchung von Proben zu erlangen waren.

    " Als erstes habe ich untersucht, mit welcher Technik da Vinci sein so genanntes sfumato ausführte. So heißt die Technik, mit der er Gesichter malte. Als Ausgangspunkt dienten uns die Farbvariationen im Gesicht der Mona Lisa: wir konnten nachweisen, dass es sich um eine äußerst gesättigte Farbschicht handelt. Aus früheren Studien wissen wir, dass bei dieser Maltechnik nur ein einziges Pigment verwandt und mehrfach sehr verdünnt aufgetragen wird, um die Helligkeit abzustufen. Eine Technik, die damals nur die flämischen Meister, die die Ölmalerei einführten, benutzten. Und als nächstes wollten wir dieses einzige Pigment in der oberen Malschicht identifizieren. Dabei handelt es sich um ein Erdpigment aus Umbrien. "

    Die physikalische Untersuchung machte sichtbar: bei Mona Lisa verband da Vinci pionierhaft erstmals zwei Maltechniken. Die erste Farbschicht führte er getreu der damaligen italienischen Mode aus, bei der zweiten wandte er die innovative Technik flämischer Meister an. Und in Pascal Cottes Photostudio lächelt Mona Lisa noch aus jeder Ecke, in originalgroßen Studienaufnahmen von Grau bis kunterbunt.

    " Dieses Werk hier kommt den Originalfarben, so wie da Vinci das Bild malte, am nächsten. Da ist der Himmel wieder lapislazuli-blau, da leuchtet das Zinn-Blei-Gelb und Mona Lisas Haut ist wieder rosig, ganz im da-Vinci-Stil. "

    Dabei stellt Pascal Cotte seine Kamera neu ein und testet die Lichttürme. Denn der nächste Einsatz steht bevor: er will weiteren Meisterwerken mit der multispektralen Kamera unter den Firnis-Lack gehen, beispielsweise, um mit den Erkenntnissen Restauratoren ihre Arbeit zu erleichtern.