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Monarch und Meuchelmord

Die Oper "Maskenball" beruht auf einer wahren Begebenheit: Der schwedische König Gustav III. wurde 1792 von einem Bediensteten ermordet. Da die Zensurbehörde in Neapel damals Nachahmer fürchtete, verlegte Giuseppe Verdi den Schauplatz in die USA. Nun hat Jossi Wieler an der Berliner Staatsoper eine andere Variante gefunden. Für die mit viel Vorschusslorbeeren erwartete Inszenierung gab es euphorischen Beifall für die Solisten - und Buhs für das Regieteam.

Von Georg-Friedrich Kühn | 21.01.2008
    Mit den titelgebenden Masken soll man es hier nicht so ernst nehmen. Alles kann Maske sein. Auch ein schlichter schwarzer Abendanzug. Für den Meuchelmord am Schluss setzen sich Mörder und Opfer praktischerweise gleich nebeneinander auf die Parkettsessel. Alles Theater. Verdis "Maskenball" - ein früher "Falstaff"?

    Der Festsaal eines Hotels in Boston dient Jossi Wieler und seinem Dramaturgen und Co-Regisseur Sergio Morabito als Einheitsbühnenbild. Sie belassen das Stück in der für die Zensur vom ursprünglichen Schauplatz Schweden nach Amerika transferierten Fassung.

    Viel rotes Lametta ziert diese Convention-Hall von Barbara Ehnes. Page Oscar inspiziert zu Beginn die Funktionstüchtigkeit der Bühne auf der Bühne, für den Auftritt der Cheerleader, und das Saalmikrofon. Die Säulen verwandeln sich zu gläsernen Treibhäusern für den zweiten Akt, wenn Amelia - die zwischen den Freunden Riccardo, dem Gouverneur, und Renato, ihrem Mann, Hin- und Hergerissene - das Kraut des Vergessens sucht.

    Ulrica, die Wahrsagerin, die ihr zu dem Kraut geraten hat, ist offenbar die oberste Putzfrau. Mit Schlüsselanhänger und Sonnebrille ausgestattet, pendelt sie wie eine Wünschelruten-Sucherin nach der Wahrheit. Und der Richtplatz, wo Amelia suchen soll, ist wiederum die Halle - allerdings mit zwei Erhängten, die in den Sparren baumeln.

    Ziemlich gewöhnungsbedürftig dann das Nicht-Versteckspiel zwischen Riccardo, Renato und Amelia in der folgenden Szene: Renato hält dauernd seine nur mit ihrem Morgenmantel getarnte Ehefrau in den Armen und merkt nicht, dass sie es ist – sollen wir glauben.

    Überhaupt gelingt es dem Regieteam in diesem Setting nur schwer, szenische Spannung zu erzeugen. Man delektiert sich eher an Kleinigkeiten: Etwa dass Page Oscar, wenn er die Wahrsagerin Ulrica verteidigt, aus seinem Hintern ein rotes Schwänzchen zieht und so den Spielmacher Mefisto markiert. Oder dass er - beziehungsweise sie - am Ende im Schwanenkostüm zum Ball kommt mit Schwanenkopf als Halsschmuck und sich, auf den Schoß des Verschwörer-Trios bettend, von den Männern streicheln lässt. Anna Prohaska als Oscar ist allerdings auch ein Glanzpunkt der Aufführung. Und sie markiert mit ihren Offenbach-nahen Koloraturen auch am deutlichsten die verschwimmenden Grenzen von Tragödie und Komödie in dieser Verdi-Oper.

    Überhaupt liegt der Pluspunkt dieser Produktion vor allem im Musikalischen. Piotr Beczala ist ein Graf Riccardo mit einem so schmelzenden wie kraftvollen lyrischen Tenor. Dalibor Jenis als sein Freund und Rivale Renato verbindet baritonale Dunkelheit mit Dramatik.

    Etwas schwer tut sich anfangs Catherine Naglestad als Amelia. Erst allmählich kann sie ihren dramatischen Sopran entfalten, überzeugt vor allem durch ihr Spiel. Larissa Diadkova ist eine Ulrica mit beherrschender Ausstrahlung. Mit Verve geleitet Philippe Jordan durch die Partitur. Er weiß mit den Sängern zu atmen, das Tempo zu peitschen und herunter zu schrauben. Die Staatskapelle spielt mit ihm auf meisterlichem Niveau.

    Am Ende gab es denn auch vom mit viel Prominenz besetzten Publikum euphorischen Beifall zumal für die Solisten, Buhs fürs Regieteam. Es ist gewiss nicht Wielers stärkste Arbeit, im Vorfeld mit übersteigerten Erwartungen belastet. Lange auch hatte Wieler mit den Widrigkeiten des Hauses zu kämpfen.