Von Jan Lublinski
Mit den mechanischen Eigenschaften von festen Körpern, Gasen und Flüssigkeiten kennen sich Physiker aus. Weniger gut bescheid wissen sie, wenn es um die Dynamik von Sanddünen, Kiesladungen oder Müslibergen geht. Diese granularen Systeme, auch Schüttgüter genannt, lassen sich mit herkömmlichen physikalischen Theorien kaum modellieren. Die Partikel sind hier viel unregelmäßiger geordnet als etwa in Kristallen, und sie fließen auch nicht gleichmäßig wie in Flüssigkeiten. Bei den Schüttgütern, meint Douglas Durian von der University of California in Los Angeles, versagt etwas ungemein Wichtiges: Die Intuition. Müslitüten, zum Beispiel, verhalten sich so, dass die großen schweren Nüsse durch die Erschütterungen beim Transport nach oben wandern. In den meisten Fällen jedenfalls. Es gibt aber auch Experimente, die den Effekt umdrehen: Packt man ein Ei in eine mit Glaspulver gefüllte Kiste, so wandert dieses im Laufe der Zeit nach unten. Einige dieser Effekte lassen sich mit neueren mathematischen Theorien beschreiben. Insgesamt aber gibt es hier mehr Fragen als Antworten, und den Physikern bleibt wenig anderes übrig, als sich mit einfachen und überschaubaren Experimenten voranzutasten. Douglas Durian untersucht Krater in Schüttgütern. Er füllt Eimer mit wahlweise Sand, Salz, Reis, Popcorn oder Schokostreuseln und lässt dann Kugeln aus verschiedenen Höhen hineinfallen.
Für die Größe eines Kraters spielt die Korngröße erstaunlicherweise keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr die Dichte des Sands. Je dichter der Sand, desto kleiner der Krater. Außerdem ist der sogenannte Ruhe-Winkel von Bedeutung: Wenn Sie Sand aus einem Eimer auskippen, dann fließt er, bis die Oberfläche einen bestimmten Winkel erreicht hat. Dann ist plötzlich Schluss: die Reibung zwischen den Körnern wird zu groß, der Sand hält an. Je größer diese spezielle Reibung zwischen den Körnern ist, desto kleiner der Krater – diese Gesetzmäßigkeiten können wir jetzt mit mathematischen Gleichungen genau beschreiben.
Auch John de Bruyn von der Memorial University in Neufundland lässt Kugeln in Schüttgüter fallen, vorzugsweise in Eimer voller winziger Glasperlen. Er filmt diesen Vorgang mit einer Hochgeschwindigkeitskamera und kann in Zeitlupe studieren, wie die Kugel auf die Oberfläche auftrifft und versinkt, wie ein feiner Strahl aus Glasperlen nach oben spritzt. Zurück bleibt ein Krater, der sich langsam verändert:
In einer späten Phase der Kraterbildung, wenn die Kugel das Loch herausgeschlagen hat, werden die Wände des Kraters immer steiler - bis die Körner irgendwann zu fließen beginnen. Dann passiert es, dass am Rand des Kraters Lawinen abrutschen.
Nach den Lawinenabgängen kommen die Glasperlen-Krater schließlich zur Ruhe. Sie sehen aus wie Mondkrater, und in der Tat: John De Bruyn kann viele verschiedene Kraterformen, die auf dem Mond zu sehen sind, mit seinen Experimenten im Labor produzieren. Seine Hoffnung: dass sich die mathematische Modellierung der Kraterbildung in Schüttgütern soweit vorantreiben lässt, dass es möglich wird, vom Umfang eines Mondkraters auf die Größe des Meteoriten zurückzuschließen, der ihn verursacht hat. De Bruyn hat seine Forschungsergebnisse einem führenden amerikanischen Planetenforscher präsentieren wollen. Der aber wollte von dieser Art Experimenten zunächst gar nichts wissen.
Als ich ihn zum ersten Mal darauf ansprach, war er doch sehr abweisend. Ich hab es dann noch mal probiert und ihm Fotos geschickt. Und dann war er mit einem Mal total begeistert. Ich denke, er hat sich einfach nicht vorstellen können, dass man die verschiedenen Morphologien der Mondkrater mit so einfachen Experimenten herstellen kann.
Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass ein Wissenschaftler, der einfache Fallexperimente macht, von den führenden Astrophysikern seiner Zeit nicht gleich verstanden wird. Auch Galileo Galilei war so ein Fall.
Mit den mechanischen Eigenschaften von festen Körpern, Gasen und Flüssigkeiten kennen sich Physiker aus. Weniger gut bescheid wissen sie, wenn es um die Dynamik von Sanddünen, Kiesladungen oder Müslibergen geht. Diese granularen Systeme, auch Schüttgüter genannt, lassen sich mit herkömmlichen physikalischen Theorien kaum modellieren. Die Partikel sind hier viel unregelmäßiger geordnet als etwa in Kristallen, und sie fließen auch nicht gleichmäßig wie in Flüssigkeiten. Bei den Schüttgütern, meint Douglas Durian von der University of California in Los Angeles, versagt etwas ungemein Wichtiges: Die Intuition. Müslitüten, zum Beispiel, verhalten sich so, dass die großen schweren Nüsse durch die Erschütterungen beim Transport nach oben wandern. In den meisten Fällen jedenfalls. Es gibt aber auch Experimente, die den Effekt umdrehen: Packt man ein Ei in eine mit Glaspulver gefüllte Kiste, so wandert dieses im Laufe der Zeit nach unten. Einige dieser Effekte lassen sich mit neueren mathematischen Theorien beschreiben. Insgesamt aber gibt es hier mehr Fragen als Antworten, und den Physikern bleibt wenig anderes übrig, als sich mit einfachen und überschaubaren Experimenten voranzutasten. Douglas Durian untersucht Krater in Schüttgütern. Er füllt Eimer mit wahlweise Sand, Salz, Reis, Popcorn oder Schokostreuseln und lässt dann Kugeln aus verschiedenen Höhen hineinfallen.
Für die Größe eines Kraters spielt die Korngröße erstaunlicherweise keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr die Dichte des Sands. Je dichter der Sand, desto kleiner der Krater. Außerdem ist der sogenannte Ruhe-Winkel von Bedeutung: Wenn Sie Sand aus einem Eimer auskippen, dann fließt er, bis die Oberfläche einen bestimmten Winkel erreicht hat. Dann ist plötzlich Schluss: die Reibung zwischen den Körnern wird zu groß, der Sand hält an. Je größer diese spezielle Reibung zwischen den Körnern ist, desto kleiner der Krater – diese Gesetzmäßigkeiten können wir jetzt mit mathematischen Gleichungen genau beschreiben.
Auch John de Bruyn von der Memorial University in Neufundland lässt Kugeln in Schüttgüter fallen, vorzugsweise in Eimer voller winziger Glasperlen. Er filmt diesen Vorgang mit einer Hochgeschwindigkeitskamera und kann in Zeitlupe studieren, wie die Kugel auf die Oberfläche auftrifft und versinkt, wie ein feiner Strahl aus Glasperlen nach oben spritzt. Zurück bleibt ein Krater, der sich langsam verändert:
In einer späten Phase der Kraterbildung, wenn die Kugel das Loch herausgeschlagen hat, werden die Wände des Kraters immer steiler - bis die Körner irgendwann zu fließen beginnen. Dann passiert es, dass am Rand des Kraters Lawinen abrutschen.
Nach den Lawinenabgängen kommen die Glasperlen-Krater schließlich zur Ruhe. Sie sehen aus wie Mondkrater, und in der Tat: John De Bruyn kann viele verschiedene Kraterformen, die auf dem Mond zu sehen sind, mit seinen Experimenten im Labor produzieren. Seine Hoffnung: dass sich die mathematische Modellierung der Kraterbildung in Schüttgütern soweit vorantreiben lässt, dass es möglich wird, vom Umfang eines Mondkraters auf die Größe des Meteoriten zurückzuschließen, der ihn verursacht hat. De Bruyn hat seine Forschungsergebnisse einem führenden amerikanischen Planetenforscher präsentieren wollen. Der aber wollte von dieser Art Experimenten zunächst gar nichts wissen.
Als ich ihn zum ersten Mal darauf ansprach, war er doch sehr abweisend. Ich hab es dann noch mal probiert und ihm Fotos geschickt. Und dann war er mit einem Mal total begeistert. Ich denke, er hat sich einfach nicht vorstellen können, dass man die verschiedenen Morphologien der Mondkrater mit so einfachen Experimenten herstellen kann.
Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass ein Wissenschaftler, der einfache Fallexperimente macht, von den führenden Astrophysikern seiner Zeit nicht gleich verstanden wird. Auch Galileo Galilei war so ein Fall.